Graf Eberhard I. der Erlauchte von Württemberg (1265-1325)
Graf Eberhard I. von Württemberg legte mit der Burg und der Stiftskirche die Grundlagen für die künftige Residenz der Grafen von Württemberg. Trotz vieler Rückschläge gelang es ihm schließlich, Stuttgart als wichtigste Stadt seiner Grafschaft gegenüber seinen Gegnern auf Dauer zu behaupten.

1265 wurde Eberhard I. als Sohn des Grafen Ulrich I. von Württemberg (gestorben 1265) und dessen zweiter Frau Agnes von Schlesien-Liegnitz (nach 1242-1265) geboren. Seine Mutter starb wahrscheinlich bei seiner Geburt, sein Vater bereits wenige Wochen zuvor. Als Eberhard 14 Jahre alt und damit gerade mündig war, starb auch sein älterer Halbbruder Ulrich II., sodass er nun die Grafschaft Württemberg allein regierte. Eberhard I. war vermutlich zweimal verheiratet und hatte mindestens sechs Kinder aus diesen Ehen, darunter sein Nachfolger Ulrich III.; seine erste Frau war wohl Margarethe von Lothringen, die vor 1296 gestorben sein muss. Eberhards zweite Frau war Irmengard von Baden, die weiteren badischen Besitz an das Haus Württemberg brachte, vor allem die Stadt Backnang, möglicherweise aber auch weitere Rechte in Stuttgart.

Der junge Graf sah sich nach 1273 mit der sogenannten Revindikationspolitik König Rudolfs von Habsburg konfrontiert, der das Herzogtum Schwaben wiederherstellen wollte und dazu die Güter und Rechte des Reiches von den Grafen und Herren wieder einforderte. Der Konflikt eskalierte zur militärischen Auseinandersetzung zwischen Eberhard I. und dem König sowie dessen Landvogt Graf Albrecht von Hohenberg und der Reichsstadt Esslingen. 1286 belagerte das Heer König Rudolfs Stuttgart sieben Wochen lang vergeblich von der Anhöhe aus, die noch heute – nach dem königlichen Heerlager – den Namen „Wagenburg“ trägt und damals an der Straße nach Esslingen lag. Obwohl die befestigte Stadt standhielt, musste sich Eberhard schließlich unterwerfen und die Bedingungen der Sieger akzeptieren, zu denen die Schleifung der Stuttgarter Stadtmauern zählte; im Jahr darauf, als der Konflikt erneut aufflammte, zerstörte der König auch sieben kleinere Burgen rund um Stuttgart. Wie konsequent die Stadtmauern damals abgebrochen wurden, ist unklar, vermutlich ließ Eberhard sie spätestens nach 1292 wiederherstellen.

Am 23. Oktober 1287 musste sich Eberhard König Rudolf endgültig unterwerfen, durfte aber seine wichtigste Stadt, Stuttgart, behalten. Die Bedeutung der Stadt, die am 10. November 1286 erstmals als „stat Stûtgarten“ in einer Urkunde König Rudolfs in Erscheinung tritt, lag sehr wahrscheinlich im ausgedehnten Weinbau, der hohe Einnahmen für den Grafen versprach; schon im 14. Jahrhundert hatte Stuttgart das mit Abstand höchste Steueraufkommen aller Städte der Grafschaft.

Nach dem Tod König Rudolfs von Habsburg 1291 konnte Graf Eberhard seine Machtposition am mittleren Neckar wieder ausbauen und verstärken und suchte den Ausgleich mit ehemaligen Gegnern, vor allem mit Graf Albrecht von Hohenberg. Es ist wohl kein Zufall, dass grundlegende Neubaumaßnahmen am heutigen Alten Schloss, der Burg des Stadtherren von Stuttgart, sicher in das Jahr 1292, nach dem Tod des Königs, datiert werden können. Zwischen 1292 und 1312 ließ Eberhard hier eine neue, steinerne Wasserburg errichten, die gegenüber dem Vorgängerbau in ihrer Ausrichtung gedreht war, um einem möglichen Hochwasser weniger ausgesetzt zu sein. Die Vorgängerburg war durch ein Hochwasser des Nesenbachs – vielleicht schon 1272 – stark beschädigt worden. Das Untergeschoss der heutigen Dürnitz stammt aus Eberhards Zeit und entspricht dem Erdgeschoss der damaligen Burg.

Als 1298 der Habsburger Albrecht I. zum König gewählt wurde, zählte Eberhard I. zu dessen Unterstützern und erhielt dafür die Landvogtei Niederschwaben. Eberhard nutzte dieses Amt vor allem, um seine Grafschaft zu stärken, was nach 1305 erneut zum Krieg des Königs gegen den Grafen führte. Albrecht entzog Eberhard die Landvogtei, dieser aber unterstützte die Gegner des Königs in Böhmen, was ihm viel Geld für den Ausbau seiner Grafschaft einbrachte.

Als König Heinrich VII. 1307 Albrechts Nachfolge antrat, verschärfte sich der Konflikt zwischen Eberhard und dem Reich weiter, was den Grafen nicht nur in die Acht führte, sondern auch Württemberg an den Rand seiner Existenz und in seine schwerste Krise im Mittelalter: Der Reichskrieg 1310 bis 1316 gegen Eberhard, maßgeblich von den Städten, insbesondere Esslingen, vorangetrieben, führte zur Angliederung Württembergs an das Reichsgut, Stuttgart wurde neben anderen Städten 1312 der Hoheit des Reichs unterstellt, die Stadt war nun bis 1315 Besitz der benachbarten Reichsstadt Esslingen. Die Unterwerfungsurkunde der Stadt Stuttgart vom 31. Juli 1312 trägt das älteste erhaltene Stadtsiegel von Stuttgart. Im Lauf des Krieges waren 1312 die Burg Weißenburg über Stuttgart und schon 1311 die namengebende Stammburg Württemberg auf dem Rotenberg bei Uhlbach zerstört worden.

Der plötzliche Tod Kaiser Heinrichs VII. am 24. August 1313 brachte für Eberhard I. die Wende. Es gelang ihm durch geschicktes Taktieren in der Zeit des Doppelkönigtums Ludwigs des Bayern und Friedrichs des Schönen, bis 1316 wieder in alle seine Rechte eingesetzt zu werden.

Stuttgart, die wichtigste Stadt seiner Grafschaft, wurde nun konsequent zum Herrschaftsmittelpunkt ausgebaut. Das Stift Beutelsbach im Remstal, Grablege der Württemberger im 13. Jahrhundert, wurde von Eberhard I. in einem längeren Prozess nach Stuttgart verlegt. Beginnend vermutlich mit einer Flucht der Beutelsbacher Chorherren während des Reichskriegs in den Schutz der Stadt, formal abgeschlossen schließlich 1320 und 1321 mit der päpstlichen Erlaubnis, die Stuttgarter Kirche dem Stift zu inkorporieren. Die heutige Stiftskirche, zuvor eine Tochterkirche der Martinskirche auf der Altenburg bei Cannstatt, war 1321 zur Pfarrkirche dieses Sprengels erhoben worden. St. Martin auf der Altenburg, Berg und Wangen wurden dagegen zu ihren Tochterkirchen. Die Grablege der Grafen von Württemberg in Beutelsbach mit den Gebeinen und der Tumba seines Vaters und seiner Mutter ließ Eberhard I. wahrscheinlich im Sommer 1321 in die Stiftskirche überführen, wovon noch im 16. Jahrhundert eine Inschrift in der Kirche berichtete.

Damit hatte Eberhard I. nicht nur den Mittelpunkt der Pfarrei in die Mauern seiner Stadt verlegt, sondern mit Chorherrenstift und Grablege auch ein intellektuelles und repräsentatives Zentrum seiner Grafschaft und seines Hauses in Stuttgart geschaffen, in unmittelbarer Nachbarschaft seiner Burg, die er seit dem ersten Jahrzehnt des 14. Jahrhunderts vermehrt zu seinem Aufenthalt wählte. Als er am 5. Juni 1325 in Stuttgart starb, wurde er im Chor seiner Stiftskirche vor dem Hochaltar bestattet, der seit 1316 neu errichtet worden war.

Eberhard I. hatte die Grafschaft Württemberg mit Glück und Geschick zu einer maßgeblichen Herrschaft im nördlichen Schwaben geformt und Stuttgarts Aufstieg zur dauerhaften Residenz begründet; er hatte die alte Stammburg Württemberg und die Grablege in Beutelsbach an einem neuen Ort, in Stuttgart, zusammengeführt.

Text: Manfred Waßner
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Oliver Auge, Stiftsbiographien. Die Kleriker des Stuttgarter Heilig-Kreuz-Stifts (1250-1552) (Schriften zur Südwestdeutschen Landeskunde, Bd. 38), Leinfelden-Echterdingen 2002, S. 55-72.
Hansmartin Decker-Hauff, Geschichte der Stadt Stuttgart, Bd. I: Von der Frühzeit bis zur Reformation, Stuttgart 1966, S. 174-196.
Sönke Lorenz, Stuttgart auf dem Weg zur Landeshauptstadt: Die Residenz der Grafen von Württemberg, in: Vergangenheit als Verantwortung. Otto Borst zum Fünfundsechzigsten, in: Die Alte Stadt 16 (1989), S. 302-314.
Sönke Lorenz, Die Herrschaft Württemberg im Spätmittelalter: Von der Stammburg zur Residenzstadt, in: Der württembergische Hof im 15. Jahrhundert, Beiträge einer Vortragsreihe des Arbeitskreises für Landes- und Ortsgeschichte Stuttgart (VKBW B, Bd. 167), hg. von Peter Rückert, Stuttgart 2006, S. 9-52.
Dieter Mertens, Eberhard I., der Erlauchte, in: Das Haus Württemberg, ein biographisches Lexikon, hg. von Sönke Lorenz/Dieter Mertens/Volker Press, Stuttgart 1997, S. 25-26.
Dieter Mertens, Württemberg, in: Handbuch der Baden-Württembergischen Geschichte, Bd. 2: Die Territorien im Alten Reich, hg. im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg von Meinrad Schaab und Hansmartin Schwarzmaier, Stuttgart 1995, S. 21-34.
Hartmut Schäfer, Die Anfänge Stuttgarts. Vom Stutengarten zur württembergischen Residenz, Stuttgart 2012.
Peter-Johannes Schuler, Königsnähe – Königsferne. Zum Itinerar der Grafen von Württemberg im 14. Jahrhundert, in: Festschrift für Berent Schwineköper, hg. von Helmut Maurer/Hans Patze, Sigmaringen 1987, S. 455-468.

GND-Identifier: 135899591
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Waßner, Graf Eberhard I. der Erlauchte von Württemberg (1265-1325), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/6c77a951-1619-4a49-ba60-0287fd694fc1/Graf_Eberhard_I._der_Erlauchte.html