Der Stuttgarter Westen wurde erst im 19. Jahrhundert städtebaulich erschlossen, da mit der Industrialisierung verstärkt Menschen zuzogen, für die man Wohnraum benötigte. Auch für die kirchliche Betreuung musste gesorgt werden, was nicht nur evangelische Einwohner betraf, denn seit etwa 1830 zogen verstärkt katholische Christen nach Stuttgart. In der Folge errichtete die Katholische Kirche für ihre Gläubigen verschiedene Gotteshäuser, so 1900/01 auch im Westen die Kirche St. Elisabeth am heutigen Bismarckplatz. Bereits wenige Jahre später reichte der Bau für die steigende Zahl der Gottesdienstbesucher nicht mehr aus. So begannen die Planungen für eine weitere Kirche, aber der Erste Weltkrieg brachte die Bemühungen zum Erliegen.
1923 griff man den Gedanken erneut auf und suchte nach einem Standort für einen weiteren Kirchenbau im Stuttgarter Westen. Das Vorhaben stieß seitens Stadt und Land auf Ablehnung. Nach zähen Verhandlungen gelang es 1924, ein Grundstück an der Seidenstraße durch Tausch zu erwerben. Die Baugenehmigung erfolgte dann erstaunlich rasch am 14. Juni 1924.
Als Architekten hatte man Clemens Hummel (1869-1938) gewonnen. Er hatte an der Baugewerkeschule – heute Hochschule für Technik – studiert und war seit 1907 dort Lehrer, später Professor. Neben verschiedenen Privathäusern und dem Rathaus Obertürkheim (1914-1916) hatte er 1919/20 mit der Herz-Jesu-Kirche in Gaisburg bereits eine wichtige Kirche entworfen.
Zum Namenspatron bestimmte man den Hl. Fidelis. 1578 wurde dieser als Markus Roy in Sigmaringen geboren. Er studierte Philosophie und Jura in Freiburg im Breisgau, erhielt 1612 die Priesterweihe und trat in den Kapuzinerorden ein. In Graubünden nahm er an der gegenreformatorischen Mission teil, bei der ihn calvinistische Bauern 1622 erschlugen. 1729 wurde Fidelis selig-, 1746 heiliggesprochen.
Am 22. Oktober 1924 begannen die Arbeiten an St. Fidelis. Am 22. März 1925 erfolgte die Grundsteinlegung und schon am 13. Dezember die Weihe. Das hohe Spendenaufkommen erleichterte die Finanzierung. Die von Hummel angewandte moderne Baumethode tat ein Übriges, den Bau in rasantem Tempo zu errichten: Ein Gerüst aus Stahlbetongewölbebindern – versteift durch Stahlbetonstreben –, das mit Back- und Liasitsteinen ausgefacht wurde. Die Decke bestand aus Holzkassetten. Nur die Fassade errichtete man zum großen Teil aus Schilfsandstein, wiederverwendet von einem abgetragenen Flügel des ersten Stuttgarter Hauptbahnhofs.
Das Atrium – einzigartig im Kirchenbau Stuttgarts – hatte Hummel zunächst nicht vorgesehen, sondern erst im Planungsverlauf hinzugefügt. Es ist durch eine Mauer verborgen, die links vom Pfarrhaus und rechts von einem Erker eingefasst wird. Durch zwei Portale erreicht man diesen um mehrere Stufen erhöhten Vorhof – auch „Paradies“ genannt. Er schirmt den Sakralbereich vor dem Lärm der Straße ab und hebt ihn zugleich aus der Sphäre des Alltäglichen heraus. Zudem harmoniert dieses Motiv bestens mit dem Bautypus „altchristliche Basilika“, auf den der Architekt sich bei St. Fidelis rückbezog. Die Spitzbogenarkaden des Atriums umfangen an zwei Seiten die Kirchenfassade. An der dritten Seite befindet sich das Pfarrhaus, gegliedert durch eine Blendarkade.
Die Fassade von St. Fidelis strebt mächtig empor. Diese Vertikale wird durch das gotisierende Blendstabwerk betont, das in einem klassischen Dreiecksgiebel endet. Er ist durch gestaffelte Arkaden geöffnet, in denen die Glocken aufgehängt sind. Sie waren ursprünglich aus neuartigem und kostengünstigem Klangstahl von der Firma Schilling und Lattermann, Apolda, gefertigt.
Hummel hob den Mitteleingang durch eine Triumphbogenarchitektur hervor. Wie auf einer Bühne agieren drei Gusssteinplastiken auf diesem Vorbau: Mittig Christus, ihm zur Rechten der Hl. Fidelis, dem er die Märtyrerkrone reicht, zur Linken der Hl. Franziskus. Das Portal wird durch eine Reihe „schwebender“ Engel flankiert. Alle Figuren stammen von Prof. Josef Zeitler (1871-1958). Das heutige Mosaiktympanon stammt aus den 1950er Jahren.
Das Hauptportal und die beiden Seitenportale leiten ins Mittelschiff bzw. in die beiden Seitenschiffe. Hummel orientierte sich beim Bautyp an frühchristlichen Basiliken, dreischiffig, ohne Querhaus, mit eingezogenem Chor. Bei St. Fidelis dominiert das weit angelegte Mittelschiff deutlich über die zu Laufgängen reduzierten Seitenschiffe. Wie häufig im katholischen Kirchenbau der 1920er Jahre verband Hummel den längsgerichteten Einheitsraum mit einem stark modifizierten basilikalen Querschnitt (erhöhtes Mittelschiff mit eigener Belichtung, begleitet von niedrigeren Seitenschiffen).
Um die Sichtbarkeit des Altarbereichs zu gewährleisten, hob er das Niveau des Chors beträchtlich an. Es entstand eine Altarbühne, auf der das Messopfer überhöht werden sollte. Auch diese räumliche Steigerung findet sich häufig bei den sogenannten „Wegekirchen“ der liturgischen Reformbewegung jener Ära. Die bedeutenden Kirchenarchitekten Hans Herkommer (1887-1956) und Rudolf Schwarz (1897-1961) hatten diese Raumform in Publikationen der 1930er Jahre definiert.
Das Motiv des zugespitzten Bogens erschien bereits im Atrium und an der Fassade. In monumentaler Form wiederholte es Hummel bei den Stahlbetonbindern, die das Langhaus dominieren. Schon die Zeitgenossen bemerkten, dass das Prinzip des gotischen Skelettbaus hier in moderne Baustoffe übertragen worden war, sodass die Anwendung des Spitzbogens sinnfällig ist. Auch diese Form des „Gotisierens“ findet sich in vielen Sakralbauten der 1920er- und 1930er Jahre. So changiert der Stil der Kirche zwischen Neuer Sachlichkeit, einer abstrahierten Gotik, die dem Bau die sakrale Weihe verleiht, und der Anmutung expressiver Elemente.
Den Chor deckte ein Spitztonnengewölbe in Rabitztechnik, das heißt ein Metallgitter mit Putzmörtelauftrag. Er wurde durch seitliche, in die Wölbzone eingeschnittene Fenster beleuchtet. Die Schlusswand gliederte Hummel ähnlich der Fassade mit einem Blendstabwerk, das hier aber in einem Maßwerkfenster aufging. Es zeigte Gottvater, umgeben von anbetenden Engeln. Zunächst sah Hummel einen Altarbaldachin aus drei Arkaden vor, die den Chor in gesamter Breite ausgefüllt hätten. In der abschließenden Planung entschied er sich jedoch für einen auf Säulen ruhenden, einachsigen Baldachin aus Travertin. Auf ihm erhob sich eine Kreuzigungsgruppe des Bildhauers Hans Retzbach (1887-1976). Die Gesamtanlage folgt in ihrem Aufbau der Fassade, war also eine Projektion derselben.
Bei der Ausstattung zeigte sich strikte Einfachheit, aus Prinzip, aber auch aufgrund knapper finanzieller Mittel. Anbetungsengel am Triumphbogen zum Chor, zwei kleine Seitenaltäre, eine schmucklose Kanzel und ein schlichter Taufstein belegen diesen reduzierten Ansatz. Erhalten sind die Reliefs an den Konsolen der Querbinder: Symbole der Vier Evangelisten, der Eucharistie, das Wappen des Bischofs Paul Wilhelm von Keppler und das des damaligen Papstes Pius XI. Der rechte Seitenaltar zeigte die Muttergottes und die Hll. Zita und Konstantia, der linke mittig den Hl. Fidelis, seitlich die Hll. Konrad und Petrus. – Einige der Figuren stehen heute wieder im Kirchenraum verteilt.
Bei der Zerstörung am 12. September 1944 stürzten die Holzdecke im Langhaus und das Rabitzgewölbe ein. Der Altarbaldachin und die Kanzel wurden zerstört. Das ausgefachte Stahlbetongerüst aber blieb nahezu unversehrt. Den Wiederaufbau 1947/48 übernahm Hugo Schlösser (1874-1967). Er behielt die erhaltene Grundstruktur bei, schloss das Langhaus wieder mit einer Holzdecke und setzte eine neue Kanzel an den alten Standort. Im Chor trat an die Stelle des Gewölbes eine flache Holzdecke. Den Chorschluss restaurierte er und schirmte den Altar mit einer Spitzbogenarkade, unter der 1950 eine Kreuzigungsgruppe von Josef Zeitler platziert wurde. Auch die Seitenaltäre blieben an Ort und Stelle. Die wiederaufgebaute Kirche glich auf den ersten Blick „Alt-St. Fidelis“.
1962 kündigte sich ein neues Zeitalter in der Katholischen Kirche an: Mit dem Zweiten Vatikanischen Konzil änderte sich u. a. die Liturgie und in der Folge mussten die Kirchen den neuen Anforderungen angepasst werden. Für St. Fidelis arbeitete Rudolf Schwarz die Veränderungen aus, die seine Frau Maria (1921-2018) nach seinem Tod bis 1965 ausführte.
Der Eingriff betraf vor allem den Chor: Alle historischen Relikte wurden beseitigt, der Altarraum zu einer neutralen Folie für den Ritus. Den Altar rückte man von der Wand ab, hin zur Gemeinde. An die Stelle des Maßwerkfensters traten zwei schmale Spitzbogenfenster, an die Stelle der Seitenaltäre der Ambo und das Tabernakel. Farbige Akzente setzten nun die Glasfenster von Georg Meistermann (1911-1990). 1965 kam der von ihm geschaffene Kreuzweg hinzu.
1995 bekam das Architekturbüro Rainer Zinsmeister den Auftrag, St Fidelis neu zu ordnen. Wesentlich war vor allem die Rekonstruktion des Gewölbes im Chor. 2005 platzierte man die Orgel mit kreisförmigem Prospekt auf der Empore. Sie wurde von Ludger Lohmann und Johannes Mayr entworfen und gefertigt von der Orgelmanufactur Vleugels, Hardheim. Den Prospekt entwarf Otmar Schimmelpfennig, Anina Gröger bemalte ihn.
Im Rahmen der Außenrestaurierung 2010 erhielt St. Fidelis neue Glocken der Gießerei Bachert, Neunkirchen. 2019 sanierten das Büro „schleicher.ragaller architekten“ (Domenik Schleicher und Michael Ragaller) das Innere grundlegend, aber unter Beibehaltung der Raumschale, und fügten dem Altarraum einen „Raum der Stille“ ein. Die liturgischen Gegenstände schuf Martin Bruno Schmid. Seither dient St. Fidelis dem Katholischen Stadtdekanat als Spirituelles Zentrum.