Luise Rist gehörte 1917/18 zu den Mitbegründerinnen des Katholischen Deutschen Frauenbundes, dessen Entwicklung sie während der Weimarer Zeit und nochmals in den ersten Jahren nach 1945 prägte. Zudem war sie zwischen 1919 und 1933 Mitglied des Stuttgarter Landtags.

Rist wurde als Luise Stefanie Rosine Freyler 1877 in Rottweil geboren. Ihr Vater arbeitete als Feuerwerker bzw. Techniker in der Pulverfabrik von Max Duttenhofer (1843-1903). Noch in ihrem Geburtsjahr übersiedelte die Familie nach Düneberg bei Hamburg, wo ihr Vater am Aufbau einer Zweigfabrik Duttenhofers beteiligt war. Zehn Jahre später kehrte die Familie nach Rottweil zurück. Hier besuchte Rist die höhere Töchterschule, um anschließend auf das Institut der Englischen Fräulein nach Lindau zu wechseln.

Bereits mit zwanzig Jahren heiratete sie den Zeichenlehrer Josef Rist (1865-1932), der später zum Professor an der Akademie der Bildenden Künste aufstieg. Die Ehe war überaus glücklich. Auch nach dem Tod ihres Gatten pflegte Luise Rist die Beziehung zu ihm im Geiste weiter, indem sie ihn zum Gesprächspartner ihrer Tagebucheinträge machte.

Das gesellschaftliche und politische Engagement Rists setzte 1917 ein: Schon im Jahr 1903 war in Köln der Katholische Frauenbund – ab 1921: Katholischer Deutscher Frauenbund (KDFB) – gegründet worden. Zunächst hatte sich der Rottenburger Bischof Paul Wilhelm Keppler (1851-1926) gegenüber dem Bund zurückhaltend verhalten. Auf Drängen des Münchner Erzbischofs Michael von Faulhaber (1869-1952) kam es jedoch 1917 auch in Stuttgart zur Gründung eines Zweigvereins des Katholischen Frauenbundes, dessen Leitung zunächst Elisabeth Baronin von Linden (1864-1936) übernahm. Knapp anderthalb Jahre später wurde auch ein württembergischer Landesausschuss gegründet, an dessen Spitze wie auch an die Spitze des Stuttgarter Zweigvereins Rist bald trat.

Nach einem recht guten Beginn geriet der KDFB in Württemberg in eine Krise. Insbesondere während der Inflation und aufgrund der daraus resultierenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten gingen die Mitgliederzahlen zurück. Jedoch wurde der Verband 1926 reorganisiert: Jetzt verfügte er über knapp 100 Zweigvereine, deren Zahl sich bis 1932 auf 150 erhöhte. In diesen waren ca. 24.000 Mitglieder organisiert.

Dabei gelang es Rist auch, den von ihr geführten Katholischen Deutschen Frauenbund gegenüber dem Bäuerlichen Katholischen Frauenbund zu behaupten – auch diese Organisation verfügte zeitweise über knapp 10.000 Mitglieder. Letztlich förderte Bischof Keppler vor allem den KDFB als eine Organisation, die alters- und schichtenübergreifend katholische Frauen integrieren wollte, wogegen der Bäuerliche Katholische Frauenbund in erster Linie eine Standesorganisation war, die sich für die beruflichen bzw. wirtschaftlichen Interessen von Bäuerinnen einsetzte.

Der KDFB in Württemberg verfügte unter der Leitung von Rist über drei Kommissionen: Eine Hausfrauen-, eine Landfrauen- und eine Jugendkommission. Diese veranstalteten Vorträge, weit mehr aber noch praktische Kurse zur Vermittlung von Kompetenzen in den Bereichen Hauswirtschaft, Gesundheitsfürsorge, Familienpflege und Sittlichkeit wie auch zu religiösen Themen. Konkret organisierte der KDFB in den Jahren unmittelbar nach dem Ersten Weltkrieg Koch- und Flickkurse. Hierbei ging es zumeist darum, zu zeigen, wie unter den Mangelverhältnissen der Nachkriegszeit Textilien hergestellt oder – trotz begrenzter Zutaten – ein einigermaßen nahrhaftes Essen zubereitet werden konnte. Zudem organisierte der Bund Erholungsreisen für Mütter, veranstaltete aber auch Lesezirkel, in denen über neu erschienene Literatur zu Frauenthemen debattiert wurde. Ein großer Erfolg des KDFB bestand darin, dass auf seine Initiative in Schwäbisch Gmünd ein Säuglingsheim und ein Erzieherinnenseminar errichtet wurde.

Nachdem Rist infolge Arbeitsüberlastung bereits 1926 den Vorsitz im Stuttgarter Zweigverein des KDFB aufgegeben hatte, übergab sie 1928 die Leitung des Diözesanverbandes an Maria Mayerhausen (1890-1945). Gleichwohl arbeitete sie weiterhin als Leiterin der Hausfrauenkommission im KDFB mit, genauso wie sie noch eine ganze Reihe weiterer Aufgaben in Institutionen des katholischen Milieus versah. So hatte sie beispielsweise sieben Jahre den Vorsitz im Kuratorium des St. Marienheims, eines Wohnheims für berufstätige katholische Frauen und Mädchen, inne. Auch redigierte sie die Frauenbeilage des Deutschen Volksblattes, des Hauptorgans der württembergischen Zentrumspartei, und hatte zudem 1926 an der Organisation des Deutschen Katholikentages in Stuttgart mitgewirkt.

Politisch engagierte sich Rist seit Beginn der Weimarer Republik in der Katholischen Zentrumspartei. Anfänglich verfügte die württembergische Zentrumspartei noch über keinen umfangreichen Parteiapparat. Dementsprechend nominierte sie vor allem Spitzenvertreter aus dem katholischen Vereinswesen, darunter Mathilde Kühnert (1874-1957) als Repräsentantin der katholischen Arbeiterinnenvereine, Amalie von Soden (1869-1953) als Vertreterin der Elisabethenvereine und schließlich Rist als Vorsitzende des Katholischen Frauenbundes. 1919 wurde sie erstmals in die Württembergische Verfassunggebende Landesversammlung bzw. in den Landtag gewählt, im Gegensatz zu Kühnert und von Soden konnte sie ihr Mandat während der gesamten Weimarer Zeit verteidigen. Dabei gelang es ihr auch, sowohl in den Fraktionsvorstand wie auch in den Vorstand der Zentrumspartei auf Reichs- und auf Landesebene gewählt zu werden. Ihre Partei entsandte sie zudem in den wichtigen Finanzausschuss des württembergischen Landtags, gleichzeitig leitete sie 1928 bis 1933 den Büchereiausschuss des Landtags.

Mit Nachdruck setzte sich Rist für die Gleichberechtigung von Frauen in politischer, wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht ein. Wenn auch Rist immer wieder die vollständige politische und gesellschaftliche Gleichheit von Männern und Frauen betonte, so war sie doch der Überzeugung, dass Männer und Frauen dem Wesen nach verschieden waren. Die Bestimmung der Frauen sah sie vor allem in Haushalt und Familie. Folgerichtig wünschte sie – im Gegensatz zu den Bestimmungen der Weimarer Reichsverfassung –, dass Beamtinnen nach ihrer Verheiratung aus dem Dienst ausschieden, allerdings sollten diese eine angemessene Abfindung erhalten, genauso wie der Beruf der Hausfrau als gleichwertig anerkannt werden sollte. Im Landtag setzte sich Rist außerdem für die sozialen Interessen wie auch für eine Verbesserung der Ausbildung von Frauen ein. So trat sie u.a. für weibliche Gewerbeschulen wie auch für die Belange des Hauswirtschaftlichen Seminars in Kirchheim u. T. ein, wünschte eine Unterstützung von hauswirtschaftlichen Kursen der Frauenvereinigungen oder die Förderung des hauswirtschaftlichen Unterrichts an Schulen. Auch fungierte sie als Berichterstatterin bei der Behandlung des Ausführungsgesetzes zum Reichsgesetz für Jugendwohlfahrt im Landtag. – Trotz ihres großen Engagements gelang es Rist jedoch nicht, innerhalb ihrer Partei eine starke Berücksichtigung von Frauen bei der Vergabe von Listenplätzen bei Wahlen durchzusetzen.

Als auf Druck der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 der Landtag neu zusammengesetzt wurde, musste Rist ihr Mandat aufgeben. In der Folgezeit lebte sie zurückgezogen in Stuttgart, 1944 wurde ihre Wohnung bei einem Luftangriff zerstört, woraufhin sie bei einer ihrer Schwestern in Rottweil unterkam. Als ehemalige Abgeordnete und aufgrund ihrer Nähe zur Familie Bolz – Maria Bolz, die Gattin des Staatspräsidenten Eugen Bolz gehörte ebenfalls zur Führungsriege des KDFB – wurde sie nach dem 20. Juli 1944 verhaftet. Allerdings wurde sie schon bald wegen ihres angeschlagenen Gesundheitszustands in die Psychiatrie Rottenmünster gebracht, aus der sie noch im gleichen Jahr wieder entlassen wurde.

Zurück in Stuttgart gehörte sie nach dem Ende der NS-Diktatur zu den Gründungsmitgliedern der Christlich-Sozialen Volkspartei, einer Vorgängerorganisation der späteren CDU in Nordwürttemberg. Aufgrund ihres fortgeschrittenen Alters verzichtete sie auf weitere Parlamentskandidaturen. Jedoch war sie weiterhin als Vorsitzende der Frauenorganisationen der nordwürttembergischen CDU engagiert. In dieser Funktion forderte sie junge Frauen zur politischen Mitarbeit auf, genauso wie sie von den jetzt verantwortlichen Politikern in ihrer Partei forderte, wie sie selbst tief vom christlichen Glauben durchdrungen zu sein und nach dessen Idealen zu handeln. Außerdem trat Rist nach dem Zweiten Weltkrieg nochmals für drei Jahre an die Spitze des KDFB. In diesen Jahren galt es, durch politische Bildung, aber auch durch religiöse Einkehr geistige Aufbauarbeit zu leisten.

1952 musste sich Rist einer Operation unterziehen, jedoch war es ihr noch vergönnt, im darauffolgenden Jahr das Bundesverdienstkreuz entgegenzunehmen. Bereits 1925 hatte sie den päpstlichen Orden Pro Ecclesia et Pontifice erhalten. Rist starb 1955 in der „Villa Augusta“, in der damals die Sießener Schwestern ein Seniorenheim betrieben. Sie ist auf dem Pragfriedhof beigesetzt.

Text: Michael Kitzing
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Quellenhinweise:

Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I Bü 26210 (Wiedergutmachungsakte Luise Rist).

Literaturhinweise:

Bericht der Vertreterinnen-Versammlung des württembergischen Landesauschusses des Katholischen Frauenbundes am 22. und 23. November 1926 in Stuttgart, Katholisches Gesellenhaus, Heusteigstraße 66, Stuttgart 1926.
„Grande Dame des Zentrums – Luise Rist“, in: Momente – Beiträge zur Landeskunde von Baden-Württemberg, Nr. 2, 2002, S. 26 ff.
August Hagen, Luise Rist, in: August Hagen, Gestalten aus dem schwäbischen Katholizismus. Bd. 4, Stuttgart 1963, S. 182-209.
Ina Hochreuther, Frauen im Parlament. Südwestdeutsche Parlamentarierinnen von 1919 bis heute, Stuttgart 32012, S. 87-88.
Joachim Köhler (Hg.), Katholiken in Stuttgart und ihre Geschichte, Ostfildern 1990.
Eva-Maria Lamparter, Luise Rist (1877-1955). Aus christlicher Verantwortung für die Gleichberechtigung, in: Frauen im deutschen Südwesten, hg. von Birgit Knorr/Rosemarie Wehling, Stuttgart 1993, S. 211-216.
Frank Raberg, Luise Stefanie Rosine Rist, in: Baden-Württembergische Biographien, Bd. 3, hg. im Auftrag der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg von Bernd Ottnad/Fred Ludwig Sepaintner, Stuttgart 2002, S. 306-308.
Frank Raberg, Biographisches Handbuch der württembergischen Landtagsabgeordneten 1815-1933, Stuttgart 2001, S. 729.
Cornelia Votteler, „Die Frau ist nicht nur zum Jasagen da“ – eine Kämpferin für die Gleichberechtigung: Luise Rist, in: Cornelia Votteler, Kämpferisch, kreativ, erfolgreich, großzügig, tragisch ... Rottweiler Frauengeschichte(n) – ein Streifzug, Rottweil 2019, S. 76-85.

GND-Identifier: 1012297411
Publiziert am: 29.11.2022
Empfohlene Zitierweise:
Michael Kitzing, Luise Rist (1877-1955), publiziert am 29.11.2022 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/fede82d6-4a2e-4747-9094-621ed944c9ba/Luise_Rist_%281877-1955%29.html