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Der König empfing sie, durchreisende Dichter besuchten sie – während die Schriftstellerin, Journalistin und Übersetzerin Therese Huber, geb. Heyne, zwischen 1816 und 1823 in Stuttgart lebte, war sie dort die Grande Dame der literarischen Szene.

„Muss es in Deutschland sein – nun so sei es da!“ Therese Huber meinte damit Stuttgart, wo sie von 1798 bis 1803 an der Seite ihres zweiten Mannes gelebt hatte und wohin sie im Oktober 1816 als Witwe zurückkehrte. Von den Cannstatter Quellen, den Trauben und dem Klima versprach sie sich Besserung für die angeschlagene Gesundheit ihrer Tochter Luise, von dem Verleger Johann Friedrich Cotta „einen leichten Gewinn“ zur Sicherung ihres Lebensunterhalts. Sie blieb sieben Jahre und entwickelte Cottas Zeitschrift „Morgenblatt für gebildete Stände“ zu einer der bedeutendsten Zeitschriften Deutschlands.

Die gebildete Göttinger Professorentochter hatte zur Zeit ihres zweiten Stuttgart-Umzugs ein wechselvolles Leben hinter sich. Ihre erste Ehe mit dem Weltreisenden, Schriftsteller, Übersetzer und Revolutionär Johann Georg Forster hatte sie zuerst nach Wilna und dann nach Mainz geführt, wo sie sich nicht nur in eine außereheliche Beziehung verstrickte, sondern auch in die politischen Wirren der Französischen Revolution und der Koalitionskriege. Ihre Ehe scheiterte, sie geriet in den Ruf, Jakobinerin zu sein, setzte sich mit ihren beiden Töchtern in die Schweiz ab und heiratete nach dem Tod Forsters 1794 ihren Geliebten Ludwig Ferdinand Huber, der ein enger Freund Friedrich Schillers war und bis zu seinem Weggang in die Schweiz in diplomatischen Diensten gearbeitet hatte.

Um die schnell wachsende Familie zu ernähren – Therese Huber schenkte insgesamt zehn Kindern das Leben, von denen vier das Erwachsenenalter erreichten –, begann Ludwig Ferdinand Huber als Journalist und Übersetzer zu arbeiten. Seine Frau half ihm bei den Übersetzungen von französischen Romanen und verfasste unter seinem Namen eigene Belletristik. Daran änderte sich auch nichts, als Ludwig Ferdinand Huber 1798 von Johann Friedrich Cotta zum Redakteur der Zeitschrift „Neueste Weltkunde“, der späteren „Allgemeinen Zeitung“, zuerst nach Tübingen und wenige Monate später nach Stuttgart berufen wurde. Mit dem Wechsel nach Württemberg begann der gesellschaftliche (Wieder-)Aufstieg des Ehepaares. Unter Diplomaten und emigrierten Franzosen, im Kreis von angesehenen Stuttgarter Bürgern – darunter Johann Friedrich Cotta, Friedrich von Matthisson, Johann Christoph Friedrich Haug –, vor allem aber bei der Familie des Staatsrats August von Hartmann fanden die Hubers Geselligkeit, Freunde und Vertraute. Kaum einer wusste, dass die viel gelesenen Romane und Erzählungen Ludwig Ferdinand Hubers in Wirklichkeit aus der Feder seiner Frau stammten.

1803 hieß es erneut, die Koffer zu packen, die „Allgemeine Zeitung“ wurde der rigiden württembergischen Zensur wegen nach Ulm verlegt. Es sollte kein langer Aufenthalt werden. Ludwig Ferdinand Huber verstarb völlig überraschend am 24. Dezember 1804. Seine Witwe zog mit ihren beiden jüngsten Kindern zu ihrer zweitältesten Tochter Claire und deren Mann in das kleine Dorf Stoffenried und später nach Günzburg. Ihre eigenen Werke gab sie nun als L. F. Hubers nachgelassene Werke heraus, 1807 begann sie für Cottas neu gegründetes „Morgenblatt für gebildete Stände“ zu schreiben. Ab 1810 lüftete sie allmählich ihr literarisches Inkognito. Dann kam 1816 der erneute Umzug in die württembergische Residenzstadt. Cotta trug ihr die Redaktion des „Kunstblatts“ an, einer Beilage zu seinem »Morgenblatt«, und ab Januar 1817 die Mitredaktion der täglich erscheinenden Kulturzeitschrift selbst. Ihr Name wurde dabei nicht genannt, sickerte aber mit der Zeit durch.

Therese Huber war damit die erste Frau in Deutschland, die eine derartige Stelle einnahm, ja, die erste deutsche Berufsjournalistin. Das Engagement, mit dem sie zu Werk ging, zeigt, wie sehr sie sich mit dieser Arbeit identifizierte, auch wenn sie immer wieder betonte, dass sie das alles nur mache, um ihrem Sohn das Studium zu ermöglichen. Binnen weniger Monate nahm sie dem Mitredakteur Friedrich Haug das Heft im wahrsten Sinn des Wortes aus der Hand und wurde zur alleinigen Redakteurin. Der erhoffte „leichte Gewinn“ war es jedoch nicht, Gegenspieler gab es genug, und diese hoben vor allem auf die Tatsache ab, dass sie eine Frau vor sich hatten. Auch Cotta war kein einfacher Mensch. Das »Morgenblatt« war sein Lieblingsprojekt und entsprechend straff versuchte er, die Redakteure am Zügel zu halten. Sieben Jahre lang saß Therese Huber die Launenhaftigkeit und Widersprüchlichkeit des Verlegers aus und hielt es von allen „Morgenblatt“-Redakteuren am längsten mit ihm aus. Ihr jahrelanger Kampf um das „Morgenblatt“ und ihr Engagement lohnten sich. Sie löste die Zeitung endgültig aus der schwäbischen Provinzialität, der sie seit der Gründung im Jahr 1807 verhaftet gewesen war. Unter Therese Hubers Ägide stieg die Auflagenzahl erheblich, das Blatt wurde zu einem deutschlandweit beliebten und angesehenen Medium. Als Cotta jedoch 1823 eine Schnellpresse in Augsburg installierte, verlor die verdiente Redakteurin ihre Stelle. Es hatte danach ausgesehen, als würde Cotta die „Morgenblatt“-Redaktion mitverlegen, Therese Huber, deren Tochter Claire inzwischen mit ihrer Familie dort lebte, zog sofort um, die Zeitschrift aber verblieb an Ort und Stelle.

In Stuttgart, wo sie unter anderem in der Alten Poststraße 4 wohnte, erlebte Therese Huber ihre produktivste Phase als Schriftstellerin und Journalistin. Hier konnte sie ernten, was sie gesät hatte und sich als beliebte Femme de lettres eine herausragende Stellung innerhalb der Oberschicht erobern. Als Königin Katharina von Württemberg 1818 mit dem Katharinenstift die erste Höhere Töchterschule des Landes gründete, wurde Therese Huber um ein Exposé gebeten, und später wollte sogar der König sie kennenlernen. Als Frau mit außergewöhnlichem Schicksal, erfolgreiche Schriftstellerin und bedeutende Publizistin war Therese Huber in Stuttgart eine Institution. Die württembergische Hauptstadt, Sitz so bedeutender Verlage wie Cotta und Metzler und Wohnort zahlreicher Literaten, war Ziel vieler Prominenter aus Literaturkreisen, die häufig mit Therese Huber korrespondierten und sie bei Gelegenheit auch besuchten. Auf ihrer Gästeliste standen zum Beispiel Wilhelm von Humboldts Frau Karoline und die Grande Dame der Berliner Salons Henriette Herz, der preußische Diplomat und Schriftsteller Karl August Varnhagen von Ense, Justinus Kerner, Jean Paul und Ludwig Börne.

So intensiv wie nie setzte sich Therese Huber in jenen Jahren mit ihrer Umgebung und dem Land auseinander, in dem sie nun lebte. Farbig und bissig entfaltete sie in ihren Briefen das Bild der Stuttgarter Gesellschaft und zeigte sich einmal mehr als scharfsinnige Kritikerin. Man bat sie zu sich und besuchte sie, sie hatte sich aus eigener Kraft und Persönlichkeit eine herausragende Stellung „erarbeitet“. Justinus Kerner schrieb bei ihrem Wegzug: „Dass Madame Huber von Stuttgart geht, ist mir auch sehr ärgerlich.“

Der Umzug, der Verlust der alten Freunde, das Ende der Redaktionstätigkeit und familiäre Probleme griffen ihre Gesundheit mehr und mehr an. Sie vermisste Stuttgart und die Anerkennung, die sie dort genossen hatte. Am 15. Juni 1829 starb Therese Huber im Alter von 65 Jahren in der ungeliebten Lechstadt. Ihr Werk umfasste zahlreiche, teilweise mehrbändige Romane, Erzählungen, Reisebeschreibungen, die Biographien von Huber und Forster, Übersetzungen und ungezählte Artikel im „Morgenblatt“. Vieles davon war während ihrer beiden Stuttgart-Aufenthalte entstanden.

Text: Andrea Hahn
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Bernhard Fischer, Cottas „Morgenblatt für gebildete Stände“ in der Zeit von 1807 bis 1823 und die Mitarbeit Therese Hubers. [Anhang:] Johann Friedrich Cotta und Therese Huber: Briefwechsel [1827-1828] zur Abrechnung der Jahre 1824 und 1825, in: Archiv für Geschichte des Buchwesens 43 (1995), S. 203-239.
Andrea Hahn, Therese Huber: „Die reinste Freiheitsliebe, die reinste Männerliebe“. Ein Lebensbild in Briefen und Erzählungen, Berlin 1989.
Andrea Hahn, Morgenröte der Freiheit. Zum 250. Geburtstag von Therese Huber. in: Stuttgarter Zeitung 104 (7. Mai 2014), S. 24.
Andrea Hahn/Bernhard Fischer (Bearb.), „Alles … von mir!“ Therese Huber (1764-1829). Schriftstellerin und Redakteurin, Marbach a.N. 1993.
Mascha Riepl-Schmidt, Therese Huber (1764-1829) – „Ich will Weisheit tauschen gegen Glück“. Ein Leben als Bildungsroman, Frankfurt am Main u.a. 2016.
Mascha Riepl-Schmidt, Ideen zu einem Töchterinstitut 1817/18. Das Konzept der „Pädagogin“ Therese Huber als mögliches Programm im Vorfeld der Gründung des späteren Stuttgarter Königin Katharina Stifts, in: Schwäbische Heimat 67 (2016), H. 3, S. 295-302.

GND-Identifier: 118883712
Publiziert am: 08.01.2019
Empfohlene Zitierweise:
Andrea Hahn, Therese Huber (1764-1829), publiziert am 08.01.2019 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/fec29acd-9840-4221-aeb9-283bbb306e4c/Therese_Huber_%281764-1829%29.html