Claus und Berthold Schenk Graf von Stauffenberg ist am Wohnort ihrer Kindheit eine Gedenkstätte gewidmet. Die Brüder Stauffenberg waren zentrale Persönlichkeiten des Widerstands gegen den Nationalsozialismus. Claus plante und verübte das Attentat auf Adolf Hitler am 20. Juli 1944.

Die Erinnerungsstätte für Claus (1907-1944) und Berthold (1905-1944) Schenk Graf von Stauffenberg im Alten Schloss im Zentrum Stuttgarts sucht bundesweit seinesgleichen. Konzipiert vom Haus der Geschichte Baden-Württemberg im Auftrag der Landesstiftung Baden-Württemberg wurde die Gedenkstätte am 15. November 2006, dem 99. Geburtstag Stauffenbergs, durch den damaligen Ministerpräsidenten Günther Oettinger, eröffnet. Sie beinhaltet die bislang einzige Ausstellung in Deutschland, die ausschließlich an die beiden Stauffenbergs und ihren Beitrag zum Widerstand in der NS-Zeit erinnert.

Zu Stuttgart hatten Claus und Berthold sowie ihr Bruder Alexander eine besondere Beziehung. Die Zwillinge Berthold und Alexander wurden 1905 in der württembergischen Hauptstadt geboren, Claus zwei Jahre später in Jettingen in Bayerisch-Schwaben, wo sich einer der Familiensitze des Adelsgeschlechts befand. In Stuttgart besuchten alle Brüder das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium, das ihnen einen besonderen Sinn für die klassische Antike und die Künste vermittelte. So spielte beispielsweise jeder von ihnen mindestens ein Instrument. Während der Schulzeit wohnten die Stauffenbergs an dem Ort, der heute die Erinnerungsstätte beherbergt. Vater Alfred hatte als Oberhofmarschall und Major des württembergischen Königs Wilhelm II. im Alten Schloss eine Dienstwohnung. Die Familie Stauffenberg war national, königstreu, aber zugleich liberal und weltoffen geprägt. Die Niederlage Deutschlands im Ersten Weltkrieg und das Ende der Monarchien erschütterte sie zutiefst. Claus soll deswegen sogar in Tränen ausgebrochen sein. Waren sich Vater und Söhne auch einig in der Skepsis gegenüber der neuen Republik, so änderte dies nichts daran, dass Claus, Berthold und Alexander übereinstimmend ihr Zukunftsideal darin sahen, ihrem Land so zu dienen, wie es in der Tradition ihrer Familie lag.

In Stuttgart fanden die Stauffenberg-Brüder Zugang zum engeren Kreis um den Dichter Stefan George, der vor und nach dem Ersten Weltkrieg einen bedeutenden intellektuellen Einfluss auf die akademisch gebildete und meist idealistisch eingestellte Jugend in Deutschland ausübte. Für sie sollte sich George als der dritte prägende Einfluss neben christlich-humanistischer Bildung und Familientradition erweisen. Seine Idee vom „geheimen Deutschland“ als exklusivem Zirkel eines „Adel des Geistes“, der ausersehen sei, Deutschland zu lenken und auf Europa auszustrahlen, begeisterte sie. Wegen seiner Aufgeschlossenheit gegenüber völkischem Gedankengut in seinen späten Jahren und damit vermeintlicher Nähe zum Nationalsozialismus ist George später scharf kritisiert worden. Die Stauffenberg-Brüder – Berthold wurde von George sogar als Treuhänder von dessen Nachlass ausgewählt – wurden jedenfalls nicht zu Nationalsozialisten, auch wenn sie manche Ideen, wie zum Beispiel die der Volksgemeinschaft, durchaus befürworteten. Vor allem den radikalen Antisemitismus lehnten sie mit Entschiedenheit ab. Einen eindrucksvollen Beleg dafür gab ein jüdischer Schulfreund von Claus, der nach 1945 in seinen Erinnerungen niederlegte, mit welcher Toleranz und Selbstverständlichkeit er im Haus Stauffenberg aufgenommen wurde.

Nach dem Abitur 1926 schlug Claus den Berufsweg als Offizier ein, für den er sich bereits seit seiner frühen Jugend interessiert hatte – eine Herausforderung angesichts seiner schwachen Gesundheit. Abgesehen davon, dass er diesen Weg als persönliche Verpflichtung betrachtete, bestärkte ihn in seinem Berufsziel sein früh erwiesenes militärisches Talent und seine Fähigkeit zu führen. 1933, inzwischen zum Oberleutnant aufgestiegen, ging Claus die Ehe mit Nina Freiin von Lerchenfeld ein.

In der Folgezeit zeigte sich der junge Karriereoffizier von Hitler überzeugt. Bei Beginn des Zweiten Weltkriegs imponierten ihm die schnellen militärischen Erfolge gegen Polen 1939 und im Westen 1940. In seinen Augen wurden durch diese Siege auch die nationale Kränkung durch die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg und den Friedensvertrag von Versailles wieder ausgeglichen. An beiden Feldzügen nahm er aktiv teil, bevor er 1940 ins Oberkommando des Heeres (OKH) versetzt wurde.

1943 änderte sich Stauffenbergs Meinung zum NS-Regime jedoch radikal. Vor allem der gegen alle Regeln des Völkerrechts verstoßende Vernichtungskrieg gegen die Sowjetunion und der systematische Völkermord an den europäischen Juden, von dem er nun Kenntnis erhielt, ließen ihn zu einem entschiedenen Gegner Hitlers werden. Während eines längeren Genesungsurlaubs nach einer schweren Verwundung, die er in Nordafrika erlitten hatte, entschloss sich Stauffenberg schließlich zum aktiven Widerstand, zu dem sein Bruder Berthold – mittlerweile völkerrechtlicher Berater beim Oberkommando der Marine (OKM) – schon länger Kontakt hatte. Von ihm sowie von dem späteren Generalmajor Henning von Tresckow (1901-1944), dem damaligen Stabschef der 2. Armee der Heeresgruppe Mitte, wurde er nun in die oppositionellen Kreise eingeführt, zu deren Motor er bald werden sollte. Gemeinsam mit seinem Bruder und Tresckow arbeitete er unter dem Decknamen „Operation Walküre“ einen Umsturzplan aus. Gelegenheit dazu gab ihm seine neue Funktion als Stabschef des Ersatzheeres. Seine Verwundung hatten ihn für eine Frontverwendung untauglich gemacht. Stauffenberg hatte die rechte Hand verloren und besaß an der linken nur noch drei Finger sowie auch nur noch ein Auge.

Offiziell deklarierten die Verschwörer die „Operation Walküre“ als Gegenmaßnahme für den Fall eines Aufstandes der Millionen Fremd- und Zwangsarbeiter in Deutschland. Als Stabschef und Stellvertreter des Oberbefehlshabers des Ersatzheeres, Generaloberst Friedrich Fromm (1888-1945), bekam Stauffenberg Zugang zu Hitlers Lagebesprechungen, was für die Einschleusung eines Attentäters nur günstig sein konnte. Denn der Tod Hitlers wurde als unbedingte Voraussetzung für das Gelingen des Putsches angesehen, um die Wehrmacht von ihrem Eid auf den „Führer“ zu entbinden. In innenpolitischer Hinsicht gelang es den militärischen Verschwörern, enge Verbindungen zu zivilen Widerstandsgruppen zu knüpfen. Ihr Ziel war, Deutschland nach dem Sturz des NS-Regimes auf ein möglichst breites politisches Bündnis zu stellen, das von den christlichen Kreisen bis zu den Kommunisten reichte.

Schließlich kristallisierte sich für die Verschwörer der 20. Juli 1944 als Entscheidungstag heraus. Stauffenberg sollte an diesem Tag in Vertretung von Fromm bei der täglichen Lagebesprechung im Führerhauptquartier im Beisein Hitlers einen Vortrag halten. Er konnte also in die unmittelbare Nähe des Diktators gelangen und dort eine Bombe platzieren. Diese vermeintlich günstige Konstellation entwickelte sich zu der größten Schwäche des Plans: Stauffenberg musste das Attentat in Hitlers Hauptquartier „Wolfschanze“ nahe der Stadt Rastenburg in Ostpreußen verüben und gleichzeitig den Putsch in Berlin koordinieren. Auf der anderen Seite drängte die Zeit. Am 6. Juni 1944 waren die westlichen Alliierten in der Normandie gelandet und hatten damit die zweite Front gegen Deutschland eröffnet, im Osten hatten parallel dazu die Sowjets ihre Offensive gegen die Heeresgruppe Mitte eingeleitet.

Stauffenberg gelang es, die für Hitler bestimmte Bombe in der Lagebaracke abzustellen und das Gebäude zu verlassen. Einer der Anwesenden verschob jedoch die Aktentasche mit dem Sprengkörper in eine andere Ecke unter dem gewaltigen Tisch im Lageraum, die weit von Hitler entfernt war. Die Explosion traf deshalb den Diktator nicht mit voller Kraft. Zwar gelang es Stauffenberg, Ostpreußen mit dem Flugzeug zu verlassen, bei seiner Ankunft in Berlin musste er jedoch feststellen, dass seine Mitverschwörer noch auf eine verifizierte Nachricht vom Tod Hitlers warteten. Zudem war es nicht gelungen, das Führerhauptquartier nachrichtentechnisch von der Außenwelt zu isolieren. Hinzu kam, dass Stauffenberg durch seine übereilte Abreise bereits einen Verdacht auf sich gelenkt hatte und seine Befehle, in denen von einem Putschversuch der SS die Rede war, sehr bald Misstrauen erregten.

Auch ein organisatorisches Manko wirkte sich fatal aus: Die „Walküre“-Befehle durften nur von Generaloberst Fromm unterzeichnet werden. Dieser sympathisierte zwar insgeheim mit dem Widerstand, traute sich aber nicht, sich offen auf dessen Seite zu stellen. Um seine undurchsichtige Rolle beim Putschversuch zu vertuschen, ließ er am Abend des 20. Juli, nachdem der Aufstand zusammengebrochen war, Stauffenberg und seine engsten Mitverschwörer auf eigene Verantwortung hinrichten. Der anschließenden Rache des Regimes fielen mehrere Hundert Menschen zum Opfer. Die Familien der Verschwörer wurden in Sippenhaft genommen und in Haftanstalten sowie Konzentrationslager verschleppt.

Über die Beweggründe der an der Verschwörung Beteiligten ist viel geforscht, aber auch viel gemutmaßt worden. Am beeindruckendsten dürften die Motive der Brüder Stauffenberg und die Tresckows sein. Ob der Putsch gelinge, so Tresckow, sei zweitrangig, es komme vielmehr darauf an, der Welt zu zeigen, dass die deutsche Widerstandsbewegung den entscheidenden Wurf gewagt habe. Die Stauffenbergs hinterließen ein eigenes politisches Vermächtnis, das die Uneigennützigkeit und Lauterkeit des Anschlags und das ernsthafte und selbstlose Streben nach einer „Neuen Ordnung“ in Deutschland dokumentiert – eine Formulierung, in der ihr geistiger Ziehvater Stefan George noch einmal sichtbar wird.


Text: Peter Poguntke
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Wolfgang Benz, Der deutsche Widerstand gegen Hitler, München 2014
Joachim Fest, Staatsstreich. Der lange Weg zum 20. Juli, Berlin 1994.
Peter Hoffmann, Claus Schenk Graf von Stauffenberg. Die Biografie, München 2017.
Thomas Karlauf, Stauffenberg. Porträt eines Attentäters, München 2019.
Peter Steinbach/Johannes Tuchel (Hg.), Widerstand in Deutschland 1933-1945, München 2014.
Gerd R. Ueberschär, Stauffenberg. Der 20. Juli 1944, Frankfurt/Main 1994.
Wolfgang Graf Vitzthum, Kein Stauffenberg ohne Stefan George, in: Otto Depenheuer/Markus Heintzen/Matthias Jestaedt/Peter Axer, Staat im Wort. Festschrift für Josef Isensee, Heidelberg 2007.
www.stauffenberg-museum.de

GND-Identifier: 118642537
Publiziert am: 22.10.2020
Empfohlene Zitierweise:
Peter Poguntke, Stauffenberg-Erinnerungsstätte, publiziert am 22.10.2020 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/f876b5ed-6073-419c-acbf-c2b83888aae7/Stauffenberg-Erinnerungsstaette.html