Der Theaterhaus Stuttgart e.V. hat sich mit seinem eigenen Schauspiel- und Tanzensemble, mit attraktiven Programmangeboten in vielen Bereichen der Musik, des Tanztheaters, mit Kabarett und literarischen und politischen Performance- und Diskussionsangeboten zum überregionalen Magnet für ein breitgefächertes Publikumsinteresse entwickelt.

1983 entwarfen Werner Schretzmeier, Peter Grohmann und Gudrun Schretzmeier die Konzeption eines neuen zeitgemäßen Kulturzentrums, das von den drei Gründern Theaterhaus genannt wurde. In Zusammenarbeit mit einem Notarbüro entstand in einem kleinen Kreis von Mitstreitern die Satzung eines Trägervereins; sie wurde am 6. Juni 1984 von acht Unterzeichnenden notariell legitimiert: Ekke Ensslen, Peter Grohmann, Monika Kupke, Maja (Mascha) Riepl-Schmidt, Johannes Rauschenberger, Gudrun Schretzmeier, Werner Schretzmeier und Renate Volk.

Dank der stetigen Federführung der Initiatoren und Ideengeber Werner und Gudrun Schretzmeier sowie Peter Grohmann wurden die leerstehenden Hallen der ehemaligen Glasdachfabrik Julius Lorenz in Stuttgart-Wangen das Zuhause des Theaterhauses Stuttgart; sie wurden teilweise in Eigenarbeit der Mitglieder zu einer außergewöhnlich bunten Kulturfabrik umgewandelt.

Mit jeweils 800.000 D-Mark an privaten wie städtischen Mitteln gelang der Programmstart in vorerst zwei Veranstaltungsräumen: Am 29. März 1985 präsentierte das Haus mit einer Eröffnungsgala und der Devise „BombenStimmung“ sein Kulturprogramm: Mit zehn Scheinwerfern, mit sechs festen Mitarbeitenden und rund 30 Ehrenamtlichen. Vom Trägerverein und dem damals noch rund achtköpfigen Team – heute sind es zusammen mit den sechs Schauspielern des Internationalen Schauspielensembles und den 16 Tänzern des Tanzensembles Gauthier Dance/Dance Companie Theaterhaus Stuttgart rund 110 Mitarbeiter*innen – ist seitdem ein Haus und ein Ort geschaffen worden, in dem mit Witz, ausgesuchten Qualitätsansprüchen und Engagement, aber auch mit äußerst knappen Ressourcen für eine politisch wache Zivilgesellschaft durch alle gesellschaftlichen und politischen Turbulenzen hindurch kreativ gehandelt wurde und wird.

Mit dem jährlich veranstalteten, fünftägigen Internationalen Jazzfestival, das vom ersten Jahr an jeweils an Ostern stattfindet, gehört das Theaterhaus außerdem zu den wichtigsten Jazzorten in Europa. Zudem hat der brasilianische Tänzer Ismael Ivo von 1986 bis 2004 das Theaterhaus und die Stadt Stuttgart auf der Weltkarte des zeitgenössischen Tanzes mit Projekten und Produktionen verortet, die weltweit unterwegs waren. Eric Gauthier führt diese internationale Erfolgsgeschichte seit 2007 weiter fort.

Im Bereich Theaterpädagogik werden in der Arbeit mit Schülerinnen und Schülern verschiedenster Schulformen Jugendliche dazu befähigt, sich in Schauspiel und Tanz auszudrücken und sich vor Publikum zu präsentieren.

Vergessen werden soll auch nicht, dass nach der Eröffnung insgesamt drei Frauenfestivals in den Jahren 1986, 1987 und 1989 von einer siebenköpfigen Theaterhausfrauengruppe mit den im Haus angebotenen Kunstsparten organisiert worden sind. Themen waren unter anderem: „Gewalt gegen Frauen“ und „Kunst und Karriere“. In der Kulturlandschaft Stuttgarts waren diese Frauenfestivals der Beginn weiterer Versuche in der Stadt, Kunst, Politik und Frauen zu verorten.

Die wachsenden Zuschauerzahlen, das erweiterte Angebot an Veranstaltungen und die ungenügende Lärmisolierung der drei Veranstaltungssäle erschwerten zusehends den Theaterbetrieb in Stuttgart-Wangen. Sie machten 2003 den Umzug in die Rheinstahlhalle auf den Pragsattel notwendig. Das denkmalgeschützte Gebäude dieser alten Fabrikhalle, das sich hufeisenförmig an einen moderneren ehemaligen Firmenverwaltungstrakt anschließt, wurde vom Architektenbüro plus+ bauplanung GmbH Peter Hübner zu einem Komplex mit vier Veranstaltungshallen, einer Sporthalle und zusätzlichen vermietbaren Räumen mit einer Gesamtkapazität von 1.900 Sitzplätzen umgebaut.

Die 3.000 Quadratmeter große Grundfläche, die bis Mitte der neunziger Jahre des letzten Jahrhunderts der Firma Thyssen als Auslieferungslager für Bleche und Baustahl diente und ab 1994 als Standfläche für ein Container-Dorf für Asylbewerber vom Stuttgarter Sozialamt genutzt worden war, konnte durch den Umbau in drei Etagen auf eine Nutzfläche von 12.200 Quadratmeter erhöht werden. Ein geplanter Erweiterungsbau für das inzwischen wieder mit Platznöten kämpfende Theaterhaus auf dem bisherigen Parkplatz ist vom Gemeinderat der Stadt Stuttgart genehmigt worden und soll bis 2025 dort entstehen.

Heute befinden sich im Hauptgebäude neben den vier Veranstaltungshallen außerdem Proberäume, Werkstätten für Technik und Ausstattung, Büroräume, ein zweistöckiges Foyer, eine Sporthalle für künstlerische Programme und Sportangebote im Parterre, außerdem ein Gastronomiebetrieb, der das Foyer, ein Restaurant im früheren Verwaltungstrakt und während der warmen Jahreszeiten einen bepflanzten Biergarten als Pächter bewirtschaftet.

Der gemeinnützige Theaterhausverein wird durch rund 400 Mitglieder (Stand 2020) getragen. Die Mitgliederversammlung wählt den Beirat – er setzt sich aus Unterstützer*innen und Vertreter*innen des Gemeinderats Stuttgart und des Landes Baden-Württemberg zusammen – und den siebenköpfigen ehrenamtlich arbeitenden und haftenden Vorstand, der wiederum die Geschäftsführung bestellt. Der Vorstand kann ebenfalls Beiratsmitglieder berufen. Zur Unterstützung des Trägervereins wurde der Förderverein Theaterhaus Stuttgart e.V. ins Leben gerufen, dessen satzungsmäßiger Zweck die umfassende Förderung von Bildung und Erziehung, Kunst und Kultur auf dem Pragsattel ist. Eine Änderung der bisherigen Vereinsstrukturen ist geplant.

Das Areal der Rheinstahlhalle wird durch die Stiftung Theaterhaus Stuttgart unterhalten, die das Grundstück samt den Gebäuden in einem langfristigen, eigentümerähnlichen Verhältnis von der Stadt Stuttgart mietet. Die beim Umbau entworfene räumliche Auskragung des Gebäudes wurde dem Verein Musik der Jahrhunderte e.V. als Spiel- und Verwaltungsfläche zur Verfügung gestellt. Neben dem Theaterhaus Stuttgart sind außerdem die Arbeitsgemeinschaft Jugendfreizeitstätten AGJF sowie der Landesjugendring Baden-Württemberg im Areal untergebracht. Diese drei Organisationen sind im Vorstand der Stiftung Theaterhaus, im Stiftungsrat und im Kuratorium der Stiftung vertreten.

Seit seiner Gründung ist das Haus auf eine hohe Eigenfinanzierungsquote angewiesen. Zurzeit stellen die Eigeneinnahmen des Hauses rund 65 Prozent des Etats. Die öffentliche Förderung wird vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Stuttgart im Verhältnis eins zu zwei erbracht und beträgt momentan etwa 35 Prozent des Jahresetats, mit der Aufgabe, die nur niederschwellig mögliche, unzureichende Finanzierung der Beschäftigten des Hauses zu garantieren.

Der Jahresetat lag 2018 bei 10,9 Millionen Euro. Im Vergleich ist das Theaterhaus Stuttgart damit eines der größten kulturellen Zentren seiner Art in Europa und mit seinem täglichen Programmangebot „ein Novum in der europäischen Kulturlandschaft“, so eine im Jahr 2007 erstellte Studie über europäische Kulturzentren.

Nach dem Wegfall eines Sponsors sowie wegen jahreszeitlich bedingter geringer Einnahmen aufgrund eines heißen Sommers drohte dem Theaterhaus Anfang März 2019 die Insolvenz. Nach schwierigen Debatten soll der städtische Zuschuss für den Verein 2,42 Millionen Euro betragen. Der Landeszuschuss beliefe sich dann auf 1,21 Millionen Euro.

Neben den Fördermitteln von Stadt und Land, die das finanzielle Gerüst bilden und die Bezahlung der Mitarbeiter des Hauses bislang knapp sicherte, bleiben der kulturelle Anspruch und die daran gekoppelte künstlerische Qualität des Hauses ein fortwährender Balanceakt zwischen deren gewünschter zufriedenstellender Umsetzung und den finanziellen Ressourcen.

Fazit: Trotz aller strukturell bedingter Geldsorgen und vieler glücklicherweise nicht immer vergeblichen Eingaben und Bemühungen um Unterstützung, kann das Theaterhaus nach 35 Jahren seines Bestehens mit den 300.000 Besuchern jährlich eine Erfolgsgeschichte vorweisen, die in der Kulturlandschaft der Stadt, der Region, innerhalb Deutschlands und Europas einen ungewöhnlich hohen Stellenwert hat.

Text: Mascha Riepl-Schmidt
Schlagwort: Stuttgart-Feuerbach
Quellenhinweise:

Archiv des Theaterhauses, Jürgen Fabritius, Das Theaterhaus Stuttgart, unveröffentlichtes Gutachten vom 9. Januar 1991.
Archiv des Theaterhauses, Eckard Schif/Volker Willier, Die Reise nach Prag, Chronologische Auflistung der Umzugsdaten und bürokratischen Voraussetzungen des Theaterhauses, Dezember 2001.
Archiv des Theaterhauses, Gutachten zur kultur- und kreativwirtschaftlichen Positionierung des Theaterhauses Stuttgart, Ludwigsburg 2009.

Literaturhinweise:

Annette Aulke/Alexander Flohé, Das Theaterhaus Stuttgart. Ein europäischer Vergleich, Stuttgart 2007.
Deutscher Bühnenverein (Hg.), Theaterstatistik 2007/2008, Köln 2008.
Peter Grohmann (Hg.), Jahrbuch Theaterhaus, Stuttgart 1987.
Peter Grohmann (Hg.), 10 Jahre Bombenstimmung, Ein Bilder-Lesebuch, Köln/Stuttgart/Dresden 1995.
Maria A. Kafiz, Das Theaterhaus – Ort mit Nachwirkung, in: a-tempo 226 (2018), S. 8-11. 
Werner Schretzmeier, Editorial im Programmheft Theaterhaus Stuttgart, März 2020, S. 3.
Thomas Knubben/Petra Schneidewind, Die vorbildliche Kultureinrichtung, in: KM. Kultur und Management im Dialog 40 (2010), S. 32-37.

Publiziert am: 15.04.2021
Empfohlene Zitierweise:
Mascha Riepl-Schmidt, Theaterhaus, publiziert am 15.04.2021 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/f77dd35a-ea88-42d4-9c96-c4514932c433/Theaterhaus.html