Die fortschreitende Industrialisierung und das damit einhergehende rasante Bevölkerungswachstum machten in Gaisburg, das seit 1901 zu Stuttgart gehört, eine größere Kirche notwendig. 1910 wurde ein Architektenwettbewerb ausgeschrieben, der folgende Anforderungen definierte: „Es empfiehlt sich […] eine sorgsame Ausbildung des Umrisses, der in schlichter einfacher Größe in die Ferne wirken sollte. Zu berücksichtigen ist auf der einen Seite die liebliche Landschaft mit ihren grünen Hügeln, welche wohl stets noch etwas Ländliches tragen wird, auf der anderen Seite der Übergang zur Großstadt mit ihren massigen Industrie- und Verkehrsanlagen.“ Aus dem Wettbewerb ging der Entwurf des Stuttgarter Architekten und Hochschullehrers Martin Elsaesser siegreich hervor. Auf einem steil zum Neckartal abfallenden Ausläufer der Filderebene errichtete er von 1911 bis 1913 gut sichtbar die neue Gaisburger Kirche. Ihrer hervorgehobenen Lage entsprechend wurde (und wird) sie vom Volksmund liebevoll die „Akropolis von Gaisburg“ genannt. Das alte Gaisburger Kirchlein, an der Ecke der damaligen Kirch- und Schloßstraße gelegen, konnte 1914 abgebrochen werden.
Die Kirche wurde in moderner Stahlbetonbauweise errichtet. Stilistisch ist das Gotteshaus eine Mischung aus neoklassizistischen und neobarocken Bauformen, wie die symmetrischen und geradezu klassischen Proportionen zeigen. Außerdem finden sich typische Jugendstilelemente in den Details, zum Beispiel in den Pflanzenranken nachempfundenen Gittern vor den Fenstern neben dem Haupteingang, in den Formen der Türen, den Innenverkleidungen, den Bänken, dem Gestühl, den originalen Messingleuchtern (außer dem Kronleuchter von 1949) und der monumentalen Malerei der Stuttgarter Künstlerin Käte Schaller-Härlin an der Altarwand.
Die Kirche besteht aus einer rechteckigen Vorhalle (Foyer), über der der quaderförmige Turm aufragt, sowie aus einem elliptischen Zentralbau, der von zwei schmalen Seitenschiffen mit gerader Außenwand flankiert wird. Die Kirche weist so insgesamt einen rechteckigen Grundriss auf, was im Inneren erst bei genauem Hinsehen deutlich wird: Beim Betreten des Kirchenraums dominieren die ovale Grundform des Mittelbaus mit der hohen Kuppel, die von 14 ionischen Säulen getragen wird, und der helle, lichte Raumeindruck. Die geschwungenen zweigeschossigen Emporen nehmen die ovalen Formen auf und verstärken den Eindruck noch. Mit der elliptischen Säulenanordnung und dem im Oval aufgehenden Altarbereich schuf Elsaesser einen Zentralraum und setzte so neue liturgische Reformideen um.
Der Eindruck der geschwungenen Leichtigkeit entsteht nicht nur durch die Formen des ovalen Zentralbaus und der runden Emporen, sondern auch durch Käte Schaller-Härlins Jugendstil-Wandbild im Altarraum. Dargestellt sind Szenen des Neuen und Alten Testaments von der Schöpfung bis Ostern, verteilt auf 17 dunkle, grün- bis türkisfarbene Bilder, die von floralen Mustern und den kalligraphischen Darstellungen der Zehn Gebote und des Vaterunsers umrahmt sind. Zu dem Rankenwerk gehören auch tierische Formen, kleine Krebse, Einzeller, Eiweißmoleküle und Versteinerungen.
In gewissem Gegensatz zu dieser Leichtigkeit stehen Altar, Kanzel und Taufstein, geschaffen aus Tuffstein von dem Stuttgarter Bildhauer Christian Scheufele. Die Altarplatte wird von den Figuren Josephs, Marias, Hannahs und Simeons getragen. Die im Foyer der Kirche aufgestellten hölzernen Figuren stammen von einem spätgotischen Altar, vermutlich aus einer Kirche in der Umgebung. Von den ursprünglich fünf großen Figuren sind vier noch vorhanden: Barbara (die Heilige der Bergleute, Glöckner und Architekten, der die alte Gaisburger Kapelle und spätere Kirche geweiht war), die Gottesmutter Maria mit dem Jesuskind, Odilie (die Heilige der Blinden) und vermutlich Jodokus (dargestellt als Pilger mit Buch, Wanderstock und Umhängetasche). Aus der Predella dieses Altars stammt außerdem die 1998 restaurierte Apostelgruppe, die Jesus als Weltenherrscher zeigt, der seine zwölf Jünger aussendet.
Die Orgel wurde 1913 von der Orgelbauwerkstatt Friedrich Weigle (Echterdingen) errichtet, mit elektropneumatischer Traktur. Die drei Teilwerke des Instruments verteilen sich einschließlich Pedalregister auf die drei Emporen (Hauptwerk, vorne rechts, Schwellwerk, vorne links, Echowerk bzw. Kronwerk, hinten auf der zweiten Empore). Dahinter steht die romantische Idee, dass die Zuhörer vom sie umgebenden Klang eingehüllt werden. In den Jahren 1976 bis 1989 wurde das Instrument in mehreren Phasen umgebaut, der grundtönig-voluminöse spätromantische Klang wurde verändert und mit hell bis scharf klingenden Registern ergänzt. Die Restaurierung des Instruments und die Herstellung des ursprünglichen Klangideals sind geplant, hierzu wurde das „Orgelrenovierungsprojekt Gaisburger Kirche“ gestartet.
Das Eingangsportal wird von drei Rundbögen überragt, über denen als Sitzfiguren Moses, König David und der Apostel Paulus zu sehen sind, ebenso von Scheufele gefertigt. Der wuchtige Turm wird durch die Kehlung seiner Ecken, das zurückgesetzte Glockengeschoss und den zeltartigen Dachhelm aufgelockert. Es ist ein Glücksfall, dass die Kirche trotz mehrerer Bombentreffer in den Jahren 1943 und 1944, welche den Kanzelbereich, den Gemeindesaal im Untergeschoss und die Sakristei in Mitleidenschaft zogen, in der Substanz relativ unbeschädigt blieb. Die Kriegsschäden konnten in mehreren Schritten bis 1963 beseitigt werden.
Der Besucher kann feststellen, dass es Elsaesser gelungen ist, seinen Anspruch einzulösen, eine dem Stadtbild entsprechende gedrungene und massige Gruppierung mit „einfacher, aber interessanter Silhouettierung“ zu schaffen, die der „Bedeutung des Platzes entsprechend würdig“ ist. Dank ihrer exponierten Lage, ihrer besonderen Gestaltung und ihrer Kunstschätze gehört die Gaisburger Kirche ohne Zweifel zu den schönsten Stuttgarter Sakralbauten.