Carl Engelhorn und sein Verlag J. Engelhorn bleiben bis heute mit den rot gebundenen Ausgaben der 1884 initiierten Reihe „Engelhorns Allgemeine Roman-Bibliothek“ verbunden. Neben seiner verlegerischen Tätigkeit wirkte Engelhorn in buchhändlerischen Vereinen und engagierte sich für seine Heimatstadt Stuttgart. 1901 stellte Engelhorn 80.000 Mark für den Bau der Volksbibliothek in der Silberburgstraße zur Verfügung.

Carl Engelhorn wurde am 1. März 1849 in Stuttgart geboren. Sein Vater war Johann Christoph, genannt Jean, Engelhorn aus Mannheim, der zunächst gemeinsam mit Emil Hochdanz eine Verlagshandlung und eine lithographische Anstalt führte. 1860 trat Jean Engelhorn aus der Firma aus und gründete einen eigenen Verlag. Die Mutter von Carl Engelhorn, Emma Engelhorn, war die Tochter des Stuttgarter Tuchhändlers Gottlieb Wilhelm Spring.

Carl Engelhorn wuchs mit seinen drei Geschwistern Emma, Ernst und Lina in einem Haus mit Garten in der Rotebühlstraße in Stuttgart auf. Nach dem Besuch des Gymnasiums trat er in das Polytechnikum ein, die spätere Technische Hochschule, um Natur- und Geisteswissenschaften zu studieren. Wie Engelhorn später in seinem Curriculum Vitae mitteilte, musste er 1867 das Studium abbrechen, da sein Vater durch eine Bürgschaft nur knapp dem Bankrott entgangen war. Das Wohnhaus in der Rotebühlstraße musste verkauft werden und auch das angemietete Geschäftshaus in der Reinsburgstraße konnte nicht mehr finanziert werden. Die Familie zog in ein kleineres Haus in der Böblinger Straße, in der auch der Verlag fortgeführt wurde. Hier begann Carl Engelhorn seine buchhändlerische Lehre im väterlichen Geschäft. Zwei Jahre später, im Herbst 1869, trat er als Einjährigfreiwilliger in das 2. Württembergische Jägerbataillon ein und nahm am deutsch-französischen Krieg 1870/71 teil, nach seinem Empfinden ein glorreicher Feldzug, in dem er zum Leutnant befördert wurde.

Nach dem Krieg setzte er seine Ausbildung als Volontär in der Sortimentsbuchhandlung F. Schneider & Co. in Berlin fort, die ihm Kontakte zu den bedeutenden Verlegern Julius Springer und Wilhelm Hertz, aber auch zu Schriftstellern wie Berthold Auerbach und Friedrich Spielhagen ermöglichte. Im Herbst 1872 kehrte er nach Stuttgart zurück. Der frühe Tod der Mutter und eine Erkrankung des Vaters zwangen ihn, den Verlag für ein Jahr zu übernehmen. Seine danach wieder aufgenommene Wanderschaft führte ihn nach New York in das Medienunternehmen E. Steiger. Der Gründer und Inhaber Ernst Steiger, der 1855 aus Sachsen in die Vereinigten Staaten ausgewandert war, unterhielt mit seiner Deutschen Zeitungs-Agentur, der Buch- und Verlagshandlung, Leihbibliothek und Buchdruckerei enge Beziehungen zum Kommissionsplatz Stuttgart. In New York vervollkommnete der junge Engelhorn nicht nur seine buchhändlerischen und sprachlichen Kenntnisse, vielmehr machte er sich auch mit dem amerikanischen Geschäftsleben vertraut. Nach einer abschließenden Rundreise durch Nordamerika kehrte er nach Stuttgart zurück und trat 1874 als Prokurist und Teilhaber in den väterlichen Verlag ein.

Jean Engelhorn eröffnete seinen Verlag mit der „Bibliothek der gesammten Handelswissenschaften“ und einigen naturwissenschaftlichen Titeln. Doch zwang ihn die schon erwähnte Bürgschaft 1867, die mittlerweile auf 61 Lieferungen angewachsene handelswissenschaftliche Reihe an Julius Maier in Stuttgart zu verkaufen, der damit seine Schriftgießerei um eine Verlagsbuchhandlung erweiterte. Im wohl ältesten erhaltenen Verlagsprospekt von 1861 hat J. Engelhorn weitere 15 Titel angezeigt. Darunter ragt ein Werk von Marie Susanne Kübler „Das Hauswesen nach seinem ganzen Umfang dargestellt“ heraus, das mit 17 Auflagen bis 1926 zu einem Long- und Bestseller avancieren sollte. Die 1863 von Jean Engelhorn gegründete Zeitschrift „Die Gewerbehalle“ mit ihren sechs fremdsprachigen Ausgaben erwies sich ebenfalls als ein außerordentlich erfolgreicher Verlagstitel.

Als Carl Engelhorn im September 1874 in den Verlag des Vaters eintrat, widmete man sich dort auch den damals so beliebten Prachtwerken, die aufwendig mit Holzschnitten illustriert, sorgfältig gedruckt und splendid gebunden waren. Insbesondere die Werke über Italien und die Schweiz konnten zu hohen Preisen verkauft werden. Bei der Gründung der „Bibliothek geographischer Handbücher“ 1882, herausgegeben von Friedrich Ratzel, dürfte Carl Engelhorn ebenfalls wesentlich mitgewirkt haben. Diese und andere geografische Veröffentlichungen trugen zu einem neuen, über Stuttgart hinaus wirkenden Zweig im Verlag bei.

Die neu gebildeten finanziellen Rücklagen ermöglichten Carl Engelhorn im Jahr 1884 einen während seines Amerika-Aufenthaltes entwickelten Plan umzusetzen: die Herausgabe der Reihe „Engelhorns Allgemeine Roman-Bibliothek“, die mit dem Roman „Der Hüttenbesitzer“ von Georges Ohnet eröffnet wurde. Schon der Untertitel der Reihe „Eine Auswahl der besten modernen Romane aller Völker“ verwies auf ein ehrgeiziges Programm. Engelhorn war nicht der erste Verleger in Deutschland, der mit einer preiswerten belletristischen Reihe einen größeren Leserkreis erschloss und damit auch in Konkurrenz zu den Leihbibliotheken trat. Eingeleitet wurde diese Entwicklung bereits im Jahr 1867, dem sogenannten Klassikerjahr, in dem das Urheberrecht an jenen Autoren erlosch, die vor 30 Jahren gestorben waren. Den Wettlauf gewann Anton Philipp Reclam in Leipzig, der mit Goethes „Faust“ die bis heute erfolgreiche Taschenbuchreihe der „Universal-Bibliothek“ auf den Markt brachte.

Schon in Stuttgart traf Engelhorn auf Konkurrenz. Bereits 1881 wurde die „Collection Spemann“ von Wilhelm Spemann initiiert, und ein Jahr später brachte der Verlag Cotta den ersten Band der „Cottaschen Bibliothek der Weltliteratur“ heraus. Die blauen Leinenbände von Spemann, die rein äußerlich kaum von den Cottaschen Bänden zu unterscheiden waren, umfassten etwa 250 Seiten und kosteten eine Mark. In Format und Druckausstattung glichen sich alle drei Unterhaltungsreihen, die bei den Gebrüdern Kröner in Stuttgart gedruckt wurden. Engelhorn unterbot den Preis. Für 75 Pfennige in rote Leinwand gebunden oder für nur 50 Pfennige broschiert konnte alle 14 Tage ein Band von 160 Seiten erworben werden. Der Kampf der „Rotröcke“ gegen die „Blauröcke“ entschied sich 1891, als Spemann seine belletristische Reihe aufgab.

In den ersten Jahrzehnten erschienen in „Engelhorns Allgemeine[r] Roman-Bibliothek“ viele fremdsprachige Autoren, darunter mehrere Werke von Alphonse Daudet, 1900 ein Doppelband des späteren Literaturnobelpreisträgers Rudyard Kipling in deutscher Erstausgabe und 1908 die erste deutsche Übersetzung der Erzählung „Im Taifun“ von Joseph Conrad. Zu den deutschen Autoren gehörte auch Friedrich Spielhagen, den er in Berlin kennengelernt hatte. Dem Ausbau seiner Romanreihe widmete Engelhorn seine ganze Kraft: Er war Redakteur, er prüfte die eingehenden Manuskripte und korrigierte die Übersetzungen. Allein bis 1910 wurden 15 Millionen Bände verkauft und bis zur Einstellung 1930 wuchs die Roman-Bibliothek auf 1042 Titel mit 20 Millionen verkauften Exemplaren an. 1931 wurde die Reihe an den Verlag Martin Maschler in Berlin verkauft, der sie jedoch nicht fortführte. Eine Wiederaufnahme der Reihe 1985 im Engelhorn Verlag war weniger erfolgreich und wurde 1996 aufgegeben.

Die qualitätvolle Ausstattung und die kluge Kalkulation der „Rotröcke“ dienten dem S. Fischer Verlag als Vorbild für die 1908 erschienene Reihe „Fischers Romanbibliothek“. Sowohl die Roman-Bibliothek als auch die ab dem gleichen Jahr von den Stuttgarter Architekten Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle herausgegebene „Architektonische Rundschau“, die sich zur führenden deutschen Bauzeitschrift entwickelte, trugen ohne Zweifel zu einer stabilen wirtschaftlichen Grundlage des Engelhorn‘schen Verlags bei.

Nachdem sich sein Vater aus dem Geschäftsleben zurückgezogen hatte, wurde Carl Engelhorn 1890 Alleininhaber des erfolgreichen Verlages. In den folgenden Jahren engagierte er sich für die Berufsbelange: von 1891 bis 1897 als Vorsteher im Süddeutschen Buchhändler-Verein, von 1897 bis 1901 als erster Vorsteher des Börsenvereins der Deutschen Buchhändler zu Leipzig und von 1904 bis 1909 als erster Vorsteher des Deutschen Verlegervereins. Während seiner Amtszeiten beteiligte er sich wesentlich an der Vorbereitung des neuen Urheber- und Verlagsrechtsgesetzes sowie Regelungen der Rabattfrage.

Neben seinem Interesse für den eigenen Berufsstand erwarb er sich große Verdienste beim Bau der Volksbibliothek in Stuttgart, den er mit 80.000 Mark und dem Überlassen des Grundstücks in der Silberburgstraße 191 unterstützte. Dieses Gebäude beherbergte später auch das Stadtarchiv. Unmittelbar daneben, in der Silberburgstraße 189, lag Engelhorns Wohn- und Geschäftshaus. Mit dem Umbau des 1892 erworbenen Rohbaus beauftragte er das Büro Eisenlohr & Weigle, das den beiden befreundeten Architekten Ludwig Eisenlohr und Carl Weigle gehörte. Die unteren Stockwerke beherbergten den Verlag: das Magazin, die Packräume, darüber die Räume für die Redaktion, das Comptoir und die Expedition. Die Privatwohnung der Engelhorns befand sich im Obergeschoss.

Für Aufsehen sorgte der auf dem Bibliotheksdach angelegte Garten, der über eine Steinbrücke eine Verbindung zum Wohnhaus herstellte und Engelhorns herzkranker Frau Julie (Tochter des Verlagsbuchhändlers Karl Göpel in Stuttgart) ein leicht zugängliches Refugium schaffen sollte.

Nach dem 50-jährigen Verlagsjubiläum 1910 zog sich Carl Engelhorn aus gesundheitlichen Gründen aus der Firma zurück. Er übergab den Verlag an seinen bisherigen Teilhaber Paul Schumann, der ihn in Gemeinschaft mit dem Kunsthistoriker Adolf Spemann, Sohn des Verlegers und einstigen Konkurrenten Wilhelm Spemann, unter der Firma J. Engelhorns Nachf. fortführte. Adolf Spemann war seit 1937 Alleininhaber des Verlages, den er 1956 der Deutschen Verlags-Anstalt übergab. Die Verlagstätigkeit wurde laut „Banger“ im Jahr 2004 eingestellt. Das Verlagsarchiv und die Produktionsbibliothek von J. Engelhorn Nachf. befinden sich im Deutschen Literaturarchiv Marbach.

Am 12. Dezember 1925 starb Carl Engelhorn. Seine Frau überlebte ihn elf Jahre, sie starb am 6. März 1936. Die Ehe blieb kinderlos. Carl und Julie Engelhorn wurden auf dem Fangelsbachfriedhof in Stuttgart begraben.

Zwei Jahre nach dem Tod Carl Engelhorns, 1927, wurde ein Weg auf der Geroksruhe in Engelhornweg umbenannt. Ein Horn spielender Engel, Sinnbild des Namens, der auch als Verlagssignet fungierte, trompetet noch heute als Treppenfigur im ehemaligen Wohnhaus und dekoriert die Fassade in der Silberburgstraße 189.

Text: Carola Staniek
Schlagwort: Stuttgart-Süd
Literaturhinweise:

Carl Engelhorn, in: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel 93 (1926), S. 173-176 [enthält auch „Mein Curriculum Vitae“].
Ulrich Frank-Planitz, Die Verlegerfamilie Engelhorn, in: Lebensbilder aus Schwaben und Franken. Bd. 16, Stuttgart 1986, S. 273-291.

Paul Schumann, Carl Engelhorn 1849-1925, in: Adressbuch des Deutschen Buchhandels 89 (1927), S. III-IX.

GND-Identifier: 116496347
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Carola Staniek, Carl Engelhorn (1849-1925), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/eb083945-7019-4de2-ad13-33e995b7a7f5/Carl_Engelhorn_%281849-1925%29.html