Das Heslacher Stadtbad wurde in den Jahren 1927 bis 1929 erbaut. Nach langer Planungsphase entstand eine sowohl in ihrer äußeren Erscheinung als auch in ihrer Innenausstattung besonders fortschrittliche Badarchitektur.

Das Stadtbad Heslach wurde in den Jahren 1927 bis 1929 vom Hochbauamt der Stadt Stuttgart durch Oberbaurat Dr. Oskar Schmidt und Baudirektor Franz Cloos an der Ecke Mörike-/Beerstraße errichtet. Der Bau aus rotem Klinkermauerwerk setzt sich aus verschiedenen Kompartimenten unterschiedlicher Geschosshöhe zusammen. Im Wesentlichen handelt es sich um den östlichen Kopfbau, dem nördlich ein Turm und westlich die Schwimmhalle angegliedert sind. Im Inneren fand sich ein 50-Meter-Becken sowie weitere Badeabteilungen. Nach seiner Fertigstellung wurde das Heslacher Stadtbad als „modernste und größte Schwimmbadanlage Deutschlands“ gehandelt, so H. P. Eckart 1929 in der „Bauzeitung“. Auch heute noch ist es – nach verschiedenen Renovierungs- und Umbaumaßnahmen – in Betrieb und ein prägendes Bauwerk des Stadtteils.

Ende des 19. Jahrhunderts gab es in Stuttgart verschiedene private Badeanstalten, die vor allem Wannen- und Brausebäder zu Reinigungs- und Erholungszwecken anboten. Mit dem Büchsenbad neben der alten Liederhalle und dem Ostheimer Bad am Standort des heutigen Leo-Vetter-Bads wurden 1889 und 1910 auf Initiative des Kaufmanns Leo Vetter die ersten Anstalten mit Schwimmbecken eröffnet. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Zuständigkeit für Badeeinrichtungen in städtische Obhut übertragen. Das erste unter städtischer Verwaltung verwirklichte Bad war das Heslacher Stadtbad. Von ersten Plänen bis zur Fertigstellung dauerte es jedoch 20 Jahre, während derer das Projekt mehrfach überarbeitet und sich wandelnden Anforderungen angepasst wurde.

Um 1900 präsentierte sich Heslach als dicht besiedeltes Arbeitervorstadtgebiet, das mit hygienischen Missständen zu kämpfen hatte, da viele Wohnungen nicht über sanitäre Einrichtungen verfügten. Entsprechend wurde bereits im Jahr 1903 der Ruf nach einer Badeanstalt laut. Erste Pläne wurden vom Hochbauamt ab 1908 bearbeitet. Hierbei standen vor allem die Wannenbadabteilung und damit hygienische Zwecke im Vordergrund. Im Mai 1914 folgte der Beschluss zur Errichtung des Stadtbades, welche jedoch vom Ausbruch des Ersten Weltkriegs verhindert wurde.

Im späten Kaiserreich hatte eine allmähliche Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen eingesetzt, die sich u.a. in der Reduktion der täglichen Arbeitszeit und dem Anstieg des Lohnniveaus niederschlug. Erstmals konnte eine breite Masse Freizeitaktivitäten ausüben. In den 1920er Jahren war der Sport in sämtlichen Bevölkerungskreisen etabliert, zu seiner Verbreitung trugen eine wachsende Zahl von Vereinen bei, ebenso die Massenmedien.

Aufgrund von Zuwachs und Ausweitung der Besucherklientel und der Überlastung bereits vorhandener Bäder wurden 1924 die Planungen zum Stadtbad Heslach wiederaufgenommen. Der 1914 geplante Bau war jedoch in Dimension und Technik nicht mehr zeitgemäß. Impulse für die Neuplanung lieferte die Besichtigung jüngerer Bäderbauten durch eine Gemeinderatskommission. Um sportlichen Anforderungen gerecht zu werden, wurde ein 50-Meter-Becken geplant. Die Wannenbadabteilung, die ein Anliegen der Bäderverwaltung war, wurde gegenüber dem Entwurf von 1914 stark reduziert. Besonders schwimmsportliche Aspekte, weniger die Hygiene, bestimmten nun die Funktion des geplanten Bades. Am 14. März 1927 stimmte der Gemeinderat den überarbeiteten Plänen zu.

Seit der Fertigstellung 1929 präsentiert sich das Stadtbad in rotem Klinker, gemauert im Blockverband mit stark überstehenden Fugen. In leichter Hanglage erstreckt es sich von Ost nach West parallel zur Mörikestraße. Sein Grundriss umschreibt in etwa ein Rechteck, über dem verschiedene, auf einfachen geometrischen Grundformen basierende Kompartimente unterschiedlicher Geschosshöhe emporstreben. Der quaderförmige Kopfbau mit Flachdach umfasst sechs Geschosse und beherbergt – südöstlich über Eck gelagert – den Eingang zum Stadtbad. Regelmäßig angeordnete weiße Sprossenfenster belichten den Kopfbau. Im oberen Bereich der östlichen Fassade war in Kapitalbuchstaben der weithin lesbare Schriftzug „STADTBAD“ angebracht. Nördlich, leicht zurückversetzt, ist diesem Gebäudeteil ein Turm über asymmetrischem Grundriss angegliedert, der ebenfalls von einem Flachdach bedeckt und von Sprossenfenstern rhythmisch durchbrochen wird. In westlicher Richtung schließt sich dem Kopfbau ein kleinerer Zwischenbau an, der ehemals die Hausmeisterwohnung beherbergte. Auf der Südseite verfügt dieser Gebäudeteil über symmetrisch angeordnete Fenster sowie einen separaten Zugang. Auf ihn folgt die Schwimmhalle, die von zehn Betonstrebepfeilern unterteilt wird. Die zwischen den Pfeilern zurückliegenden Wandabschnitte werden von paarweise angeordneten Sprossenfenstern gegliedert. Bedeckt ist die Schwimmhalle von einem mehrfach gestaffelten Dach mit horizontalen Fensterbändern. Den westlichen Abschluss des Baus bildet ein kleinerer, quaderförmiger Baukörper mit Pultdach. Auf nördlicher Seite vervollständigen ein achteckiger Schornstein und ein Betriebsgebäude den Badkomplex.

Am gesamten Stadtbad kommt kein Bauschmuck zum Einsatz. Neben der dem Expressionismus entlehnten, ausdrucksstarken Klinkerfassadengestaltung übernehmen vor allem die Sprossenfenster sowie die Fensterbänder an der Schwimmhalle und das gestaffelte Dach schmückende Funktion. Reiche Befensterung sowie der Verzicht auf Bauschmuck sind Merkmale, die dem Neuen Bauen zuzuordnen sind. Dieser Einfluss zeigt sich auch an der einfachen Geometrie der Baukörper. Geometrisch komplexer ist einzig der Turm, der damit eher auf expressionistische Architektur verweist. Die damals modernen Flachdächer lassen eine flexiblere Grundrissgestaltung des Bauwerks und günstigere Raumausnutzung der oberen Stockwerke zu. Das gestaffelte Dach der Schwimmhalle ermöglicht eine große Spannweite ohne Stützen.

Essenziell für die Stadtbadkonstruktion ist der Gebrauch von Stahlbeton: 500 Eisenbetonpfähle stabilisieren das Fundament im schlechten Baugrund. Betonstrebepfeiler an der Schwimmhallenfassade nehmen die Schubkräfte der parabelförmigen Stahlbetonbinder auf, die das Innere überspannen. Stahlbeton erfreute sich in den 1920er Jahren zunehmender Beliebtheit. Er wird hier nicht nur als Konstruktions-, sondern auch als Dekorationselement genutzt, da er außen und innen sichtbar bleibt.

Im Inneren beherbergte das Bad die Schwimmhalle, Umkleiden und Reinigungsräumlichkeiten, Abteilungen für Wannenbäder, Schwitzbäder mit Warm- und Heißluft-, Dampf-, Massage- und Ruheraum mit Vollbad; außerdem einen Gymnastik- und Friseurraum.

Die Geschlechtertrennung wurde im Vergleich zu früheren Stuttgarter Badeanstalten wie dem Büchsenbad weniger stringent umgesetzt, da die Schwimmhalle von Frauen und Männern gleichzeitig besucht wurde, auch wenn das Becken in einen Damen- und ein Herrenbereich geteilt werden konnte. In den weiteren Badabteilungen gab es geschlechtsspezifische Nutzungszeiten.

Gemäß neuzeitlichen hygienischen Anforderungen wurden Umkleidekabinen und Schränke nicht innerhalb der Schwimmhalle, sondern separat in entsprechend belüfteten Räumlichkeiten untergebracht. Hygienekriterien wurden auch bei der Wegführung berücksichtigt: Badegäste erreichen die Umkleiden über einen Stiefelgang, verlassen diese über einen Barfußgang und passieren vor Betreten der Schwimmhalle die Reinigungsräumlichkeiten. Die übrigen Abteilungen sind gesondert zugänglich und überschneiden sich nicht mit dem Schwimmbetrieb.

Die Schwimmhalle ist 58 Meter lang, 20 Meter breit und 10 Meter hoch und wird von neun Eisenbetonelementen parabelförmig überspannt. Die horizontalen Fensterbänder ermöglichen die Durchflutung mit natürlichem Licht. Für eine gute Belüftung sorgen Zu- und Abluftventilatoren sowie die reduzierte Innenausstattung.

Das seinerzeit mit 50 x 12 Meter ungewöhnlich große Schwimmbassin kam besonders schwimmsportlichen Bedürfnissen zugute. In der Mitte des Beckens befand sich ein versenkbarer Steg mit Wassertrennwand, der eine flexible Nutzung möglich machte: Bei Normalbetrieb konnte ein Damen- und Herrenbecken eingerichtet, bei Wettkämpfen die volle Länge genutzt werden. Für sportliche Großveranstaltungen wurden durch die tribünenartige Rahmung des Bassins an den Längsseiten sowie die westliche Galerie 1600 Zuschauerplätze bereitgestellt.

Der Raumeindruck der Schwimmhalle wird von den parabelförmigen Eisenbetonbindern dominiert. Sie sind essenziell für die Konstruktion und gleichzeitig ein markantes Gestaltungsmittel. Licht und Schatten alternieren, was eine spannungsvolle und für expressionistische Bauten typische Raumwirkung zur Folge hat. Die Schwimmhalle erscheint weit und licht und hinterlässt einen nahezu „sakrale[n] Raumeindruck“, wie Inken Gaukel bemerkt.

Im Zentrum der Badarchitektur standen die Berücksichtigung sportlicher und hygienischer Kriterien sowie die Bedürfnisse der städtischen Bevölkerung nach Licht, Luft und Sonne. Dabei gelang es, mittels neuer Konstruktionsprinzipien und moderner Materialien Funktionalität und Gestaltung in Einklang zu bringen.
 
Im Laufe der Jahre erfolgten verschiedene An- und Einbauten. Den Zweiten Weltkrieg überstand das Stadtbad unbeschadet. Nachdem 1987 Renovierungsmaßnahmen nötig wurden, wurde kurzzeitig eine anderweitige Nutzung in Erwägung gezogen. Schließlich fiel die Entscheidung zugunsten einer Renovierung des mittlerweile unter Denkmalschutz stehenden Bades. Von 1987 bis 1992 setzten die Stuttgarter Architekten Wolfgang Fiedler und Manfred Aichele in Kooperation mit dem Landesdenkmalamt diese Arbeiten um. Dabei wurde die äußere Gestalt des Baus im Wesentlichen beibehalten. Die Änderungen konzentrierten sich auf das Innere: Unter anderem wurde die 50-Meter-Bahn in drei Becken unterteilt und die Hausmeisterwohnung im Erdgeschoss zugunsten einer größeren Eingangshalle entfernt. Die Wannenbäder im zweiten Obergeschoss des Kopfbaus wurden durch einen Saunabereich ersetzt und die Aufteilung der Umkleideräume für Männer und Frauen in unterschiedlichen Baukompartimenten aufgehoben. Im Jahr 2006 erfolgte eine Modernisierung der Saunakabinen. 2010 wurden u.a. Wärme-, Heißluft- und Dampfraum erneuert. 2016/2017 wurden Arbeiten an Fassade und Dach des Bades ausgeführt.

Text: Janina Reutter
Schlagwort: Stuttgart-Süd
Literaturhinweise:

http://www.stuttgarter-nachrichten.de/inhalt.umbau-mehr-wellness-im-hallenbad-heslach.f0e7b65c-ba43-4c04-b083-3d0ddb0a03a4.html [zuletzt aufgerufen am: 26.06.2017].
http://www.stuttgarter-wochenblatt.de/inhalt.mitte-sued-kulturdenkmal-erhaelt-verschoenerungskur.70e6fd1d-ee4f-4612-a8a1-c635f4f57e88.html [zuletzt aufgerufen am: 26.06.2017].
Manfred Aichele/Wolfgang Fiedler, Baden im Denkmal. Umbau eines Stadtbades in Stuttgart, in: Deutsche Bauzeitung, Jg. 127, Nr. 6 (1993), S. 62-67.
H. P. Eckart, Deutschlands größtes Hallenschwimmbad. Das neue Stadtbad Stuttgart-Karlsvorstadt, in: Die Bauzeitung vereinigt mit „Süddeutsche Bauzeitung“ München 26 (1929), S. 291-296.
Inken Gaukel, Architektur der Zwanzigerjahre in Stuttgart, in: Kunst in Stuttgart. Epochen – Persönlichkeiten – Tendenzen, hg. von Dietrich Heissenbüttel, Stuttgart 2013, S. 78-95.
Yasmin Renges, Die Stadtbäder der Goldenen 20er. Kommunale Prestigearchitektur zwischen Tradition und Moderne, Köln 2015.
Harald Schuhkraft/Wolfgang Kress, Bäderstadt Stuttgart. Geschichte, Kultur und modernes Badeleben, Filderstadt 2006.
Karl Stenzel u.a., Dokumentation Stadtbad Heslach, Stuttgart, in: Archiv des Badewesens 42 (1989), Heft 7, S. 327-338.
Wilhelm Stortz, Die Schwimmhalle des neuen Stadtbades Stuttgart Heslach, in: Beton und Eisen 28 (1929), Heft 5, S. 92-96.
Claudia Wohlfeld-Eckart, Das städtische Hallenschwimmbad in Deutschland von 1870 bis 1930 (Schriften zur Kunstgeschichte, Bd. 40), Hamburg 2013.

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Janina Reutter, Stadtbad Heslach, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/e7e0b04b-00cd-4f71-9a3d-e1beb384b0b9/Stadtbad_Heslach.html