Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts erfreute sich Degerloch bei der Stuttgarter Oberschicht großer Beliebtheit, da man sich hier ein stattliches Wohnhaus abseits vom Talkessel und dem Getümmel der wachsenden Residenzstadt bauen konnte. Die Einbettung in Wälder, die gute Durchlüftung und die schönen Aussichten bei gleichzeitiger guter Anbindung an „die Stadt“ waren hierfür ausschlaggebend. 1908 erfolgte die Eingemeindung nach Stuttgart. Zwar unterbrach der Erste Weltkrieg die Bautätigkeit, aber nach der Überwindung der Inflation 1924 wuchs das Villenviertel östlich des Ortskerns weiter. Es fehlte allerdings „eine gute kirchliche Versorgung des Gebietes“, so der damalige Pfarrer Hermann Kopp 1961.
Um 1930 befasste sich die evangelische Kirchengemeinde mit ersten Plänen für ein neues „Kirchlein“ im Osten. 1933 lieferte Walter Klatte (1879-1958) einen Vorentwurf für eine „Waldkirche“. Das Vorhaben wurde von der nationalsozialistischen Stadtverwaltung abgelehnt. Erst 1951 konnten im Waldheim der Markus-Kirchengemeinde regelmäßige Gottesdienste für die Anwohner abgehalten werden. Um dieses Provisorium zu beenden, suchte man unermüdlich weiter nach einem Bauplatz am Waldrand. Sowohl bei der Staatlichen Forstverwaltung als auch bei den städtischen Behörden stieß das Anliegen aber auf Desinteresse oder gar strikte Ablehnung.
Die Lösung des Problems ergab sich unerwartet. Eine Umformerstation der Technischen Werke Stuttgart (TWS) befand sich unweit des Löwenplatzes, am Waldrand und auf staatlichem Grund gelegen. Sollte die TWS – so die Forstbehörden im Herbst 1956 – dazu bereit sein, „ihre Umformerstation im Untergeschoß der zu bauenden Kirche einzurichten“, sei man damit einverstanden, das Grundstück als Bauplatz zu verkaufen. Die Stadt stimmte zu und so stand einer Umsetzung des Projekts nichts mehr im Wege.
Zunächst lobte die Gesamtkirchengemeinde einen Wettbewerb unter in Degerloch ansässigen Architekten aus. Anfang August 1957 zog das Preisgericht acht Entwürfe in die engere Wahl. Ende Oktober entschied das Gremium einstimmig zugunsten der Architekten Adolf (1890-1970) und Hans Bregler (1923-1989), da deren Planung „den Charakter der Gemeindekirche mit dem der Andachtskirche überzeugend zum Ausdruck bringt und außerdem die Eigenart einer Waldkirche glücklich getroffen ist“. Zeitgleich brachte das Büro Bregler ein prominentes Stuttgarter Bauvorhaben zum Abschluss: das neue Eberhard-Ludwig-Gymnasium, erbaut 1955 bis 1957.
Nachdem die Arbeiten bereits begonnen hatten, legte man am 13. Dezember 1958 den Grundstein. Am 12. Juni 1959 war Richtfest, am 27. November 1960 fand die Einweihung statt. In der Festschrift von 1961 erinnerte sich Pfarrer August Jäck, er habe „wie jeder Bauherr […] durch viel Kritik hindurchgehen“ müssen. Diese „Kritik“ bezog sich auf die neuartige Architektur, die mit vielen Konventionen der 1950er Jahre gebrochen hatte – Material, Grund- und Aufriss sowie Ausrichtung.
Vor 1914 war Adolf Bregler bei Martin Elsaesser (1884-1957) angestellt. Dieser gehörte zu den wichtigsten deutschen Kirchenbaumeistern im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts. Zwar hatte Adolf Bregler bei einigen von Elsässers Kirchen die Bauleitung übernommen, aber er selbst hatte keine eigenen Sakralbauten geschaffen. Daher überließ er es seinem Sohn Hans, der „junge[n] Generation“, die Versöhnungskirche zu planen. Ausgebildet bei Rolf Gutbier (1903-1992) und Paul Stohrer (1909-1975) war dieser jedoch ebenso unerfahren auf dem Gebiet der Kirchenarchitektur wie sein Vater.
Hans Bregler fasst in der genannten Festschrift zusammen, welche Aufgaben und Ziele die Kirche erfüllen sollte: „… sich dem Vorübergehenden öffnen, ihn zum Eintreten veranlassen, ihn Ruhe und Konzentration finden lassen, ihn zur Besinnung und Neuorientierung führen, ihn zu Gebet und Dank öffnen. Der Gemeinde sollte der Kirchenraum die Möglichkeit geben, sich um Kreuz, Altar, Kanzel und Taufstein rundum zu versammeln zu Predigt, Lobgesang und Gebet. Daneben sollte das Bauwerk sich den hochgewachsenen Bäumen des Waldes unterordnen und den Waldrand nicht stören.“ Hans Bregler hat diesen Vorstellungen nicht nur sehr gekonnt entsprochen, sondern hat diese Inhalte in eine höchst zeitgemäße Form gegossen.
Die Eingangsseite der Versöhnungskirche ist auf den Löwenplatz hin ausgerichtet. Vom Platz selbst ist der Bau durch eine naturnahe Grünanlage abgesetzt. Sie leitet zu einem Vorplatz über, zu dem sich die Vorhalle mit ihrem kleinen Windfang öffnet. Die präzisen Kanten des fast gänzlich in Stahlbeton errichteten Gebäudes weisen ziemlich exakt in die vier Himmelsrichtungen. Von der Westkante aus steigt der Dachfirst steil zur Ostkante an, um in einer „Turm-Plastik“ zu gipfeln, die von einem Kreuz gekrönt ist. Dieser Turm reicht an der Ostkante bis zum Boden, an seiner Westkante ähnelt er einem Dachreiter, modern interpretiert.
Die zum Turm aufstrebende Nordostseite wurde von Bregler durch lamellenartige Pfeiler weitgehend geöffnet. Die Zwischenräume sind mit einer Kunstverglasung versehen. An der Ostkante ragt der Turm schiffsbugartig empor. Die gänzlich zum Wald ausgerichtete Südostwand fällt vom Turm aus gesehen in steiler Linie abwärts. Die Betonscheibe der Südostwand wird durch die „als prismatisches Dreieck“, so Bregler, angefügte Sakristei aufgelockert. Effektvoll ist das Fensterband, das der Trauflinie folgt und das Dach von der Wand abzuheben scheint. Die Südwestseite ist fast vollständig verglast, sodass der Blick aus dem hier angeordneten Gemeindesaal ungehindert in den Wald schweifen kann.
Dem quadratischen Grundriss des Gebäudes ist ein kleineres, nach Osten geschobenes Quadrat einbeschrieben: der Gottesdienstraum. Dieser wird im Nordwesten von der Vorhalle, einem Flur und Nutzräumen sowie im Südwesten vom Gemeindesaal winkelförmig eingefasst. Bei Platzbedarf lässt sich der Gemeindesaal über eine „Hebewand“, die nach oben gezogen werden kann, zum Gottesdienstraum hin öffnen.
Der Gottesdienstraum ist diagonal auf die östliche Ecke orientiert. Hier ist eine um drei Stufen erhöhte Estrade angeordnet, auf der sich der wuchtige Altar, das monumentale Kreuz und die Kanzel erheben. Diesem Ziel neigt sich der Boden sanft von allen Seiten zu, während die Decke nach Osten in eine Höhe von 16 Metern strebt und die Prinzipalstücke (Altar, Kanzel, Taufstein) beschirmt. Von der nördlichen Ecke aus flankiert das raumhohe Lamellenfenster, von der südlichen Ecke aus das schmale Fensterband dieses Aufgipfeln der Raumgestaltung. Weitere Akzente setzen rechts das kleine Farbglasfenster in der Südostwand, die verglaste Nische für die Abendmahlsgeräte, die Empore mit der Orgel der Firma Weigle (von 1965) sowie der auf der Gemeindeebene platzierte Taufstein.
Die Pfeiler der „Lamellenwand“ und die Südostwand sind weiß verputzt. Die Nordwest- und die Südwestwand sind mit dunklem Holz vertäfelt und umfassen den Bereich der Gemeinde. Eine von der Westecke ausgehende, winkelförmige Empore setzt mit ihrer weiß gefassten Betonbrüstung einen wirkungsvollen Kontrast. Sie unterstreicht die horizontale Ausrichtung des Gemeindebereichs im Gegensatz zur dominanten Vertikalen im Altarbereich. Die Erstellung der Betonschalendecke in Form eines „Faltdachs“, so Bregler, war eine technische Herausforderung. Sie blieb unverkleidet und wurde weiß gefasst. Dies unterstreicht den leichten Eindruck und macht verständlich, weshalb schon Zeitgenossen die Versöhnungskirche als „Kirchenzelt“ beschrieben.
Die vollständig erhaltene Ausstattung wurde zum Teil von Hans Bregler entworfen, zum Teil durch Künstler ergänzt. Herausragend ist die Farbverglasung des „Lamellenfensters“ von Harald A. Rogler (1920-1966). In seiner auf die Grundfarben (Rot, Gelb, Blau) reduzierten Farbstellung und in seinen geometrisch-abstrakten Formen folgt es der Klarheit der Architektur. Fritz Melis (1913-1982) schuf das Altarkreuz, den Altar und den Taufstein sowie die Plastiken „Hahn“ auf dem Dach der Vorhalle und „Salamander“ am Vogelbrunnen der Außenanlage. Der Silberschmied Helmut Schauler aus Sillenbuch fertigte das Abendmahlsgerät. 1985 stellte man die Marmorskulptur „Stein zur Meditation“ Elmar Dauchers (1932-1989) auf dem Vorplatz auf.
Mitte der 1950er-Jahre begann die Abwendung von konservativ orientierten Formen im Kirchenbau. In Stuttgart geben hiervon Erwin Rohrbergs (1909-1989) Rosenbergkirche (1954-1956) und Auferstehungskirche (1955/56) Zeugnis. Dennoch hielt man am Langhausbau fest, der auf einen Altarraum an der Stirnseite ausgerichtet war. Häufig wurde der Turm als Campanile beigestellt. Hans Bregler hingegen näherte sich mit dem quadratischen Grundriss dem Zentralbau an. Zugleich richtete er den Bau diagonal aus und formte den Gemeinderaum mit der Absenkung zum Altarbereich und der Anordnung der Bänke ähnlich einem Amphitheater. Den Turm integrierte er in den Baukorpus und formulierte ihn als expressive Betonplastik.
Als direkte Vorläufer der Versöhnungskirche dürfen die Johanneskirche in Taufkirchen (1955/56) von Olaf A. Gulbransson (1916-1961) und die Pfingstbergkirche in Mannheim (1957) von Carlfried Mutschler (1926-1999) gelten. Die Diagonalausrichtung auf quadratischer Basis lässt sich über Otto Bartning (1883-1959), den einflussreichen Architekten der evangelischen Sakralarchitektur des 20. Jahrhunderts, bis auf den bedeutenden Architekturtheoretiker Leonhard Christoph Sturm (1669-1719) zurückführen.
Die Titulatur „Versöhnung“ entsprach der Jahreslosung „Lasset euch versöhnen mit Gott.“ (2. Korinther 5, 19.20) von 1956, dem Jahr, in dem der Bau beschlossen wurde. Etliche „Versöhnungskirchen“ entstanden im Deutschland der Nachkriegsjahrzehnte – der Wunsch nach Versöhnung war groß. In Degerloch kam hinzu, dass die Kirche von Anbeginn an als „offene Kirche“ konzipiert wurde. An diesem Gedanken hielt die Gemeinde stets fest.
Die Transformatorenstation im Untergeschoss ist bis heute in Betrieb.