Käte Hamburger war eine bedeutende deutsche Germanistin und Literaturtheoretikerin, die sich nach ihrem Exil in Schweden an der Technischen Hochschule Stuttgart habilitierte und dort im Anschluss unbesoldet als außerplanmäßige Professorin wirkte.

Käte Hamburger kam im Oktober 1956 aus ihrem schwedischen Exil an die Technische Hochschule Stuttgart und erkannte die Stadt bald „als neue Heimat und Wirkungsfeld mit allem, was an Lebensfreundschaft dazu gehört“, wie sie sich anlässlich ihrer Ehrenpromotion 1980 rückblickend dankbar erinnerte. Dieser „entscheidenden und glücklichen Wendung“ ging eine schwere Zeit voraus.

Hamburger entstammte einer reformiert-jüdischen Bankiersfamilie aus Hamburg. Ihr Studium der Philosophie, Geschichte, Kunst- und Literaturgeschichte in Berlin und München schloss sie 1922 mit einer philosophischen Dissertation zu Friedrich Schiller ab. Weil ihre Aussichten auf eine akademische Karriere als jüdische Frau gering waren, arbeitete sie zunächst als Buchhändlerin, bemühte sich aber weiterhin, unterstützt durch den Berliner Philosophen Paul Hofmann, um ihre akademische Weiterqualifikation. Es entstanden Studien zu Jean Paul, Novalis sowie zu Thomas Mann, dem sie dauerhaft verbunden blieb. Hamburgers Habilitationspläne ließen sich allerdings nicht realisieren.

Nach einem Studienaufenthalt in Frankreich floh Hamburger 1934 vor den Nationalsozialisten nach Göteborg in Schweden, wo sie, unterstützt durch die jüdische Gemeinde, ihren Unterhalt als Sprachlehrerin und Kulturjournalistin bestritt und weitere literaturwissenschaftliche Arbeiten auf Schwedisch und Deutsch verfasste. Das Vorhaben, nach 1945 in Schweden erneut zu promovieren, um die Chancen auf eine universitäre Anstellung zu erhöhen, scheiterte ebenso wie Bewerbungen an die Universitäten Uppsala und Stockholm. Auch in Deutschland fand sie lange keine Unterstützung, bis sich 1956 der Stuttgarter Literaturwissenschaftler Fritz Martini für sie einsetzte und ihr die Remigration ermöglichte.

Im März 1957 konnte sich Hamburger an der Technischen Hochschule Stuttgart habilitieren, noch im gleichen Jahr erschien ihre Habilitationsschrift: „Die Logik der Dichtung“, eine literaturtheoretische Studie, für die sie bis heute bekannt ist. Für eine ordentliche Professur war Hamburger in beamtenrechtlicher Hinsicht zu diesem Zeitpunkt bereits zu alt. Sie lehrte daher zunächst als Privatdozentin, ab 1959 als außerplanmäßige Professorin bis zu ihrem Ruhestand im Jahr 1976 in Stuttgart Allgemeine und vergleichende Literaturwissenschaft. 1961 gelang es Martini gemeinsam mit Kultusminister Gerhard Storz, Hamburger wenigstens einen mit monatlich 400 D-Mark vergüteten Lehrauftrag zu verschaffen, mit dem sie ihre Entschädigungsrente aufbessern konnte. Von diesen bescheidenen Einkünften finanzierte sie eine kleine Wohnung im 10. Stock des „Hölderlin-Hochhauses“ im Stuttgarter Westen, wo sie Studierende, Kolleginnen und Kollegen und sogar den Bundespräsidenten Richard von Weizsäcker empfangen und gastfreundlich bewirtet haben soll.

In den Stuttgarter Jahren entstanden weitere wichtige Arbeiten zu Schiller, Johann Wolfgang von Goethe, Heinrich Heine, Rainer Maria Rilke, Thomas Mann, Jean-Paul Sartre, Hans Christian Andersen, Henrik Ibsen und zu anderen, immer wieder auch literaturtheoretischen Themen. Hamburger war für das Kulturleben der Stadt Stuttgart eine feste Größe; sie fand ihr Publikum auch jenseits akademischer Zirkel.

Internationale Anerkennung erhielt Hamburger vor allem für ihre Verbindung von literaturtheoretischen, sprachanalytischen und philosophischen Fragen, mit der sie in „Die Logik der Dichtung“ das Spezifische literarischer Rede bestimmte und wesentliche Impulse für die Fiktionstheorie, die Gattungstheorie und den literaturwissenschaftlichen Strukturalismus gab. Mit ihrem Namen verbunden ist insbesondere der Versuch, Kriterien zu entwickeln, mit denen sich allein auf der Basis von Textmerkmalen („episches Präteritum“) die Fiktionalität eines Textes erkennen lässt.

1966 erhielt sie das Große Verdienstkreuz des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland, 1980 wurde ihr die Ehrendoktorwürde der Universität Siegen, 1987 die Ehrendoktorwürde der Universität Göttingen verliehen. 1984 erhielt sie die Verdienstmedaille und 1989 den Schiller-Gedächtnispreis des Landes Baden-Württemberg.

Am 8. April 1992 starb Käte Hamburger und wurde auf dem Pragfriedhof beigesetzt.

In Stuttgart-Vaihingen wurde 1993 ein Weg nach Käte Hamburger benannt. In Anerkennung ihrer besonderen Verdienste tragen die durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung seit 2009 eingerichteten internationalen Kollegs für geisteswissenschaftliche Forschung ihren Namen. Die Universität Stuttgart vergibt seit 2013 den Käte Hamburger-Preis für herausragende Bachelorarbeiten in der germanistischen Literaturwissenschaft. Um die fachgeschichtliche Forschung zu Käte Hamburger zu befördern, wurde 2014 die Käte-Hamburger-Forschungsstelle an der Universität Stuttgart (www.srcts.uni-stuttgart.de/forschung/kaete-hamburger-forschungsstelle) eingerichtet. Der Nachlass Käte Hamburgers wird im Deutschen Literaturarchiv Marbach verwahrt.

Text: Andrea Albrecht
Schlagworte: Stuttgart-Mitte, Wissenschaftsfestival
Quellenhinweise:

Käte Hamburger, Thomas Mann und die Romantik. Eine problemgeschichtliche Studie, Berlin 1932.
Käte Hamburger, Die Logik der Dichtung, Stuttgart 1957, 2. stark überarbeitete Aufl. 1968, 41994.
Käte Hamburger/Klaus Schröter, Um Thomas Mann. Der Briefwechsel 1964-1990, hg. von Klaus Schröter, Hamburg 1994.
Käte Hamburger, Briefwechsel 1932-1955, hg. von Hubert Brunträger, Frankfurt am Main 1999.

Literaturhinweise:

Andrea Albrecht/Claudia Löschner (Hg.), Käte Hamburger. Kontext, Theorie und Praxis, Berlin/Boston 2015.
Johanna Bossinade/Angelika Schaser (Hg.), Käte Hamburger. Zur Aktualität einer Klassikerin, Göttingen 2003.
Gesa Dane, Käte Hamburger (1896-1992), in: Wissenschaftsgeschichte der Germanistik in Portraits, hg. von Christoph König/Hans-Harald Müller/Werner Rocke, Berlin/New York 2000, S. 189-198.
Jürgen Hering (Hg.), Käte Hamburger. Reden bei der akademischen Gedenkfeier der Universität Stuttgart für Frau Prof. Dr. phil. habil. Käte Hamburger, 8. Dezember 1992, Stuttgart 1993.
Johannes Janota/Jürgen Kühnel (Hg.), Ehrenpromotion Käte Hamburger am 25. Juni 1980. Dokumentation, Siegen 1980, S. 39.
Utz Maas, Hamburger, Käte, in: Utz Maas, Verfolgung und Auswanderung deutschsprachiger Sprachforscher 1933-1945, https://zflprojekte.de/sprachforscher-im-exil/index.php/catalog/h/244-hamburger-kaete/ [zuletzt aufgerufen am 17.06.2022].

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Publiziert am: 23.06.2022
Empfohlene Zitierweise:
Andrea Albrecht, Käte Hamburger (1896–1992), publiziert am 23.06.2022 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/e0d120b8-e693-4d60-98eb-c04103ade7e2/Kaete_Hamburger_%281896%E2%80%931992%29.html