Als ein Meisterstück der Ingenieurbaukunst ziert der Killesbergturm weithin sichtbar das „Grüne U“. Die Finanzlage der Stadt verhinderte zunächst seinen Bau – die IGA 1993 fand ohne Turm statt. Realisiert wurde der heute denkmalgeschützte Bau schließlich 2001 durch den Verschönerungsverein Stuttgart e. V.

Bereits für die Reichsgartenschau 1939 hatte der verantwortliche Landschaftsarchitekt Hermann Mattern (1902-1971) einen Aussichtsturm auf der Hügelkuppe des Killesbergs nahe dem Höhencafé vorgesehen. Der Turm wurde jedoch von der Reichsregierung aus Kostengründen gestrichen. So entstand dort nur ein kleiner Aussichtspavillon aus Holz, der mit Fahnen der Stadt geschmückt war.

Erst zur „Deutschen Gartenschau 1950“, für die wiederum Mattern beauftragt wurde, um das kriegszerstörte Gartenschaugelände instand zu setzen, konnte er seine Idee eines Aussichtsturms umsetzen. Die Maschinenfabrik Esslingen erstellte einen filigranen Turm in Stahl-Glas-Konstruktion, dessen Besonderheit es war, dass die Besucher die Aussichtsplattform nicht über eine Treppe, sondern nur mittels eines Aufzugs der Firma Zaiser erreichen konnten. Der Name des Aufzugherstellers war unübersehbar am Turm verewigt und gab ihm im Volksmund auch seinen Namen: „Zaiser“-Turm. 1974 wurde der Zaiser-Turm mit der Begründung abgerissen, er sei nicht nur baufällig, sondern überdies nicht sehr ansehnlich. So verschwand ein historisch und ästhetisch nicht unerheblicher Vorläufer des heutigen Aussichtsturms im Höhenpark Killesberg.

Nachdem für die Bundesgartenschau 1977 der Mittlere und Untere Schlossgarten und der Bereich Schwanenplatz neugestaltet worden waren, lag es nahe, für die Internationale Gartenbauausstellung 1993 die Park- und Waldlandschaften um die nördliche Innenstadt zu verbinden – vom Schlossgarten über den Rosensteinpark zum Höhenpark Killesberg und weiter über den Kräherwald zum Glemswald. Diese Idee wurde mit dem Oberbegriff des „Grünen U“ umschrieben, zeigen sie doch von Nordosten aus betrachtet die Figur eines „U“.

Der Gartenplaner Hans Luz (1926-2016), der den Wettbewerb zur Internationalen Gartenbauausstellung (IGA) 1993 gewann, verfolgte zusammen mit der städtischen Planungsgruppe die Idee, am Standort des früheren Aussichtsturms im Höhenpark Killesberg einen neuen Turm zu errichten. Zwar wurde das Vorhaben in das Bauprogramm der IGA aufgenommen und vom Ingenieurbüro Schlaich, Egenhofer und Partner mit der Planung begonnen. Im April 1992 beschloss der Gemeinderat der Stadt Stuttgart allerdings, den Bau des Aussichtsturms wegen mangelnder Haushaltsmittel zu streichen. Hans Luz wandte sich daraufhin an den Verschönerungsverein mit der Frage, ob der Verein möglicherweise das Projekt über Spendenaufrufe realisieren könnte. Eine Summe von über zwei Millionen DM innerhalb weniger Monate zusammenzubringen, war aber aussichtslos, weshalb die IGA 1993 ohne Aussichtsturm stattfand.

In den Jahren nach der IGA warb der Verein durch viele Aktivitäten weiter um Spenden, um den Turm selbst als Bauherr zu realisieren. Der Durchbruch gelang 1998 mit der Idee, die Stufenelemente der Turmtreppen zu personalisieren und mit Namensschildern Spendern zu widmen.

Für den Betrag von 1800 DM konnte das „Namensrecht“ an einer Turmtreppenstufe erworben werden. Nach zwei Ausschreibungen waren alle 348 Stufen „verkauft“, nicht wenige auch an Vereinsmitglieder. Die Stufenspenden erbrachten etwa 40 Prozent der Baukosten. Weitere circa 20 Prozent kamen durch sachbezogene Spenden der Vereinsmitglieder hinzu. Die restlichen 40 Prozent der Baukosten stellte der Verein aus dem Erlös für den Verkauf eines vereinseigenen Grundstücks zur Verfügung. Der Verein und seine Mitglieder haben damit nahezu die gesamten Planungs- und Baukosten selbst aufgebracht.

Am 24. August 2000 war die Finanzierung soweit gesichert, dass der Verschönerungsverein das bisher größte Bauprojekt seiner Geschichte auf den Weg bringen konnte. Bereits zwei Monate später, am 24. Oktober 2000, fand der Spatenstich statt. Die Ausschreibung unter mehreren Strahlbaufirmen hatte die Firma Roleff Stahlbau aus Esslingen mit einem Festpreisangebot für sich entschieden.

Nach dem Spatenstich kam der noch fehlende Spendenbetrag binnen kurzer Zeit zusammen und am 17. Juli 2001 konnte der Turm zum 140-jährigen Jubiläum des Verschönerungsvereins durch den Vereinsvorsitzenden Fritz Oechßler, Gartenplaner Hans Luz, Konstrukteur Jörg Schlaich und Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Schuster feierlich eingeweiht werden. Der Killesbergturm steht zwar auf städtischem Grund, befindet sich jedoch gänzlich im Eigentum des Verschönerungsvereins.

Gekrönt wird der Turm vom von Hans Luz entworfenen Signet des „Grünen U“. Es symbolisiert das Konzept der miteinander in U-Form verbundenen Parkanlagen und Waldgebiete. Dabei wird das Neue Schloss als Ausgangspunkt durch die fünfzackige Krone und das Bärenschlössle als Ziel durch die dreizackige versinnbildlicht.

Als im Vorfeld der IGA 1993 der Wunsch nach einem Aussichtsturm deutlich wurde, war klar, dass sich das Bauwerk filigran in die Landschaft einpassen sollte, ohne seine Umgebung im historischen Parkgelände und im „Grünen U“ in ihrem Erscheinungsbild zu stören. Schließlich schlug der Ingenieur Jörg Schlaich die Konstruktion eines Seilnetz-Turms, angelehnt an das Prinzip der Seilnetz-Kühltürme von Kernkraftwerken, vor. Wie bei derartigen Stahl- und Seilbauten üblich, wurde nur das Fundament vor Ort gefertigt. Die Einzelteile hingegen wurden in der Werkstatt präzise vorgefertigt und dann auf der Baustelle zusammengesetzt, verschweißt oder verschraubt. Die besonders kritischen Segmente des Turms, nämlich die Treppen und die Plattformen, wurden zur Passungsprüfung sogar in der Werkstatt zur Probe zusammengebaut und für den Transport wieder auseinandergenommen. Die Treppenstufen mussten einzeln gefertigt werden, da der Turm nicht nur wendelförmig, sondern auch konisch verläuft. Besonders genau musste das Ablängen (Abtrennen) der Seile geschehen, um sicherzustellen, dass das Netz später seine vorgegebene Geometrie annehmen und alle Seile gleichmäßig vorgespannt sein würden.

Bereits kurz nach seiner Einweihung gewann der Killesbergturm mehrere Auszeichnungen und Preise: Neben der „Auszeichnung Guter Bauten 2002“ der Kreisgruppe Stuttgart/Mittlerer Neckar des Bundes Deutscher Architekten und des Hugo-Häring-Preises 2003 des Landesverband Baden-Württemberg des Bundes  Deutscher Architekten war der Bau, der seit 2024 als Kulturdenkmal nach § 2 DSchG BW denkmalgeschützt ist, auch beim Wettbewerb der Architektenkammer Baden-Württemberg „Beispielhaftes Bauen in Stuttgart 1997-2002“ erfolgreich.

Für den Bauablauf wäre es von Vorteil gewesen, man hätte zuerst den Mast aufgestellt und danach das Netz aufgespannt, um abschließend die Treppen sowie die Plattformen anzubringen. Dafür hätten die Plattformen jedoch in kleine Teile zerlegt und auf der Baustelle wieder zusammengeschweißt werden müssen, damit sie durch die Maschen des Netzes hindurch passen. Um dies zu vermeiden, wurde der Turm abschnittsweise von unten aufgebaut.

Dafür wurde ein besonderes Gerüstsystem mit Arbeitsplattformen und Hilfsstützen entwickelt, das entsprechend dem Baufortschritt in die Höhe wuchs. In diese Konstruktion waren Leitern integriert, sodass ein Aufstieg im Gerüst möglich war. Die Turmplattformen wurden von unten nach oben auf dem Stück für Stück mitwachsenden Gerüstsystem abgelegt, am Mast gelenkig gelagert und verschweißt. Wenn eine Plattform fertig verschweißt war, wurde ein Stahlring um den Mast geklemmt, an dem diese Plattform provisorisch mit Stahlseilen befestigt war, was ermöglichte, das Gerüst bis zur nächsten Plattform weiter aufzubauen und analog die nächste Ebene zu montieren.

Vor der Montage des oberen Druckrings wurden die Treppen und Plattformen um den Mast herum mit Hilfsstützen befestigt. Erst jetzt wurden die Netzseile zwischen dem oberen Netzring und dem Fundamentring schlaff eingebaut und die noch auf den Gerüsten liegenden Plattformen konnten an ihrem äußeren Rand befestigt werden. Im Anschluss wurden die Netzteile einzeln an der Fundamentverankerung vorgespannt, die fortan das Gewicht der Treppen trugen. Die Hilfsstützen konnten nun ausgebaut werden – und der Turm stand frei.

Von Anfang an erlebt der 40,4 Meter hohe und 80 Tonnen schwere Turm einen starken Zuspruch bei den Besuchern. An manchen Tagen ist auf den Treppen, die die vier Plattformen in 8, 16, 24 und 31 Metern Höhe miteinander verbinden, nur die Fortbewegung im Gänsemarsch möglich. Für die Stabilität des Turms stellt dies indes kein Problem dar, da die statische Auslegung eine Höchstlast von 2000 Personen erlaubt. Es wurden fast 2000 Meter Stahlseil und 75 Tonnen Stahlkonstruktion verbaut.

Für den technischen Unterhalt des Turms ist der Verschönerungsverein verantwortlich. Diese Kosten werden durch Eintrittsgelder sowie den Verkauf weiterer „Namensrechte“ an den Plattformsegmenten aufgebracht.

Text: Herbert Medek
Schlagwort: Stuttgart-Nord
Quellenhinweise:

Archiv Verschönerungsverein Stuttgart e. V.

Literaturhinweise:

Jörg Kurz, Der Killesberg. Ein Volkspark und seine Geschichte, Stuttgart 2006.
Bernd Langner/Wolfgang Kress, Ausblicke nach allen Richtungen. 150 Jahre Verschönerungsverein Stuttgart e. V. Mit Gedanken zur künftigen Vereinsarbeit von Erhard Bruckmann, Stuttgart 2011.
Evangelos Robies, Killesbergturm Stuttgart, Manuskript Fachgebiet Konstruktives Gestalten und Baukonstruktion der TU Darmstadt 2003.
Verschönerungsverein Stuttgart e. V., Uhlandshöhe – Ameisenberg, http://www.vsv-stuttgart.de/index.php?article_id=29 [zuletzt aufgerufen am 21.11.2024].

GND-Identifier: 4649804-7
Publiziert am: 06.12.2024
Empfohlene Zitierweise:
Herbert Medek, Killesbergturm, publiziert am 06.12.2024 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/df231fa7-de3e-4211-90e4-694609f23b88/Killesbergturm.html