Albert Schöchle, geboren am 13. März 1905 in Kempten (Allgäu) und dort auch gestorben am 10. August 1998, wirkte von 1933 bis 1970 als Leiter der Wilhelma und schuf nach dem Krieg aus dem zerstörten Park den modernen zoologisch-botanischen Garten.

Ohne ihn wäre Stuttgart heute um eine bedeutende Attraktion ärmer, es hätte keinen zoologisch-botanischen Garten von Weltrang: Albert Schöchle. 

Seine Eltern führten in Kempten das Hotel Post. Er besuchte dort die evangelische Volksschule und die Realschule, die er in Isny beendete. Der große Naturfreund, dessen höchstes Glück schon in Kindertagen die Naturbeobachtung war, begann 1920 eine Gärtnerlehre in Lindau am Bodensee und studierte ab 1923 Gartenbau an der damaligen Höheren Lehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Weihenstephan. Als Externer legte er die Reifeprüfung ab und begann ein Studium in München, das er in Stuttgart und Tübingen fortsetzte und in Stuttgart dann abschloss. Seine Referendarzeit absolvierte er an der damaligen Wilhelms-Oberrealschule, dem heutigen Wilhelms-Gymnasium.

Zum 1. Mai 1933 wurde Schöchle mit gerade 28 Jahren zum Leiter der Wilhelma, damals noch ein überschaubarer botanischer Garten, bestellt. Ausschlaggebend dafür war wohl, dass er sich in wenigen Jahren vom Gärtnergesellen selbständig zum Assessor weitergebildet und so große Eigenständigkeit und Energie bewiesen hatte, die auch für sein Lebendwerk ausschlaggebend werden sollte. 1936 wurde Albert Schöchle außerdem Direktor der staatlichen Anlagen und Gärten in Stuttgart und damit zuständig für alles Grün in staatlichem Eigentum in Stuttgart. Schöchle war zwar Mitglied der NSDAP geworden; als eigenständiger Kopf hielt er jedoch Distanz und wurde deshalb auch nicht verbeamtet.

Mit großem Schwung ging er seine neue Aufgabe an und machte aus der laut Schöchle etwas „verschlafenen“ Wilhelma einen attraktiven botanischen Garten. Zusammen mit seinen Gärtnern, die er mit seiner Begeisterung mitzureißen verstand, ordnete er die Pflanzensammlungen neu, ergänzte sie durch Zukäufe und durch Tausch mit anderen Gärten. Er ließ die Schaugewächshäuser neu gestalten und veranstaltete – zum Teil gegen große Widerstände der vorgesetzten Behörden – mit Hilfe der württembergischen Gärtner in der Zeit des Deutschen Turnfests in Stuttgart in den leergeräumten Gewächshäusern eine Blumenschau, die viele tausend Menschen anzog und dazu führte, dass Presse und Rundfunk auf die Wilhelma aufmerksam wurden.

Höhepunkt dieser Entwicklung in den Jahren zwischen den beiden Weltkriegen sollte die Reichsgartenschau in Stuttgart 1939 werden. Die Wilhelma präsentierte sich in Bestform und erhielt zahlreiche Auszeichnungen. Aber die Reichsgartenschau musste wegen des deutschen Überfalls auf Polen vorzeitig abgebrochen worden und Albert Schöchles Werk wie auch die ganze Wilhelma gingen in den Bombenangriffen unter. Er selbst wurde schon 1940 zum Kriegsdienst eingezogen und war bis zum Kriegsende Soldat.

Bei seiner Rückkehr fand Schöchle die Wilhelma in Trümmern vor. In den großen Bombenangriffen von 1944 waren rund 90 % der Gebäude zerstört oder erheblich beschädigt worden. Was von den Pflanzenschätzen nicht vorsorglich ausgelagert worden war, war ebenfalls verloren. Bei aller Trauer über das Untergegangene schlug jetzt Albert Schöchles große Stunde.

Mit großer Entschlossenheit und aller Tatkraft machte er sich an den Wiederaufbau des Parks. Um die dafür benötigten Mittel zu bekommen, ließ er in der Wilhelma und im benachbarten Rosensteinpark insgesamt 20 Hektar Rasenflächen umpflügen und Gemüse für Stuttgarts Krankenhäuser anbauen. Mit dem Erlös kaufte er Glas, um die zerstörten Gewächshäuser wieder einzudecken. Schöchle holte die noch existierenden ausgelagerten Pflanzensammlungen zurück und ergänzte sie wieder. Ostern 1949 wurde die Wilhelma wiedereröffnet. Eine Aquarienausstellung süddeutscher Aquarianer an Pfingsten war ein solcher Erfolg, dass Schöchle sie mehrfach über die geplanten vier Wochen hinaus verlängerte und die Fische am Ende erwarb, so dass die Wilhelma fortan ein kleines Aquarium besaß. Albert Schöchle hatte erkannt, dass Tiere auf die Besucher eine große Anziehungskraft ausübten. Schon 1950 folgte die Ausstellung „Schlangen, Saurier und Krokodile“. 1951 wurden „Tiere des deutschen Märchens“ gezeigt. Es folgten „Tiere aus Steppe und Savanne“ und „Indische Dschungeltiere“.

Die Bürger Stuttgarts und des Landes liebten „ihre“ Wilhelma. Die Aufsichtsbehörden dagegen nicht. Der Zwist gipfelte in dem lapidaren Erlass des besorgten Finanzministeriums: „Die wilden Tiere haben zu verschwinden“. Der Wilhelmadirektor suchte nach Abhilfe und fand sie beim damaligen Finanzminister, der eine soeben geborene Löwin taufte und ihr den Wunsch mit auf den Weg gab, sie möge „Stammmutter eines gesunden Löwengeschlechts in der Wilhelma“ werden. Die Tiere blieben also. Aber auch die übrigen Teile der Wilhelma wurden konsequent wiederhergestellt, etwa 1951 der Wintergarten, das damals größte Gewächshaus. 1962 konnte das sanierte Hauptgebäude, das sogenannte „Landhaus“ als kombiniertes Tier-und Pflanzenschauhaus wiedereröffnet werden, im April 1967 wurde an der Stelle des zerstörten Maurischen Festsaals das neue Aquarium eröffnet. Es war eines der größten Aquarienhäuser weltweit und damals wohl das modernste. Mit einem Schlag war die Wilhelma in der Welt der Zoos anerkannt. 1968 folgten das Raubtierhaus, das Elefanten-Nashornhaus und das Haus für Flusspferde.

Als Albert Schöchle zum 1. April 1970 als Wilhelmadirektor in den Ruhestand verabschiedet wurde, hinterließ er in Stuttgart ein gewaltiges Lebenswerk, einen der damals modernsten Zoos in Deutschland und den einzigen zoologisch-botanischen Garten in Europa.

Zu allen Aufgaben in Stuttgart hatte man Albert Schöchle schon 1947 die Leitung des ziemlich heruntergekommenen Schlossparks in Ludwigsburg übertragen. Mit Ausrichtung der Bundesgartenschau 1954 sanierte er diesen Garten auf einen Schlag. Um auch Familien dauerhaft an das „Blühende Barock“ zu binden, schuf er nach einem holländischen Vorbild den am 16. Mai 1959 eröffneten Märchengarten, der bis heute seine Faszination für Kinder nicht verloren hat. Sein zweites „Kind“, das Blühende Barock, leitete er als Geschäftsführer über seine Pensionierung hinaus bis 1975.

Seinen Ruhestand verbrachte Albert Schöchle in seiner Heimatstadt Kempten, wo er den „Köpfhof“ erwarb und bewirtschaftete. Er kultivierte dort noch viele Jahre lang Blaufichten für Bildereisig.

Albert Schöchle bekam für seine großen Leistungen zahlreiche Auszeichnungen: So wurden ihm u.a. das Bundesverdienstkreuz, die Verdienstmedaille des Landes Baden-Württemberg, die Carl-Hausmann-Medaille des Württembergischen Gärtnereiverbandes verliehen. Er war Ehrendoktor der Universität Hohenheim und seit 1990 Ehrenbürger der Stadt Ludwigsburg.

Text: Dieter Jauch
Schlagworte: Stuttgart-Bad Cannstatt, Wissenschaftsfestival
Quellenhinweise:

Staatsarchiv Ludwigsburg 902/20 Bü 569.
Staatsarchiv Ludwigsburg F 215 Bü 602.

Literaturhinweise:

Albert SCHÖCHLE, Das Schlitzohr. Bekenntnisse eines leidenschaftlichen Gärtners und Tierfreunds, Stuttgart 1981.
Albert Schöchle,  https://de.wikipedia.org/wiki/Albert_Schöchle [zuletzt aufgerufen am 02.10.2017].

GND-Identifier: 118609904
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Dieter Jauch, Albert Schöchle (1905-1998), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/dc68823a-8835-4db2-aecf-981f78840958/Albert_Schoechle_%281905-1998%29.html