Der Uffkirchhof in Bad Cannstatt entstand vermutlich um 800 am Schnittpunkt zweier römischer Fernstraßen und wird heute noch als Friedhof genutzt. Er birgt in seiner Mitte eine Kirche, die sogenannte Uffkirche, die bereits 1275 als Filialkirche der Martinskirche auf der Altenburg bezeugt ist und 1494 bei Erhaltung alter romanischer Teile neu erbaut wurde.

Der heutige Uffkirchhof in Bad Cannstatt ist nach dem alten Ort Uffkirchen mit Uffkirche und Friedhof benannt und somit als echter Kirchhof zu bezeichnen. Der Uffkirchhof, der neben dem Steigfriedhof zu den ältesten noch genutzten Friedhöfen in Stuttgart zählt, wurde vermutlich um 800 für die Urpfarrei von Cannstatt rechts des Neckars an der Kreuzung der wichtigsten römischen Straßen des mittleren Neckars zwischen Speyer und Augsburg einerseits und zwischen Straßburg und Regensburg andererseits angelegt. Er ist innerhalb Stuttgarts der einzige Friedhof, der in seiner Mitte eine Kirche birgt.

Der ungefähr 1,5 Hektar große Kirchhof spiegelt insofern die Stadtgeschichte von Cannstatt und Stuttgart wider, als hier bedeutende Persönlichkeiten aus der Zeit des Aufschwungs Cannstatts als Bäderstatt und der Industrialisierung Stuttgarts ihre letzte Ruhestätte fanden. So beherbergt er unter anderem die Gräber des Dichters Ferdinand von Freiligrath (1810-1876) mit der überlebensgroßen Bronzebüste des Bildhauers Adolf Donndorf (1835-1916), die Ruhestätten des Schriftstellers und Journalisten Ludwig Reinhold Walserode (1810-1889), der drei Mediziner Jakob von Heine (1800-1879), Carl von Burckhardt (1818-1888) und Albert von Veiel (1806-1874), des Theologen, Musikschriftstellers und Musikphilosophen Heinrich Adolf Köstlin (1846-1907), des Oberamtsrichters und Dichters Wilhelm Ganzhorn (1818-1880), der beiden Automobilhersteller Gottlieb Daimler (1834-1900) und Wilhelm Maybach (1846-1929), der beiden Schauspieler Oskar Heiler (1908-1995) und Willy Reichert (1896-1973) sowie des Rennfahrers Hermann Lang (1909-1987).

Zur Entstehung des Namens „Uffkirche“ „zu unserer lieben Frau Maria“ in Bad Cannstatt gibt es mit den 2015 erfolgten Forschungen von Horst Hoyer eine neue These, die an dieser Stelle nicht unerwähnt bleiben sollte. Hoyer fand heraus, dass sich im Depot des Württembergischen Landesmuseums ein Relief der aus Vaihingen/Enz stammenden Familie Gremp befindet, das vormals in der Cannstatter Uffkirche zu bestaunen war. Es zeigt vier Gremp‘sche Familienmitglieder, die sich in anbetender Haltung Maria, einem Bischof und dem Hl. Onophrius zuwenden. Eines der Familienmitglieder ist der gleichnamige Onophrius, der 1508 die Ulmer Patriziertochter Agathe Besserer heiratete und die Anbringung des Reliefs in der Uffkirche veranlasste. Durch mehrere Lautverschiebungen könnte sich der einstige Name „Onophriuskirche“ zu „Uffkirche“ entwickelt haben, eine These, die wissenschaftlich in letzter Konsequenz nicht wirklich verifizierbar, aber denkbar ist.

Zur Uffkirche, die zum Großsprengel der als Mutterkirche des gesamten Gebiets bezeichneten Martinskirche auf der Altenburg gehörte und bereits 1275 als deren Filiale bezeugt ist, zählten alle Kirchen des östlichen Neckarufers von Obertürkheim und Uhlbach bis Hofen, einschließlich der Pfarrei Fellbach. All diese Kirchen hingen also von der Uffkirche ab, die heute noch als Friedhofskapelle genutzt wird.

Es handelt sich um eine kleine Chorturmkirche mit hauptsächlich romanischem Kern, der in Teilen in den Neubau der Kirche von 1494 integriert wurde. Diese schlichte spätgotische Kirche, eine flachgedeckte Saalkirche mit quadratischem Chor und darüber errichtetem Chorturm war bis 1506 Stadtpfarrkirche von Cannstatt und wurde 1881-1882 durch einen kleinen Sakristeianbau erweitert. Trotz starker Beschädigungen im Zweiten Weltkrieg wurde die Kirche, die auch heute noch im Wesentlichen die ursprünglichen Formen zeigt, wiederaufgebaut. Der romanische Kern des Außenbaus ist noch anhand des massiven, nach oben hin sich verjüngenden Turmunterbaus zu erkennen, der kleine, weit in die Mauerflucht eingesetzte Rechteckfenster aufweist. Auch im Innenraum ist die Form der rechteckigen Saalkirche noch vorhanden, hat aber nicht wie die Stuttgarter Stiftskirche eine halbrunde Apsis, sondern einen rechteckigen Chor mit dem darüber sich erhebenden Chorturm, dessen noch erkennbare Massivität auf den ursprünglichen Charakter der Kirche als Wehrkirche schließen lässt.

Text: Anette Pelizaeus
Schlagwort: Stuttgart-Bad Cannstatt
Literaturhinweise:

Cannstatter Zeitung/Untertürkheimer Zeitung, 23. Januar 2015, S. 3.
Hansmartin Decker-Hauff, Geschichte der Stadt Stuttgart, Bd. 1, Stuttgart 1966, S. 31-33.
Georg Dehio, Handbuch der Deutschen Kunstdenkmäler Baden-Württemberg I, bearbeitet von Dagmar Zimdars u.a., München/Berlin 1993, S. 24.
Werner Koch/Christopher Koch, Stuttgarter Friedhofsführer. Ein Wegweiser zu Gräbern bekannter Persönlichkeiten, Tübingen 2012, S. 72-85.
Anette Pelizaeus, Die ältesten Kirchen in Stuttgart – Ein Wettstreit um ihre zeitliche Abfolge, in: BWKG 114 (2014), S. 316.
Stuttgart zu Fuß. 20 Stadtteil-Streifzüge durch Geschichte und Gegenwart, hg. von Werner Skrentny/Rolf Schwenker/Sybille Weitz/Ulrich Weitz, Tübingen/Gerlingen 52011, S. 197, 391.

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Anette Pelizaeus, Uffkirchhof Bad Cannstatt, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/daef6967-8443-4f22-b17e-e16bf45460c8/Uffkirchhof_Bad_Cannstatt.html