Giovanni Salucci gehört zu den wichtigsten Architekten Stuttgarts des beginnenden 19. Jahrhunderts. Ausgebildet in Florenz und geprägt von der modernen Architektur Frankreichs schuf er zahlreiche Bauten, die noch heute das Stadtbild prägen.

Giovanni Salucci wurde am 1. Juli 1769 in Florenz als Sohn wohlhabender bürgerlicher Eltern geboren. Er besuchte dort das Collegio di Pistoia und begann 1783 ein Studium der Architektur an der Accademia di Belle Arti. Sein Lehrer war der leitende Architekt des Großherzogtums Toskana, Gaspare Paoletti (1727–1813), dessen Auffassung von Architektur ganz der Lehre und den Bauten von Andrea Palladio (1508–1580) verpflichtet war. Über seine ersten Bauten, die er nach Beendigung seines Studiums in der Toskana realisierte, liegen nur Informationen von seinem Biografen, Giuseppe Ponsi, vor, der 1850 Leben und Werk Saluccis der Nachwelt überlieferte. In den politisch bewegten Jahren in der Toskana während der Koalitionskriege zwischen dem revolutionären Frankreich und den europäischen Machtrivalen verkehrte Salucci in Zirkeln, die der Politik Napoleons nahestanden. Dies führte am 7. November 1797 zu einem Prozess in Florenz, in dem Salucci in Abwesenheit zum Tode verurteilt wurde. Salucci hatte sich bereits ins Ausland abgesetzt und war in die französische Italienarmee eingetreten. Hier war er bis 1816 als Militärarchitekt in verschiedenen Orten Italiens und Frankreichs und auf den Feldzügen Napoleons beschäftigt und lernte wahrscheinlich auch die aktuelle französische Architektur vor allem in Paris kennen.

Wie es zur Berufung Saluccis nach Stuttgart durch König Wilhelm I. im Jahr 1817 kam, ist letztlich nicht ganz eindeutig geklärt. Wahrscheinlich wurde Wilhelm auf ihn durch die Vermittlung eines Genfer Bankiers, Jean Gabriel Eynard, dessen Genfer Stadtpalais Salucci im Jahr 1816 geplant hatte, aufmerksam. Wilhelm und Eynard trafen sich wohl auf dem Wiener Kongress, an dem Eynard als Sekretär des schweizerischen Diplomaten Charles Pictet-de Rochemont teilnahm. Salucci war Napoleon bis zur Niederlage in Waterloo treu geblieben und dann in englische Kriegsgefangenschaft geraten. Nach seiner Freilassung ging er in die Schweiz, um zu seinem „divertimento“ (Vergnügen) Veduten der schönen schweizerischen Landschaft zu zeichnen. Dabei sei Eynard auf ihn aufmerksam geworden und beauftragte ihn mit dem Bau seines Stadtpalais.

König Wilhelm I., der am 30. Oktober 1816 nach dem Tod seines Vaters König Friedrich I. inthronisiert worden war, organisierte das Bauwesen des jungen Königsreichs völlig neu. Die alten Kräfte – Nikolaus Friedrich von Thouret, Gottlob Georg Barth und Ferdinand Fischer – wurden in untergeordneter Position weiterbeschäftigt, Salucci zum „premier architecte du Roy“ ernannt. Zunächst mit diversen Planungen – Stadttore, Kasernen, Hospital, Theater, Sommerschloss – beauftragt, erhielt Salucci bald auch Gelegenheit zu eigenen Bauten. Im Frühjahr 1818 begannen die Bauarbeiten in Weil – heute ein Stadtteil von Esslingen –, wo Salucci einen Königlichen Pavillon für sommerliche Aufenthalte und ein großes Gestüt geplant hatte. Bei diesen Bauten bewies er sein Geschick, italienische Architektursprache im Stile Palladios mit den neuesten Errungenschaften der französischen Architektur zu verbinden und eine eigenständige Formensprache zu entwickeln. In den frühen Bauten spiegelt sich die rationale Architekturlehre des bedeutenden französischen Architekten Jean-Nicolas-Louis Durand ebenso wider wie die der Empire-Architektur und Dekorationen der Architekten Napoleons, Charles Percier und Pierre-François-Léonard Fontaine.

Nach dem Tod Königin Katharinas am 9. Januar 1819 lud König Wilhelm verschiedene Architekten zu Entwürfen für eine Grabkapelle der Königin ein. Salucci konnte den Wettbewerb für sich entscheiden, musste jedoch sein zu Beginn sehr groß gedachtes Projekt immer weiter reduzieren. Dennoch gehört die Grabkapelle auf dem Rotenberg, die an der Stelle der alten Stammburg des Hauses Württemberg gebaut wurde, zu den bedeutenden Projekten Saluccis und zu den wichtigen klassizistischen Bauten Deutschlands. Der von 1820 bis 1824 ausgeführte Bau ist von stattlicher Größe und dominiert den Rotenberg. Gruft und Kapellenraum des als orthodoxe Kirche dienenden Baus bestechen durch ihre architektonische Qualität. Der Innenraum ist nach dem Vorbild des Pantheons in Rom, das Salucci freilich frei interpretierte, gestaltet, wobei das dort offene Opaion, die Öffnung am höchsten Punkt der Kuppel, hier durch eine Glas-Eisen-Konstruktion geschlossen ist. Am Außenbau reduzierte Salucci gegenüber den ersten Entwürfen den Säulenkranz zu vier Portiken, wodurch der Bau der Villa Rotonda Palladios ähnelt und sich erst auf den zweiten Blick als Kirche zu erkennen gibt.

Von vergleichbarer architektonischer Qualität wie die Kapelle auf dem Rotenberg ist die wesentlich kleinere Grabkapelle Benckendorff, die Salucci 1823 im Auftrag des kaiserlich-russischen Gesandten am württembergischen Hof, Constantin von Benckendorff, für dessen am 4. Januar 1823 jung verstorbene Frau Natalia, auf dem Heslacher Friedhof baute.

In den Jahren 1817/18 hatte Salucci auf Wunsch Königin Katharinas mit den Planungen für ein Sommerschloss (Landhaus Rosenstein) begonnen, die nach dem Tod der Königin erst 1824 wieder aufgenommen wurden, nachdem weitere Architekten aus Paris, St. Petersburg, London und Rom eingeschaltet und zum Einreichen von Entwürfen aufgefordert worden waren. Nach verschiedenen Varianten entschied sich der König für Saluccis Entwurf einer axialsymmetrischen Anlage mit einem mittig angeordneten Saal, zu dem beidseitig Portiken mit ionischen Säulen einleiten. Wieder steht hier das Vorbild italienischer Villen im Vordergrund und die Säulenportiken geben dem Bauwerk ein mediterranes Aussehen. 1829 war das Landhaus vollendet und mit weiteren Bauten – Torhäusern, Officiengebäuden – im Rosensteinpark komplettiert worden.

Zwischen 1817/18 und den frühen 1830er Jahren war Salucci intensiv mit zwei Projekten in der Innenstadt beschäftigt, die er jedoch nicht verwirklichen konnte: Zum einen ein Theater gegenüber dem Schloss anstelle des späteren Königsbaus, zum anderen ein Bazar-Gebäude, für das sein Konkurrent Thouret den Zuschlag erhielt und dieses 1834–1837 erbaute.

Realisieren konnte Salucci hingegen das Prinzessinnenpalais an der Neckarstraße –das spätere Wilhelmspalais an der heutigen Konrad-Adenauer-Straße. Bereits 1827 plante der König ein Palais an diesem Ort im Zuge des Ausbaus der Neckarstraße, die sich im Laufe seiner Regierungszeit zu einer Prachtstraße mit vielen öffentlichen Gebäuden entwickelte. 1834 schließlich wurde der Grundstein zum Palais, in das die Prinzessinnen Marie und Sophie einziehen sollten, gelegt. Der Bau ist an einem strengen Raster ausgerichtet. Das Innere wie der Außenbau konzentrieren sich auf die axialsymmetrische Anlage mit dem zwei Vollgeschosse einnehmenden mittig angeordneten Saal. Auch die Dekorationssprache Saluccis ist reduziert, sachlich und nüchtern.

Das letzte von Salucci in Stuttgart errichtete Bauwerk war das 1837 vollendete und 1958 wegen des Neubaus des Landtages und der Verbreiterung der Neckarstraße gesprengte Königliche Reithaus. Der mit hohen rundbogigen Fenstern gegliederte und mit einem Satteldach gedeckte Bau war bis auf eine Rustizierung des Erdgeschosses und der Ecken sehr nüchtern als Funktionsgebäude gehalten.

Salucci hatte während seiner ganzen Zeit in Stuttgart viele Schwierigkeiten mit der örtlichen Bauverwaltung zu bestehen und sich selbst mehrfach in finanzielle Schwierigkeiten gebracht; dank des Rückhaltes durch den König wurde er aber weiterbeschäftigt. Als jedoch 1839 im Landhaus Rosenstein der Hausschwamm entdeckt wurde und nachweislich war, dass Salucci wichtige bauphysikalische Probleme nicht erkannt oder ignoriert hatte, wurde er suspendiert. 1845, nachdem er fünf Jahre wieder in Florenz gelebt und in Erbsachen vergeblich prozessiert hatte, starb er vereinsamt und verarmt. Freunde setzten ihm einen Grabstein im Dominikanerkloster San Marco; 1850 schrieb Giuseppe Ponsi die Lebensbeschreibung Saluccis.

Text: Klaus Jan Philipp
Schlagworte: Stuttgart-Bad Cannstatt, Stuttgart-Untertürkheim, Stuttgart-Süd
Literaturhinweise:

Giuseppe Ponsi, Memorie della vita e delle opere di Giovanni Salucci Fiorentino, Firenze 1850 (davon Übersetzung: Giovanni Salucci in den Beschreibungen eines Freundes = Giovanni Salucci nelle descrizioni di un amico, hg. von Bruno Zoratto, Stuttgart 1998).
Giovanni Salucci 1769–1845. Hofbaumeister König Wilhelms I. von Württemberg 1817–1839, Ostfildern-Ruit 1995.
Wilhelm Speidel, Giovanni Salucci, der erste Hofbaumeister König Wilhelms I. von Württemberg. Sein Leben und Schaffen bis zum Ausscheiden aus dem Hofdienst im Jahre 1828, Stuttgart 1936.

GND-Identifier: 119231255
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Klaus Jan Philipp, Giovanni Salucci (1769-1845), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/d192e85c-d7db-46a3-941f-6af0f8deefb9/Giovanni_Salucci_%281769-1845%29.html