Das erste Schulhaus im alten Stuttgarter Weiler Gablenberg entstand 1836/37. Es wurde mehrfach umgebaut und erweitert. Das Alte Schulhaus wuchs so zum dominierenden Bauwerk am Südrand des Fleckens heran. Heute beherbergt es MUSE-O, das Stadtbezirksmuseum des Stuttgarter Ostens.

Gablenberg gehörte, wie Heslach, im 19. Jahrhundert als Weiler zu Stuttgart. Das Kataster von 1839 verzeichnet 132 Wohnhäuser und 77 Wirtschaftsgebäude, dazu vier öffentliche Gebäude: darunter außer der Kirche auch das zu diesem Zeitpunkt gerade neue Schulhaus. Hier lebten etwas mehr als 1.000 Menschen, die meisten eher ärmlich, vom Weinbau.

170 der Einwohner waren im Jahre 1830 schulpflichtige Kinder. Bis ins 19. Jahrhundert hinein unterrichtete sie der Schulmeister in seinem eigenen Haus oder in wechselnden angemieteten, auf jeden Fall aber ungeeigneten Räumen. Der Bau eines eigenen Schulhauses wurde immer dringlicher. 1835 kaufte die Stadt endlich ein sieben Ar großes Grundstück am südlichen Ende des Dorfes und ließ darauf 1836/37 ein zweigeschossiges Schulhaus erbauen. Das verputzte Fachwerkgebäude erhob sich über einem massiven steinernen Sockel. Im Erdgeschoss gab es einen großen, beheizbaren Schulraum für bis zu 70 Kinder, gegenüber befand sich die Lehrerwohnung mit zwei Zimmern, einer Kammer und der Küche. Das obere Stockwerk nahmen zwei Klassenzimmer ein, im Dachgeschoss befanden sich neben einem Notschulraum eine heizbare Kammer für den Unterlehrer und eine unbeheizte für den Provisor, d.h. den Hilfslehrer. Die Toiletten waren in einem eigenen kleinen Gebäude im Hof untergebracht.

Der Eingang lag auf der Seite zur Hauptstraße. Diese Hauptfassade war streng symmetrisch aufgebaut und zeigte feine klassizistische Anklänge – mit Rundbogenfenstern und drei kleinen runden Öffnungen im Giebelfeld. Die Ähnlichkeit mit dem zur fast gleichen Zeit erbauten Möhringer Rathaus (1836/37) und dem nur wenig späteren dortigen Schulhaus (1848) sind verblüffend. Die Eröffnung des Gablenberger Schulhauses feierte man am 22. November 1837.

Der Flecken entwickelte sich in der Folgezeit dynamisch. 1873 gab es hier schon 279 schulpflichtige Kinder. Die Stadt ließ deshalb das Schulhaus um eine Etage aufstocken. Das brachte zwei neue Klassenzimmer; zudem zog der Lehrer ins Dachgeschoss, und seine ehemalige Wohnung wurde zu einem weiteren Schulsaal. So erhielt das Gebäude seinen fast turmartigen Charakter. Auch der Bau der Neuen Schule am Ort der heutigen Grund- und Werkrealschule Gablenberg auf dem Eckgrundstück Haupt-/Pflasteräckerstraße brachte keine endgültige Lösung der Schulraumprobleme. 1901 musste das Alte Schulhaus erneut umgebaut werden. Der Eingang wanderte an die Nordseite, die Gänge im Inneren wurden den Schulräumen zugeschlagen, die Wohn- und Arbeitsräume des Lehrers günstiger angeordnet.

Den Platz vor der Schule, den heutigen Schmalzmarkt, ließ der hiesige NSDAP-Ortsgruppenleiter 1935 als Aufmarschplatz anlegen. Dafür wurden einige alte Gebäude abgerissen. Den Ostrand des Platzes bildete das neu erbaute „Haus der Volkstreue“, heute „Volkshaus“, in dem die örtlichen NS-Dienststellen untergebracht waren. Ein HJ-Brunnen „schmückte“ das Ensemble. Nachdem die Kinder während des Zweiten Weltkrieges im Herbst 1943 evakuiert worden waren, zog in die Alte Schule die „Nationalsozialistische Volkswohlfahrt“ ein, die sich insbesondere um Fliegergeschädigte zu kümmern hatte. Im Februar und März 1944 wurde auch das Schulhaus durch Bomben beschädigt, aber unmittelbar nach dem Kriege wieder instandgesetzt. Ab 1947 haben dann hier wieder Lehrkräfte ihre Schülerinnen und Schüler unterrichtet.

Nach Vollendung der Fuchsrainschule 1974 verließ die Grundschule das Gebäude, es folgten jahrzehntelange Zwischennutzungen und Leerstände. Wegen der zahlreichen Umbauten stand und steht das Haus nicht unter Denkmalschutz. Im Jahre 2001 übernahm MUSE-O, der 1998 gegründete Museumsverein Stuttgart-Ost, das ortsbildprägende Gebäude von der Stadt und sanierte es mit deren Hilfe. Es wurde am 7. Mai 2005 wiedereröffnet. Das Erdgeschoss beherbergt das Museumscafé, im Raum 1 finden verschiedene Veranstaltungen statt. Auf rund 100 Quadratmetern Fläche zeigt der Verein im 1. Stock drei bis vier Wechselausstellungen pro Jahr, meist zur Lokalgeschichte des Stuttgarter Ostens, gelegentlich auch zu allgemeinen kulturgeschichtlichen Themen. Die „Vereinsräume“ im 2. Obergeschoss werden von unterschiedlichsten Initiativen, Gruppen und Einzelpersonen genutzt.

Text: Ulrich Gohl
Schlagwort: Stuttgart-Ost
Literaturhinweise:

Elmar Blessing, Die Gablenberger Schulen, in: Schule in Gablenberg, hg. von Ulrich Gohl, Stuttgart 2005, S. 5-24.
Ulrich Gohl, MUSE-O-Chronik, in: Schule in Gablenberg, hg. von Ulrich Gohl, Stuttgart 2005, S. 85-91.
Julie Langenstein, Gablenberg. Beiträge zur Heimatkunde, Stuttgart 1998.
Bernd Langner, Anmerkungen zum Alten Gablenberger Schulhaus, in: Schule in Gablenberg, hg. von Ulrich Gohl, Stuttgart 2005, S. 35-43.
http://www.muse-o.de/geschichte-s-ost/stadtteil-gablenberg/ [zuletzt aufgerufen am 28.09.2017].

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Ulrich Gohl, Altes Schulhaus Gablenberg, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/c228b5e1-4930-458f-8630-13a9e43d36dc/Altes_Schulhaus_Gablenberg.html