Der völkische Autor Dr. jur. Georg Schmückle schrieb nicht nur Romane, Gedichte und Dramen, sondern spielte als Gaukulturwart und kultureller Berater des Reichsstatthalters Murr zwischen 1933 und 1941 eine wichtige Rolle in der Kulturpolitik in Stuttgart.

Der Jurist Dr. Georg Schmückle (1880-1948) wurde 1917 in der württembergischen Justizverwaltung als Staatsanwalt eingestellt. Er nahm am Ersten Weltkrieg zunächst als Hauptmann der Reserve in Frankreich teil, 1918 wertete er im Kriegsarchiv Erfahrungsberichte schwäbischer Truppenteile aus. 1919 gründete er mit Hermann Missenharter und Hans Heinrich Ehrler die Zeitschrift „Der Schwäbische Bund. Eine Monatsschrift aus Oberdeutschland“. Als Herausgeber bezog er rechte Positionen, die mit schwäbischem Patriotismus vermengt waren. Dort publizierte er eigene Gedichte, aber auch Beiträge von Hermann Hesse und Theodor Heuss.

Durch die Heirat mit Lucie Schönhuth (1894-1985), deren Familie die 1870 gegründete Schrauben- und Mutterfabrik W. Schönhuth in Cannstatt besaß, war er finanziell unabhängig geworden. Er schied deshalb zum 31. Januar 1921 auf eigenen Wunsch aus dem Staatsdienst aus. Das Ehepaar Schmückle lebte in der Taubenheimstraße 12 in Cannstatt; dort befand sich auch der Firmensitz. In den folgenden Jahren leitete er diese Firma. Zugleich schrieb er zahlreiche Gedichte, Schauspiele und historische Romane. Am populärsten wurde der völkische Bauernroman „Engel Hiltensperger“ mit Dialogen im schwäbischen Dialekt, der 1930 erstmals erschien. Schmückle, Sohn eines Hoteliers, führte seine Ahnengalerie auf einen Anführer im Bauernkrieg zurück, sodass er sich mit diesem Stoff stark identifizierte. In seinen Werken propagierte er reaktionäre völkische Gedanken und das „Führerprinzip“.

Im Januar 1924 wurde im Württembergischen Landestheater „Dantons Tod“ von Georg Büchner aufgeführt; während der Aufführung wurden die französische Trikolore gezeigt und die Marseillaise gesungen. Georg Schmückle, der immerhin ein Dolmetscher-Examen in Französisch hatte, protestierte während der Vorstellung gegen die vermeintliche Verherrlichung der französischen Nation. In einem offenen Brief an den Intendanten warf er diesem vor, die „nationale Ehre“ verletzt zu haben. Er verwies auf die Ruhrbesetzung durch Frankreich und monierte, dass die Aufführung einen Tag nach der Reichsgründungsfeier stattgefunden habe. Es kam zu einer Anklage wegen Beleidigung, bei der das Kultministerium und der Intendant als Nebenkläger auftraten. Das Gerichtsverfahren endete in letzter Instanz mit einem Freispruch für Schmückle. In seinen Memoiren verklärte Schmückle diesen Vorfall und behauptete, er sei deswegen aus dem Staatsdienst entlassen worden: Tatsächlich geschah dies Jahre zuvor auf eigenen Wunsch. Im Frühjahr 1931 trat er schließlich der NSDAP bei und wurde Landesleiter des „Kampfbundes für deutsche Kultur“.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten wurde Wilhelm Murr (1888-1945), der wie Schmückle aus Esslingen stammte, am 15. März 1933 vom Landtag zum württembergischen Staatspräsidenten gewählt; zugleich übernahm er das Wirtschafts- und das Innenressort und war damit zuständig für die massive und brutale Verfolgung politischer Gegner. Am 6. Mai 1933 wurde er zum Reichsstatthalter ernannt. Murr hatte vor 1933 im Lager der Schraubenfabrik Schönhuth in Cannstatt gearbeitet; vermutlich kannten sich beide Protagonisten aus dieser Zeit.

Die Seilschaft Murr-Schmückle führte zu einer steilen Karriere und zahlreichen Ehrungen Schmückles. Er wurde am 1. August 1933 als Hilfsstaatsanwalt eingestellt und sogleich in das Beamtenverhältnis berufen; dabei spielte der Hinweis, dass er ein „Alter Kämpfer“ sei, eine gewichtige Rolle. Ein Jahr später wurde er zum Staatsanwalt befördert. Tatsächlich war er jedoch nicht im Justizdienst tätig, sondern als persönlicher Berater des Reichsstatthalters in kulturpolitischen Fragen.

Von 1933 bis 1937 war Schmückle Gaukulturwart der NSDAP für Württemberg-Hohenzollern sowie Landesleiter der Reichsschrifttumskammer. In dieser Funktion kontrollierte er alle literarischen Erzeugnisse. Sein Dienstzimmer lag im Dachgeschoss des Neuen Schlosses, unmittelbar neben den Büros der Museumsdirektoren.

Zahlreiche Ehrungen wurden ihm in den 1930er Jahren zuteil: 1934 erhielt er von Propagandaminister Joseph Goebbels die „Dichternadel“ und wurde von ihm in den „Dichterkreis“ berufen. 1935 wurde er zusammen mit Gerhard Schumann erster Träger des Schwäbischen Dichterpreises. Sein Versuch, im selben Jahr Direktor des Landesmuseums in Stuttgart zu werden, scheiterte jedoch am Widerstand des Kultministers Mergenthaler, der ein Widersacher Murrs war. 1935 wurde Schmückle Ehrenbürger von Strümpfelbach, 1936 Ehrenbürger der Stadt Esslingen und erhielt 1937 die Verdienstplakette der Stadt Schwäbisch-Gmünd.

Von seinen Posten als Gaukulturwart und Landesleiter der Reichsschrifttumskammer trat er 1937 zurück, führte aber seine Tätigkeit als kultureller Referent des Reichsstatthalters fort. Zugleich wechselte er zur württembergischen Innenverwaltung und wurde pro forma zum Regierungsrat ernannt. Murr, der 1939 die Schirmherrschaft über das Schiller-Nationalmuseum übernommen hatte, ernannte Schmückle im selben Jahr zum Direktor des Schiller-Nationalmuseums und zum Vorsitzenden des Schwäbischen Schillervereins in Marbach für zehn Jahre.

Zu seinem 60. Geburtstag überreichte ihm Murr 1940 die von Adolf Hitler verliehene Goethe-Medaille für Kunst und Wissenschaft. Bei der Geburtstagsfeier, die von der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ veranstaltet wurde, war der Richter, der ihn seinerzeit wegen Beleidigung des Intendanten freigesprochen hatte, Ehrengast. Im selben Jahr erschienen auch seine gesammelten Werke in sechs Bänden. Dagegen wurde sein Wunsch, die Taubenheimstraße in Schmückle-Straße umzubenennen, von der Stadt Stuttgart abgelehnt. Die Ehrungen durch Staat und Partei bzw. das öffentliche Ansehen wirkten sich positiv auf die Rezeption seiner Werke aus: 1944 erreichte der völkische Bauernroman „Engel Hiltensperger“ eine Auflage von über 120.000 Exemplaren. Eine Bühnenbearbeitung wurde 1935/36 über drei Spielzeiten in 18 Aufführungen gezeigt. Ein weiteres Bühnenwerk, das Drama „Heinrich IV.“, wurde 50-mal vor ausverkauftem Haus gezeigt. Dazu trugen vor allem die guten Beziehungen zur Organisation „Kraft durch Freude“ bei, die ihm die erforderlichen Besucherzahlen bzw. Aufführungen durch die garantierte Abnahme von Eintrittskarten sicherten.

1941 wurde Schmückle auf eigenen Wunsch in den Ruhestand versetzt, wobei ihm auf Weisung Murrs die Jahre von 1921 bis 1933 als freier Autor als ruhegehaltsfähige Dienstzeit nachträglich angerechnet wurden.

Georg Schmückle war nicht nur ein nationalsozialistischer Ideologe, sondern sammelte auch schwäbische Impressionisten. Er besaß 125 Gemälde und Zeichnungen schwäbischer Künstler um 1900. Von Christian Landenberger (1862-1927), mit dem er befreundet war, erwarb und erbte er zahlreiche Kunstwerke. Seine Sammlung wurde während des Zweiten Weltkrieges im Salzbergwerk Kochendorf ausgelagert und nach 1945 vom amerikanischen Kunstschutz wegen der politischen Belastung Schmückles beschlagnahmt und in den Wiesbadener Collecting Point gebracht. Erst nach seinem Tod 1948 wurde die Sammlung freigegeben; seine Witwe verkaufte sie zum Teil an die Staatsgalerie Stuttgart, zum Teil an das Kunstmuseum Stuttgart.

Schmückle nutzte seine Stellung als Gaukulturwart, um sich bei hohen NS-Funktionären beliebt zu machen. 1939/40 erbat sich Hermann Göring von den Württembergischen Kunstsammlungen ein wertvolles Gemälde aus dem 15. Jahrhundert für seine Privatsammlung. Es handelte sich um den „Zug der Heiligen drei Könige“ von Hans Multscher, der heute dem Meister des Sterzinger Altars zugeschrieben wird. Das Bild stammte ursprünglich aus dem Frauenkloster Heiligkreuztal und war 1859 vom württembergischen König erworben worden. Dieses Gemälde eines schwäbischen Künstlers war in der NS-Zeit häufig publiziert worden und hatte vielleicht dadurch die Aufmerksamkeit Görings und seiner Kunstberater erregt. Ein persönlicher Besuch Görings in diesem Museum ist nicht nachweisbar. Der Direktor der Kunstsammlung, Heinz Braune, verwahrte sich gegen diesen Übergriff und versteckte das Bild in einem Depot; dabei erhielt er ausdrücklich Rückendeckung von Kultminister Mergenthaler. Dieser stand bekanntlich in scharfer Konkurrenz zu Murr, der mit der Hilfe Schmückles diese „Schenkung“ erzwang. Das Gemälde wurde am 5. März 1940 aus dem Depot in Schloss Taxis von Georg Schmückle herausgesucht und in einem Krankenwagen nach Karinhall, dem Landsitz Görings, gebracht; dort überreichte Schmückle das Gemälde mit einer tiefen Verbeugung. Es wurde 1945 in einem Depot in Berchtesgaden wieder aufgefunden und 1946 an die Staatsgalerie Stuttgart restituiert; es hängt heute in der Ständigen Sammlung.

Auch Heinrich Himmler, der das Württembergische Landesmuseum heimlich besucht hatte und sich sehr für die dort lagernden prähistorischen Objekte interessierte, erhielt aus Stuttgart ein Bronzeschwert aus einem Bodenfund in Marbach und einen Goldreif aus dem Grabhügel von Baisingen von Georg Schmückle als Geschenk.

Andererseits setzte sich Schmückle für den Erhalt der beiden Schlösser in Stuttgart ein. Werner Fleischhauer, ein Zeitgenosse und Mitarbeiter des Landesmuseums Württemberg, berichtete in seinen unveröffentlichten Erinnerungen, dass die SS im April 1937 versuchte, das Neue Schloss für sich zu beanspruchen. Dazu sollten auch massive Eingriffe in den repräsentativen Räumen vorgenommen werden, d.h. eine Treppe für die SS durch den Großen Marmorsaal ins Dachgeschoss gezogen werden. Schmückle setzte sich vehement dafür ein, dass die Museumsmitarbeiter – und er selbst – ihre Räume behalten konnten. Auch Umbauten im Alten Schloss nach Plänen des Architekten Paul Schmitthenner wollte er verhindern. Beide Streitfälle wurden über den Reichsstatthalter Murr an Adolf Hitler herangetragen, der daraufhin seinen Lieblingsarchitekten Albert Speer zur Begutachtung schickte. Letzten Endes war alle Mühe um die Bausubstanz vergebens: Beide Schlösser wurden durch Luftangriffe der Alliierten 1944 massiv beschädigt.

Text: Anja Heuß
Schlagwort: Stuttgart-Bad Cannstatt
Quellenhinweise:

Deutsches Literaturarchiv Marbach A: Schmückle, Georg.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 2/150 Bü 1510.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart EA 3/201 Bü 151.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart Q 2/21 Bü 103-104.
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 902/20 Bü 79996.
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 230 I Bü 15.

Literaturhinweise:

Georgia Hauber, Georg Schmückle, in: Von Weimar bis Bonn, Esslingen 1919-1949, hg. von der Stadt Esslingen a. N., Esslingen 1991, hier: S. 475 f.
Roland Müller, Stuttgart zur Zeit des Nationalsozialismus, Stuttgart 1988.
Georg Schmückle, Mein Leben. Eine Plauderei vom Werdegang eines Dichters, Berlin 1936.
Robert Silbereisen/Hans Heinrich Ehler/Alexander Eisenmann/Theodor Schultze-Etzel, Schwäbische Kunde aus dem großen Krieg, bearbeitet von Georg Schmückle, hg. vom Württembergischen Kriegsministerium, Stuttgart/Berlin 1918.

GND-Identifier: 116816791
Publiziert am: 23.06.2021
Empfohlene Zitierweise:
Anja Heuß, Georg Schmückle (1880-1948), publiziert am 23.06.2021 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/b8228116-23e4-4ff3-8ea8-bf7601932941/Georg_Schmueckle_%281880-1948%29.html