Bodo Rasch verbrachte seine gesamten Schaffensjahre in Stuttgart, seiner zweiten Heimat. Insbesondere als Netzwerker und als Ideen- und Impulsgeber setzte er sich zeitlebens für die architektonische und städtebauliche Entwicklung der Stadt ein.

Bodo Rasch wurde 1903 als zweites von vier Kindern der Eheleute Konrad August Eberhard Bodewin Rasch (1867-1918) und dessen Frau Marie Louise Wilhelmine (1878-1961), geb. Schmithals, in Elberfeld bei Wuppertal geboren. 1922 zog er, nachdem er einige Jahren in diversen landwirtschaftlichen Betrieben gearbeitet hatte, für ein Studium der Agrarwissenschaften an der Universität Hohenheim nach Stuttgart. Er folgte damit seinem älteren Bruder Heinz, der seit 1921 an der Technischen Hochschule Stuttgart Architektur studierte. Bodo Rasch konnte seinem Wunsch, ebenfalls ein Architekturstudium zu beginnen, hingegen nicht nachgehen. Das Interesse am Bauwesen blieb jedoch bestehen, so half er nach seinem Abschluss zum Diplomlandwirt im Jahr 1925/26 seinem Bruder Heinz bei der Fertigstellung von dessen Diplomarbeit. 1926 gründeten die Brüder das Bauatelier „Brüder Rasch Hochbau, Möbelbau, Werbebau“ in Stuttgart und teilten sich fortan für vier Jahre ein gemeinsames Wohnatelier. In dieser Zeit erstellten sie vor allem Entwürfe, von denen zwar nur wenige realisiert wurden, die aber häufig die Aufmerksamkeit der Fachwelt auf sich zogen. Besonders hervorzuheben sind in diesem Zusammenhang die Hängehaus-Entwürfe, die 1927 in der Publikation „Wie bauen?“ dem interessierten Fachpublikum vorgestellt wurden.

Rasch pflegte zu dieser Zeit enge Kontakte zur Stuttgarter Avantgarde- und Linksintellektuellen-Szene, die im Haus des Kunstgeschichtsprofessors Hans Hildebrandt regelmäßig zusammenkam. Neben Hans und Lily Hildebrandt trafen sich hier u.a. Künstler wie Wassily Kandinsky, Fernand Léger, Walter Gropius, Adolf Hölzel, Ida Kerkovius und Oskar Schlemmer. Rasch gehörte zudem zum Kreis um den Architekten Richard Döcker. An diesen Treffen nahmen neben Rasch auch Willi Baumeister, Franz Krause, Richard Herre und Alfred Roth teil. Zur Zeit des Baus der Weißenhofsiedlung waren auch Le Corbusier, Mart Stam und Ludwig Mies van der Rohe bei den Treffen zugegen. Mies van der Rohe nutzte 1926 und 1927 das Wohnatelier der Brüder Rasch für seine Planungen zur Werkbundausstellung, an denen die Brüder aktiv mitwirkten.

1930 entschieden sich die Brüder Rasch aufgrund persönlicher Unstimmigkeiten und wirtschaftlicher Probleme für die Auflösung des gemeinsamen Ateliers und eine getrennte berufliche Zukunft.

Bodo Rasch blieb in Stuttgart und versuchte, sich trotz der durch die Weltwirtschaftskrise bedingten Massenarbeitslosigkeit im Berufsfeld der Architektur unabhängig von seinem Bruder zu etablieren. Die Tatsache, dass Bodo Rasch kein studierter Architekt war, stellte kein Problem dar, da die Architekturausbildung zu jener Zeit nicht normiert und die Berufsbezeichnung selbst nicht geschützt war.

1931 war Rasch der Impulsgeber der als Pendant zur Weißenhofsiedlung konzipierten Kochenhofsiedlung: Seine Idee entstand im Zuge einer Veranstaltung des KPD-nahen „Club der Geistesarbeiter“. Er schlug vor, auf dem Kochenhofgelände in Zusammenarbeit mit der Württembergischen Forstdirektion eine Holzhausmustersiedlung zu errichten, um die herrschende Wohnungsnot in den Griff zu bekommen. Nachdem Rasch sowohl den Baubürgermeister Daniel Sigloch als auch den Präsidenten der Württembergischen Forstdirektion von seiner Idee überzeugen konnte, trat die Stadt Stuttgart 1932 an den Deutschen Werkbund bezüglich einer Schirmherrschaft heran. Nach den veränderten Machtverhältnissen 1933 bekam Paul Schmitthenner die Verantwortung über die Siedlung zugesprochen, unter dessen Leitung sie zu einer nationalsozialistischen Propagandasiedlung avancierte – ohne Mitwirkung Raschs.

Während der NS-Herrschaft galt der bis dato bekennende Kommunist Rasch, nicht zuletzt aufgrund seiner Mitgliedschaft im „Club der Geistesarbeiter“ und als Publizist einer linksintellektuellen Kunstzeitschrift, als Kulturbolschewist und wurde nach eigener Aussage mit Berufsverbot belegt. Auch der Eintritt in die Reichskammer der Bildenden Künste blieb ihm zunächst verwehrt. Dies hing nicht zuletzt mit der Schutzhaft zusammen, in die Rasch im September/Oktober 1933 gekommen war. Nach fünf Tagen im Gefängnis in der Stuttgarter Büchsenstraße wurde er zwar wieder entlassen, hatte aber mit den Nachwirkungen noch einige Monate zu kämpfen. Dem Nachlass Raschs lässt sich entnehmen, dass er dennoch in den 1930er Jahren einige Projekte im Großraum Stuttgart verwirklichen konnte. 1935 folgte schließlich der Eintritt in die Reichskammer der Bildenden Künste, obgleich er zu diesem Zeitpunkt noch „nichtarische“ Mitarbeiter in seinem Büro beschäftigte.

Zunächst verwirklichte Rasch kleine, konventionelle Projekte wie Geschäftshäuser für die Cottahaus A.G. auf der Stuttgarter Königstraße 40 und 42 im Jahr 1935 sowie zwei dreigeschossige Doppelhäuser in Stuttgart-Feuerbach (Ludwigsburger Straße 2-4 und 6-8), zwischen 1937 und 1939 folgten weitere Bauten u.a. in Rohracker (Filderblickweg 26) und in Stuttgart-Feuerbach (Heilbronner Straße 420, 422, 424). Daneben entstanden zu jener Zeit noch zahlreiche Entwürfe, die nicht über den Status der Planung hinauskamen. Hierzu zählen fortschrittliche bis utopische Entwürfe wie sein „Raum für veränderbare Akustik“, seine „Stadt unter einem Dach“ und seine „Transportablen Gebäude aus luftgefüllten Zellen“.

Unmittelbar nach Ausbruch des Zweiten Weltkriegs wurde Rasch eingezogen. Während eines Fronturlaubs im September 1940 heiratete er seine zweite Ehefrau, die Malerin und Graphikerin Lilo Nägele. Nur wenige Wochen zuvor war er von seiner ersten Ehefrau Hanne Bauer, die bis 1930 als Sekretärin im Atelier der Brüder Rasch gearbeitet hatte, geschieden worden. Lilo Rasch-Nägele war ihrerseits stark mit der Stuttgarter Kunstszene verbunden, so partizipierte sie als eine von nur wenigen Frauen regelmäßig am Künstlertreff „Bubenbad“, der sich um den Maler Willi Baumeister versammelt hatte. Weitere Teilnehmer dieser Treffen, an denen vermutlich auch Bodo Rasch teilnahm, waren u.a. das Ehepaar Hildebrandt, die Maler Alfred Eichhorn, Cuno Fischer und Peter Jakob Schober, der Fotograf Adolf Lazi und der Produktgestalter Wilhelm Wagenfeld.

Rasch war bis zu seiner Gefangennahme durch die Franzosen Ende März 1945 im Kriegseinsatz. Im Februar 1946 gelang ihm die Flucht aus der Kriegsgefangenschaft. Unmittelbar nach seiner Rückkehr nach Stuttgart 1946 und nach vollständiger Entlastung im Zuge des Entnazifizierungsverfahrens versuchte Rasch, seine Tätigkeit als Architekt wiederaufzunehmen. Er setzte sich vehement für den Erhalt des Kronprinzenpalais ein und arbeitete einen eigenen Entwurf zur alternativen Gestaltung des Areals aus. Er schlug vor, in das Palais entlang der Fürstenstraße Arkaden einzubauen, um den Fußgängern genügend Raum zu bieten. Durch diese vergleichsweise kleine Maßnahme hätte die Planie anders geführt und das Kronprinzenpalais erhalten werden können. Auch die Grünanlagen am Schlossplatz hätte Rasch anders gestaltet, da sie seines Erachtens nicht räumlich und architektonisch, sondern mit der Reißschiene entworfen worden seien, was dem Gesamteindruck des Areals schade. Trotz der Bemühungen Raschs und zahlreicher anderer namhafter Architekten wurde das Kronprinzenpalais 1963 abgerissen.

Eines seiner ersten Projekte nach dem Krieg war, nach Raschs eigener Aussage, die Wiederherstellung des Hauses Willi Baumeisters in der Gerokstraße 39. Im gleichen Jahr begann eines seiner größten Projekte, der Wiederaufbau des Deutschen Hauses in der Tübinger Straße 15 in Stuttgart. Bei einem Bombenangriff im Jahr 1944 war das Eckgebäude bis auf das Erdgeschoss niedergebrannt, bei den Flügelbauten war jedoch alles bis auf das vierte Obergeschoss und das Dach erhalten geblieben. Rasch musste die Gebäudeecke zum Zwecke des Wiederaufbaus komplett einreißen, da die Sandsteinfassade irreparabel beschädigt war, obgleich die Renovierung der ursprünglich mit Büsten berühmter Deutscher geschmückte Schauseite der Wunsch der Eigentümer gewesen wäre. Die noch weitgehend intakten Flügelbauten bildeten den Fixpunkt für Raschs Entwurf des Neubaus, der sich besonders durch seine Schmucklosigkeit und das durch eine große Rundung hervorgehobene Eckgebäude definierte. Das Deutsche Haus wurde bis heute mehrfach renoviert und verändert, zuletzt wurde 2017 die Fassade erneuert, der ursprüngliche Entwurf Raschs ist aber nach wie vor in den Grundzügen zu erkennen.
In den Jahren 1950 bis 1957 verwirklichte Rasch auch einige kleinere Wohnbauten, u.a. in der Richard-Wagner-Straße 66, in der Sonnenbergstraße 59, in der Urbanstraße 86 und in der Herzogstraße 13. Zudem begann in den 1950er Jahren eines seiner weiteren Großprojekte, mit dem er sich bis in die 1970er Jahre hinein immer wieder auseinandersetzte: Das Verwaltungsgebäude der Farbwerke Hoechst in der Jägerstraße 14. Der Entwurf Raschs wurde in der Presse mehrfach publiziert. Die strenge geometrische Anordnung der blockartig ausgeführten, ineinandergreifenden Gebäudeteile wurde dabei stets besonders betont.

Der Großteil von Raschs Ideen, besonders in seinen späten Schaffensjahren, blieb auf den Entwurf beschränkt. Hierzu zählen sein Wärmespeicherhaus, Containerarchitektur, die Spindelhäuser, die auf den Hängehausentwürfen der Brüder Rasch von 1927 basierten, und besonders seine sogenannten Großrelais, die das Prinzip des Park-and-Ride vorwegnahmen und radikalisierten.

Zu verdanken hat die Stadt Stuttgart Bodo Rasch die Renovierung und die teilweise Instandsetzung der weitestgehend im Originalzustand erhaltenen Gebäude der Weißenhofsiedlung. Bereits in den 1950er Jahren, als viele im Krieg beschädigte Gebäude der Siedlung abgerissen oder im Stil der 1950er Jahre renoviert worden waren, setzte sich Rasch vehement für die Klassifizierung der Siedlung als schützenswertes Denkmal ein, was 1958 auch geschah. 1977 initiierte Bodo Rasch die Gründung des Vereins „Freunde der Weißenhofsiedlung e.V.“, die 1979 erfolgte und in dem er gemeinsam mit Mia Seeger und Frei Otto den Vorsitz übernahm. Dank des Einsatzes des Vereins wurden elf von ursprünglich 21 Gebäuden auf dem Weißenhof teilweise originalgetreu restauriert und instand gesetzt. Nicht zuletzt durch diesen Einsatz Raschs konnten 2016 die Häuser Le Corbusiers in die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes aufgenommen werden.

Am 27. Dezember 1995 starb Bodo Rasch in seinem Haus im Wispelwald in Leinfelden-Echterdingen.

Text: Katharina Stolz
Schlagwort: Stuttgart-West
Quellenhinweise:

Nachlass von Bodo Rasch (NBR, Privatbesitz). 
Hans-Peter Hack/Michael Kohn, Das Deutsche Haus. Eine Bauaufnahme in Stuttgart, Stuttgart 1986, unveröffentlicht (NBR, Privatbesitz).

Literaturhinweise:

Annette Ludwig, Die Architekten Brüder Heinz und Bodo Rasch. Ein Beitrag zur Architekturgeschichte der zwanziger Jahre, Tübingen 2009.
Bodo Rasch. Ideen, Projekte, Bauten. Werkbericht 1924-1984, Stuttgart 1984, Neuauflage Stuttgart 1993.
Bodo Rasch, Lebensbeschreibung, in: Die zwanziger Jahre des deutschen Werkbunds, hg. vom Deutschen Werkbund und dem Werkbund-Archiv (Werkbund Archiv, Bd. 10), Gießen/Lahn 1982, S. 352-353.
Franz Krause, Weißenhof-Bauleiter-Erinnerungen 1927/1977, in: Die zwanziger Jahre des deutschen Werkbunds, hg. vom Deutschen Werkbund und dem Werkbund-Archiv (Werkbund Archiv, Bd. 10), Gießen 1982, S. 112-114.
Bodo Rasch, Grossrelais. Typenentwicklung für die städtebauliche Optimierung von Verkehrsknotenpunkten. Demonstriert an Hand von vier Projekten im Raum Stuttgart, Stuttgart 1970.
Bodo Rasch, Fünf Kritiken. Städtebau. Bilanz der Erkenntnisse und Zukunft, Stuttgart 1971.
Bodo Rasch, Kreuzverhör zu den fünf Kritiken, Stuttgart 1976.

GND-Identifier: 130243469
Publiziert am: 24.08.2020
Empfohlene Zitierweise:
Katharina Stolz, Bodo Rasch (1903-1995), publiziert am 24.08.2020 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/b38e779d-80f4-4989-9932-557d81916107/Bodo_Rasch_%281903-1995%29.html