Olga Nikolajewna, Königin von Württemberg (1822-1892)
Die Zarentochter Olga (1822-1892) heiratete im Jahr 1846 den württembergischen Thronfolger Karl. 1864 wurde sie an seiner Seite Königin von Württemberg. Im Gedächtnis geblieben ist sie den Stuttgartern vor allem durch ihre caritativen Unternehmungen.

Die im Jahr 1822 geborene Großfürstin Olga wuchs am Petersburger Hof auf. Ihr Vater Nikolaus (1796-1855) wurde 1825 Zar von Russland, die Mutter Charlotte war eine Tochter der Königin Luise von Preußen. Olga hatte zwei ältere und vier jüngere Geschwister.

Die Erziehung der Kinder war sehr umfassend. Olga und ihre Schwestern erhielten Unterricht in Mathematik, Literatur und Sprachen, so dass Olga im Alter von sechs Jahren deutsch, russisch und französisch lesen, schreiben und wahrscheinlich auch reden konnte. Die Großfürstinnen wurden zudem auch in Musik, Gesang, Tanz und Malerei unterrichtet.

Für eine russische Großfürstin waren die Württemberger nicht die erste Wahl für eine Heiratsverbindung. Im Winter 1845/46, den Olga mit ihrer Mutter auf Sizilien verbrachte, wurde sie jedoch dort von Kronprinz Karl von Württemberg besucht. Nachdem dem jungen Paar einige Tage des Kennenlernens zugestanden worden waren, fiel Anfang Januar 1846 die Entscheidung für eine Ehe. Ausschlaggebend für die Zustimmung Olgas zu einer Verbindung mit dem im Vergleich zu Russland politisch eher unbedeutenden Württemberg war wohl die Hoffnung, dort ein ihrer Kindheit vergleichbares glückliches Familienleben gestalten zu können.

Der im Vorfeld der Hochzeit zwischen Württemberg und Russland ausgehandelte Ehevertrag regelte vor allem die finanzielle Ausstattung der Zarentochter, aber auch die Religionsfragen. Olga durfte bei ihrem orthodoxen Glauben bleiben, sollte ihren Mann aber bei besonderen Anlässen zum evangelischen Gottesdienst begleiten. Die finanzielle Ausstattung, von der Olga unter anderem auch für ihre Hofhaltung aufkommen musste, war für württembergische Verhältnisse exorbitant. Ihre Aussteuer – Schmuck und Kleidung der Großfürstin, Tafelservice, Möbel, Küchenutensilien und Textilien – war exzeptionell.

Die eigentliche Hochzeitszeremonie am 1./13. Juli 1846 in Peterhof bei St. Petersburg war zweigeteilt: eine prunkvolle russisch-orthodoxe und eine schlichte protestantische Trauung. Im Anschluss fanden ein Bankett mit Konzert, ein Hofball und am nächsten Tag ein Empfang für die Petersburger Gesellschaft statt, abends ein großer Maskenball.

In Württemberg wurden währenddessen Anstrengungen unternommen, dem Paar einen ebenso festlichen Empfang zu bereiten. An den Landesgrenzen und in den Städten, durch die das Kronprinzenpaar kommen sollte, wurden Ehrenpforten errichtet. Karl und Olga reisten am 9. September 1846 von Petersburg aus zunächst mit dem Dampfschiff, dann mit der Postkutsche über Berlin, Würzburg und Heilbronn nach Ludwigsburg, wo sie nach 14 Tagen ankamen. Von dort bewegte sich ein von berittenen Stuttgarter Bürgern begleiteter Festzug nach Stuttgart, wo auf einer Tribüne vor dem Neuen Schloss der Stadtrat mit Bürgerausschuss, die Beamten, Geistlichen und der Liederkranz das Paar willkommen hießen. Olga besichtigte die im Bau befindliche Villa Berg, nahm an der Eröffnung der Eisenbahnstrecke Stuttgart-Cannstatt und des Cannstatter Volksfests teil und tafelte zum Abschluss in den maurischen Räumen des Schlösschens Wilhelma.

Der Anfang in Stuttgart war für Olga nicht einfach. Sie litt unter Heimweh nach ihrer Familie in Russland, auch die familiären Verhältnisse am württembergischen Hof trugen nicht gerade dazu bei, ihr die Eingewöhnung in der unbekannten Umgebung einfacher zu machen. Sehr belastend war für Olga die schlechte Beziehung zwischen König und Kronprinz, Vater und Sohn. König Wilhelm hielt seinen Sohn und Nachfolger für unfähig und weigerte sich bis kurz vor seinem Tod, ihn in die Staatsgeschäfte einzubeziehen. Während der König ein von sich eingenommenes selbstsicheres Wesen hatte, war Karl eher empfindsam und gehemmt. Auch zu den weiblichen Familienmitgliedern in Stuttgart, vor allem zu ihrer Schwiegermutter, Königin Pauline und ihrer Schwägerin Katharina, fand sie keinen herzlichen Kontakt.

Das 1746 bis 1807 erbaute Neue Schloss in Stuttgart war zweimal der Hauptwohnsitz von Olga und Karl: zunächst nach ihrer Vermählung bis zum Bezug des Kronprinzenpalais 1854, dann nach der Thronbesteigung Karls. Die Interimswohnung lag in dem der Stadt zugewandten Flügel. Karl bewohnte das Erdgeschoss, Olga den ersten Stock mit den „Russischen Zimmern“. 1864, ein halbes Jahr nach der Thronbesteigung, zog das Königspaar wieder in das Neue Schloss ein, dessen Räume im Gartenflügel von Hofbaumeister Egle umgestaltet worden waren. Wieder wohnte Karl im Erdgeschoss, während Olga 14 Räume im ersten Obergeschoss, der Beletage, bezog. Gegenüber den Privaträumen befanden sich ihre halboffiziellen Repräsentationsräume, u.a. ein „Sommer-Saal“, ein Tanz- und ein Musiksalon.

Privaten und dennoch repräsentativen Charakter hatte der Lieblingswohnsitz des Kronprinzenpaares, die Villa Berg. Schon 1843/44 hatte Kronprinz Karl nach der Rückkehr von einer Italienreise beschlossen, sich ein hübsches Landhaus in der Nähe von Stuttgart errichten zu lassen. Mit der Planung und der Findung eines passenden Platzes wurde sein Sekretär Friedrich Wilhelm Hackländer beauftragt, als Architekt Christian Friedrich von Leins, der später auch den Königsbau (1856) und die Liederhalle (1864) errichtete. Der Grundstein für die Villa auf einem Hügel bei der Ortschaft Berg wurde 1845, noch vor der Verlobung Karl und Olgas, gelegt, der Rohbau war 1847 vollendet, die Fertigstellung verzögerte sich jedoch bis 1853.

Die Vorliebe für die italienische Renaissance teilten Karl und Olga. Damit war die Villa Berg wie kein anderes Bauwerk vom Geschmack des Kronprinzenpaares geprägt. Ein großer Teil an der Inneneinrichtung der Villa wie die opulente Ausstattung, u.a. der Festsaal mit Goldverzierungen und korinthischen Marmorsäulen, die Kronleuchter und Ölgemälde sind auf Olga und ihre finanziellen Möglichkeiten zurückzuführen. In den Repräsentationsräumen wurden viele Feste gefeiert, während das zweite Stockwerk die Wohnräume beherbergte.

Als Olga 1846 nach Württemberg kam, war neben der Villa Berg – dem Privatprojekt des Kronprinzen – gerade ein weiteres Objekt in Bau und Planung: Das Kronprinzenpalais sollte dem Paar als angemessene und repräsentative Wohnung in Stuttgart dienen. Wie im Neuen Schloss bewohnte Olga das erste Stockwerk, die Beletage, während Karls Räume im Erdgeschoss lagen. Da das Palais am Schlossplatz eingezwängt zwischen anderen Bauten lag, vermisste Olga vor allem einen größeren Garten oder einen Park. Gerne hielt sich das Paar deshalb in der Villa Berg auf.

Laut Ehevertrag stand Olga in jedem von ihr bewohnten Gebäude eine orthodoxe Kapelle zu. So befand sich bereits im Kronprinzenpalais im zweiten Stock eine geweihte russisch-orthodoxe Kapelle. Die Ausstattung brachte Olga in ihrer Aussteuer mit. Nach dem Bezug des Neuen Schlosses wurde im Corps de logis ebenfalls eine großzügige Kapelle eingebaut.

Obwohl ihre Ehe vorwiegend aus Staatsraison geschlossen worden war, bemühte sich Olga in den ersten Ehejahren sehr, Karl ihre Liebe und Zuneigung zu zeigen und somit die Beziehung zwischen ihnen zu festigen. Das junge Paar verbrachte viel Zeit miteinander, das gemeinsame Interesse an den schönen Dingen des Lebens verband sie: Theater, Musik, Dichtung. An Intelligenz und Willenskraft überragte Olga ihren Mann anscheinend deutlich, was die Beziehung der Eheleute nicht vereinfachte. Dazu kam Karls Neigung, Freundschaften mit Männern denen mit Frauen vorzuziehen. Der Traum von einer großen, eigenen Familie, wie sie sie in ihrer Kindheit erlebt hatte, war Olga nicht vergönnt. Sie litt stark unter ihrer Kinderlosigkeit und unternahm zahlreiche Kuren. So entschied sie sich im Jahr 1863, die neunjährige Tochter Wera ihres Bruders Konstantin zu sich nach Stuttgart zu nehmen. Wera galt als sehr schwierig, Olga und auch Karl brachten jedoch viel Geduld und Nachsicht bei der Erziehung auf, und das Königspaar nahm Wera 1871 an Kindesstatt an.

Am 25. Juli 1864 starb König Wilhelm – knapp 83-jährig, nach 48 Jahren an der Regierung. Karl wurde König und Olga nach 20 Jahren als Kronprinzessin Königin und damit „Landesmutter“. Lange währte die souveräne Regierung jedoch nicht, denn schon sieben Jahre nach der Thronbesteigung Karls erlitt Württemberg durch die Gründung des Deutschen Reiches einen erheblichen Verlust an Selbstständigkeit.

Die Tage am Hof verliefen in einem steten Rhythmus: In Stuttgart wurden in der Saison regelmäßig die Aufführungen des Hoftheaters besucht, das sowohl Opern als auch Schauspiele zeigte. Großen Enthusiasmus gegenüber dem Theater brachten aber weder Karl noch Olga auf und das Stuttgarter Hoftheater brachte es zu keiner großen Reputation. Im Winterhalbjahr fanden die Hofbälle statt, die den Höhepunkt des gesellschaftlichen Lebens Stuttgarts darstellten.

Die Anwesenheit Olgas in Stuttgart nach ihrer Hochzeit zog jedes Jahr zahlreiche russische Landsleute an, so dass sich – besonders im Winter – eine russische Kolonie zusammenfand, deren Einladungen die Stuttgarter Gesellschaft, wenn auch eifersüchtig, gerne folgte. Die diplomatische Vertretung Russlands war in Stuttgart mit viel Personal und großzügiger finanzieller Ausstattung präsent. Ihre Repräsentanten, Adelige mit klangvollen Namen, pflegten gerne den Umgang mit Königin Olga.

Bemerkenswert ist der Einfluss Olgas auf die sozialen Einrichtungen in Württemberg. Von der „Landesmutter“ erwartete das Volk die Linderung von akuter und chronischer Not. Als Olga nach Württemberg kam, war diese Rolle noch durch ihre Schwiegermutter Pauline besetzt und Olga übernahm zunächst das Protektorat über bereits gegründete Einrichtungen, wie der „Heil- und Pflegeanstalt für schwachsinnige Kinder“ in Mariaberg, die sie häufig besuchte. Ihr Engagement bestand dabei in der finanziellen Unterstützung aus ihrem persönlichen Vermögen oder auch in der Suche nach geeignetem Personal – Lehrer, Ärzte, Betreuer – für die Einrichtung. Das 1846 gegründete Kinderkrankenhaus in Stuttgart, ab 1850 Olga-Heilanstalt – heute kurz „Olgäle“ –, förderte sie und bestimmte dessen Entwicklung mit, z.B. durch die Ermöglichung eines Neubaus 1880.

Einen Schwerpunkt legte sie bei ihren Gründungen auf die Erziehung und Bildung von Mädchen. Das 1873 gegründete Olgastift ist hier das deutlichste Beispiel. Aber auch die Berufsausbildung von Frauen war ein Schwerpunkt, z.B. die Ausbildung von Krankenpflegerinnen. Diese Aufgabe gehörte zu dem von ihr ab 1865 geleiteten Württembergischen Sanitätsvereins, aus dessen Krankenpflegeschule in Heilbronn die Olga-Schwesternschaft hervorging. Einen Höhepunkt ihrer Wohltätigkeit stellte die Karl-Olga-Stiftung dar, die Olga aus Anlass ihrer Silberhochzeit im Jahr 1871 ins Leben gerufen hat.

König Karl starb am 6. Oktober 1891 und Olga zog sich nach dem Regierungsantritt des Thronfolgers Wilhelm II. nach Friedrichshafen auf ihren Witwensitz zurück. Gesundheitlich war Olga schon seit Jahren angegriffen, nach dem Tod Karls verschlechterte sich ihr Zustand und ungefähr ein Jahr nach ihrem Mann starb sie am 30. Oktober 1892 an einer Herz-Lungen-Lähmung.

Mit einem Sonderzug wurde der Sarg am 2. November von Friedrichshafen nach Stuttgart überführt. Beigesetzt wurde Olga an der Seite ihres Mannes in der Gruft des Alten Schlosses in Stuttgart.

Text: Regina Keyler
Schlagwort: Stuttgart-Ost
Literaturhinweise:

Olga. Russische Großfürstin und württembergische Königin. Ein Leben zwischen höfischer Repräsentation, Politik und Wohltätigkeit, Stuttgart 2008.
Detlef JENA, Königin Olga von Württemberg, Regensburg 2009.
Regina KEYLER, Olga Königin von Württemberg. 1822-1892, in: Lebensbilder aus Baden-Württemberg 24 (2013), S. 267-293.

GND-Identifier: 106881191
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Regina Keyler, Olga Nikolajewna, Königin von Württemberg (1822-1892), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/a9bfdc8c-0643-46ce-8266-2d90544efd5d/Olga_Nikolajewna%2C_Koenigin_von.html