Fritz Bauer war von 1925-1933 als junger Amtsrichter am Amtsgericht Stuttgart tätig. Am 24. März 1933 wurde er wegen seiner politischen Tätigkeit und seiner jüdischen Herkunft im Gerichtssaal verhaftet. Als Frankfurter Generalstaatsanwalt initiierte er in den 1960er Jahren die Auschwitz-Prozesse.

Fritz Max Bauer wurde am 16. Juli 1903 in Stuttgart geboren. Seine Familie mütterlicherseits stammte aus Tübingen; der Großvater Gustav Hirsch und sein Onkel Leopold waren Vorsteher der dortigen Synagoge gewesen. Sein Großvater väterlicherseits, Adolf Bauer (*1838 in Forchtenberg), gründete 1897 eine Manufakturwarenhandlung für Damenkleiderstoffe in Stuttgart. Seine drei Söhne übernahmen das Geschäft in der Seestraße 5 und führten es bis zur erzwungenen Auflösung 1939 weiter.

Die Familie von Fritz Bauer lebte in der Wiederholdstraße 10. Er stammte aus einem assimilierten liberalen Elternhaus, d.h. man feierte die jüdischen Feste, war aber zugleich deutsch-national eingestellt. Sein Vater Ludwig Bauer (*1870 in Ellwangen) war sowohl 1894 als auch im Ersten Weltkrieg Freiwilliger in der Kompanie des württembergischen Grenadier-Regiments „Königin Olga“. Ludwig und sein Bruder Max waren zugleich Mitglieder in der 1899 gegründeten Stuttgart-Loge, einer jüdischen Freimaurerloge mit ca. 250 Mitgliedern in Stuttgart.

Fritz Bauer besuchte von 1912-1920 das Eberhard-Ludwigs-Gymnasium. Das humanistische Elite-Gymnasium, 1686 als „Gymnasium illustre“ gegründet und ab 1806 als „Königliches Gymnasium“ geführt, erhielt 1903 einen Neubau in der Holzgartenstraße. Fritz Bauer schloss die schulische Ausbildung als einer der Jahrgangsbesten ab.

Obwohl Fritz Bauer sich nicht als religiöser Mensch verstand, identifizierte er sich mit seiner jüdischen Herkunft und bezeichnete sich als junger Mensch stets als „israelitisch“. Häufig sprach er in Stuttgart im Berthold-Auerbach-Verein, einem jüdischen Freizeitclub, einmal auch im „Verein jüdischer Handwerker“ unter der Leitung von Julius Landauer. Erst nach der Rückkehr nach Deutschland 1949 distanzierte er sich von seiner jüdischen Herkunft bzw. wollte nicht als „Jude“, sondern vor allem als Jurist und politischer Mensch wahrgenommen werden.

1921 begann er sein Jurastudium in Heidelberg, das er in München und Tübingen fortsetzte. In Tübingen schloss er sich dem Republikanischen Richterbund an, dem zahlreiche Mitglieder der SPD und des Zentrums angehörten. Am 9. Dezember 1924 legte er sein erstes Staatsexamen ab und kehrte nach Stuttgart zurück. Bereits am 16. Januar 1925 wurde er in Stuttgart vereidigt und begann als Referendar am Amtsgericht Stuttgart I; nach seinem dreijährigen Referendariat wurde er Ende 1928 zum Hilfsrichter für Jugendsachen ernannt. Zum 1. April 1930 wurde er mit 26 Jahren zum Strafrichter ernannt und war damit nicht nur einer der jüngsten Amtsrichter in der Weimarer Republik, sondern auch der einzige Amtsrichter in Stuttgart mit einem SPD-Parteibuch.

Am 5. Juni 1931 erschien unter der Schlagzeile „Ein jüdischer Amtsrichter missbraucht sein Amt zu Parteizwecken“ ein antisemitisch geprägter Artikel im Stuttgarter NS-Kurier. Der Autor Adolf Gerlach, Chefredakteur des Stuttgarter „NS-Kuriers“, warf Bauer die Weitergabe von Gerichtsakten an die SPD-nahe „Schwäbische Tagwacht“ vor. Bauer wurde im folgenden Prozess gegen den Autor vom Justizministerium gedeckt, danach jedoch gegen seinen Willen auf einen Zivilrichterposten versetzt.

In Stuttgart suchte er auch den Kontakt zu Kurt Schumacher, dem Herausgeber der sozialdemokratischen Zeitung „Schwäbische Tagwacht“. Fritz Bauer hielt Reden vor dem Club der Jungsozialisten und kämpfte zusammen mit Schumacher im „Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold“ für den Schutz der jungen Republik. Dabei handelte es sich um eine Organisation, die als Gegenorganisation zum deutschnationalen „Stahlhelm“ gegründet worden war und 1925 schon drei Millionen Mitglieder zählte. 90% der Mitglieder dieser Organisation waren Sozialdemokraten. Fritz Bauer war zunächst stellvertretender Vorsitzender des Reichsbanners in Stuttgart, von 1931-1933 Leiter.

Nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten fanden am 9. März 1933 erste Razzien in Stuttgart durch die württembergische Polizei statt, um bekannte Kommunisten und Sozialdemokraten zu verhaften. Bei einer zweiten Razzia wurden der Amtsrichter Fritz Bauer und der Gerichtsassessor Kohler im Stuttgarter Amtsgericht I am 24. März 1933 verhaftet und in das erste nationalsozialistische Konzentrationslager Württembergs auf dem Heuberg auf der Schwäbischen Alb verschleppt. In dem Lager wurden bis zu 3.000 politische Häftlinge gleichzeitig festgehalten und schikaniert. Fritz Bauer wurde in die dritte und härteste Stufe des Vollzugs eingeordnet und verbrachte unter menschenunwürdigen Bedingungen sechs Monate im KZ Heuberg. Während seiner Haft war er aufgrund des „Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums“ vom 7. April 1933 aus dem Staatsdienst entlassen worden. Im September 1933 wurde er zur Haftverschärfung nach Ulm ins Militärgefängnis verbracht; dort unterzeichnete er am 22. Oktober 1933 zusammen mit sieben weiteren Sozialdemokraten das „Treuebekenntnis einstiger Sozialdemokraten“, das zweifellos unter dem Druck der Haftbedingungen entstanden war. Es wurde am 13. November 1933 im „Ulmer Tagblatt“ veröffentlicht. Im selben Monat wurde er aus der Haft entlassen und emigrierte Ende 1935 nach Dänemark, wo bereits seine Schwester mit ihrem Mann lebte. Auch seine Eltern Ludwig und Ella Bauer konnten 1940 nach Dänemark flüchten. Nachdem die Nationalsozialisten Dänemark besetzt hatten und 1943 mit der Verhaftung dänischer Juden begannen, tauchte er unter und flüchtete mit seiner Familie nach Schweden. Dort überlebte er den Zweiten Weltkrieg.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bemühte sich Bauer mehrere Jahre vergeblich um eine Rückkehr nach Deutschland und nahm deswegen Kontakt mit politischen Freunden auf, darunter Erwin Schoettle in Stuttgart. 1949 wurde er durch Vermittlung von Kurt Schumacher Landgerichtsdirektor und ab 1950 Generalstaatsanwalt am Oberlandesgericht Braunschweig. 1956 berief ihn der Hessische Ministerpräsident Georg August Zinn als Generalstaatsanwalt nach Frankfurt. Hier leitete er Informationen über den Aufenthaltsort von Adolf Eichmann, die er von einem jüdischen Emigranten in Argentinien erhalten hatte, an den Leiter der Israel-Mission in Köln weiter. Der israelische Geheimdienst Mossad entführte daraufhin Adolf Eichmann und brachte ihn nach Israel, wo er 1961 in Jerusalem vor Gericht gestellt wurde.

Fritz Bauer war vor allem der Initiator der Frankfurter Ausschwitz-Prozesse (1963-1965), die die Verbrechen in den Konzentrationslagern erstmals einer größeren Öffentlichkeit bewusst machten. Er nutzte damit den Gerichtssaal als Ort zur Aufklärung der Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Zeit des Nationalsozialismus.

Im privaten Bereich hielt sich Fritz Bauer dagegen auffallend bedeckt. 1960 schickte ihm Alfred Tischendorf im Auftrag des Bürgermeisteramts der Stadt Stuttgart eine Anfrage mit der Bitte um Übersendung von Erinnerungen, Berichten oder Fotos für eine geplante Publikation der Stadt Stuttgart über das Schicksal Stuttgarter Juden. Tischendorf war Fraktionsvorsitzender der SPD in Ludwigsburg gewesen und 1933 verhaftet worden; er bezog sich in seinem Schreiben auf gemeinsame Erfahrungen im „Reichsbanner“, aber auch im KZ Heuberg. Fritz Bauer lehnte die Übermittlung persönlicher Erinnerungen und Stellungnahmen höflich, aber bestimmt für sich und seine Familie ab.

Erst spät setzte in Stuttgart die Würdigung dieses Mannes ein. Zum 100. Geburtstag wurde 2003 zunächst ein Weg ohne Anwohner in den Bopser-Anlagen nach Fritz Bauer benannt, 2010 dann in Stuttgart-Sillenbuch die Heinrich-Treitschke-Straße in Fritz-Bauer-Straße umbenannt. Seit 2012 trägt der Große Veranstaltungssaal im Amtsgericht seinen Namen. 2013 wurde die Ausstellung „Fritz Bauer- Jurist aus Leidenschaft“ gezeigt, die von Schülern des Eberhard-Ludwig-Gymnasiums kuratiert worden war. Bei der Eröffnung dieser Ausstellung regte die Juristin Helga Däubler-Gmelin einen Fritz-Bauer-Preis an, der seit 2013 jährlich an diesem Gymnasium vergeben wird.

Text: Anja Heuß
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Quellenhinweise:

Stadtarchiv Stuttgart 8600 SO-Bestand 172.

Literaturhinweise:

Irmtrud Wojak, Fritz Bauer 1903-1968. Eine Biographie, München 2009.
Jacob Toury, Jüdische Textilunternehmer in Baden-Württemberg 1683-1938, Tübingen 1984.
Ronen Steinke, Fritz Bauer oder Auschwitz vor Gericht, München/Berlin/Zürich 2016.
Nicola Wenge, »Das System des Quälens, der Einschüchterung, der Demütigung…«. Die frühen württembergischen Konzentrationslager Heuberg und Oberer Kuhberg, in: »…der schrankenlosesten Willkür ausgeliefert«. Häftlinge der frühen Konzentrationslager 1933-1936/37, hg. von Jörg Osterloh/Kim Wünschmann, Frankfurt 2017, hier: S. 123-150.
Adressbuch des Unabhängigen Ordens Bne Brith (U.O.B.B.) 1928/29, Kassel 1929, S. 369.

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Publiziert am: 14.01.2022
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Anja Heuß, Fritz Max Bauer (1903-1968), publiziert am 14.01.2022 in: Stadtarchiv Stuttgart,
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