Die heute evangelische Michaelskirche liegt hoch in den Weinbergen über dem Dorf Wangen an der Südgrenze des Altenburger Sprengels über dem Neckar und der römischen Straße. Gemäß bauhistorischer Forschungen entstand sie in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts. Ihr ursprünglicher Wehrcharakter ist noch heute zu erkennen.

Über die Entstehungsgeschichte der Michaelskirche in Stuttgart-Wangen, für die inschriftlich mit den Worten „michahel est patronus“ Michael als Patron belegt ist, liegen keine schriftlichen Quellen vor, so dass allein der Bau selbst als Zeugnis bleibt und lediglich anhand der Analyse der stilistischen Bau- und Formelemente zeitlich einzuordnen ist.

Romanische Stilelemente zeigt noch heute der Turm, und zwar im Innenraum des heutigen Turmchores, im Innenraum des ehemaligen Glockengeschosses und in den Maßwerkformen des Turmaußenbaus. Den Turmchor zieren im Innenraum in den Ecken tiefliegende Wandkonsolen, die mit noch gut erhaltenen romanischen Palmetten verziert sind, ein in der Romanik sehr beliebtes Blattmotiv, das an vielen Kirchenbauten des 11. bis 13. Jahrhunderts zu finden ist, so beispielsweise auch an der Plieninger Martinskirche. Da die Palmetten der Plieninger Martinskirche viel schematischer sind als diejenigen der Wangener Michaelskirche, ist davon auszugehen, dass letztere nicht vor 1200, sondern 1200 post quem, d.h. in der 1. Hälfte des 13. Jahrhunderts entstanden sind.

Die Südseite im Innenraum des einstigen Glockengeschosses zeigt ein Zwillingsfenster mit mittiger romanischer Säule, bestehend aus einem vierseitigen Sockel mit Eckknollen, einem zierlichen monolithischen Schaft und dem schmalhohen Kapitell, das wiederum mit Palmetten verziert ist. Auch wenn diese qualitativ schlechter sind als die des Turmchores, spricht die übereinstimmende Gestalt in Form des geraden Stengels und der mittigen Kerbe in jedem Blatt doch für eine zeitgleiche Entstehung in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts.

Im Turmaußenbau sind romanische Zwillingsfenster zu sehen, die von frühgotischem Blendmaßwerk bekrönt sind. Über den rundbogigen Abschlüssen der Fenster, zwischen denen sich ein frühgotisches Säulchen befindet, sind Spitzbögen gestellt, die mittig auf dem Säulchen und seitlich auf Wandkonsolen ruhen. Diese Bögen werden von einem spitzbogigen Überfangbogen bekrönt. Das Bogenfeld desselben ist auf der Nord- und Ostseite mit einem liegenden Vierpass, auf der Süd- und Westseite mit einem liegenden Dreipass gefüllt, eine Maßwerkform, die auch das ehemalige, heute im Dachboden befindliche Westfenster zeigt. Weisen schon allein diese einfachen Maßwerkformen in das 13. Jahrhundert, so gilt das auch für die wulstigen, miteinander verschmelzenden Rundstäbe des Maßwerks. Aus der Tatsache, dass ihre Fugen identisch mit denjenigen der darunter befindlichen Werksteine sind und nicht etwa später aufgesetzt wurden, lässt sich schließen, dass sie bauzeitlich sind und demzufolge ebenfalls im 13. Jahrhundert gefertigt und versetzt wurden.

Des Weiteren sind im Turm vier verschiedene Steinmetzzeichen erkennbar, nämlich ein liegendes Kreuz, ein rechtwinklig geschlagenes S, das auch spiegelverkehrt vorhanden ist, ein einfaches T und ein weiteres Kreuz von jeweils halber Länge des Querbalkens im Verhältnis zum Längsbalken. Alle Steinmetzzeichen sind 5 bis 6 Zentimeter groß, also kleiner als romanische Steinmetzzeichen mit einer Größe von 10 bis 15 Zentimeter. Auch dies spricht dafür, dass der Turm in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts entstand. Da die Steinmetzzeichen auch an den Gewänden der Schießscharten vorkommen, ist davon auszugehen, dass die Kirche von Anfang an als Wehrkirche errichtet wurde. Untermauert wird diese These zum einen durch den heute noch vorhandenen massiven Turm und andererseits durch die ebenfalls heute noch vorhandene Wehrmauer. An deren Nordmauer ist sogar noch die Treppe zum Wehrgang erhalten. Die Wehrmauer diente Mensch und Vieh zum Schutz vor kriegerischen Auseinandersetzungen im Neckartal. Gemäß der Rekonstruktion von Otto Zondler war die umfriedete Kirche eine einfache rechteckige Saalkirche mit abschließendem Satteldach, der sich östlich der massive vierseitige Turm mit Pyramidendach anschloss, ähnlich also wie bei der Uffkirche in Bad Cannstatt.

Spätestens am 17. Mai 1534 predigte in Untertürkheim der Reutlinger Reformator Matthias Alber erstmals nach der neuen Lehre und seit dem 29. September 1534 gab es auch in Wangen einen protestantischen Pfarrer namens Jakob Ziglin, der aus dem nahegelegenen Ort Rohracker stammte. Er wohnte mit seiner Familie im Pfarrhaus neben der Michaelskirche, welches erstmals 1541 im geistlichen Lagerbuch von Cannstatt erwähnt wurde. Im Zuge der Gegenreformation zog er sich nach Rohracker zurück, während die Wangener Gemeinde zunächst von Theobalde Didelhuber, dem Pfarrer aus Untertürkheim, notdürftig mitversorgt wurde, dann aber, mit der Entlassung Didelhubers 1549 erst einmal einige Jahre ohne eigenen Pfarrer auskommen musste.

Erst unter Herzog Christoph beruhigte sich allmählich die Lage und ab 1558 sind im ältesten Kirchenbuch Wangens unter dem evangelischen Pfarrer Johannes Bollinger Taufen, Eheschließungen und Sterbefälle registriert. Bollinger starb am 14. Januar 1569, ihm folgte gesichert sein ältester Sohn Johannes bis 1585, dann bis 1592 Magister Jakob Bauhof, gefolgt von Diakonus Melchior Voltz. 1592 vollzog sich indes nicht nur der Amtswechsel zwischen Bauhof und Voltz, sondern es erfolgten auch bauliche Maßnahmen an der Kirche. Da nur das Glockengeschoss des Turmes mit großen Fenstern ausgestattet und demzufolge der Turmchor mehr oder weniger dunkel geblieben war, fügte man 1592 ein Rechteckfenster auf der Ostseite des Chores ein. 1682 wird von einer Empore im Inneren der Michaelskirche berichtet. Vor deren Einbau musste indes das Kirchenschiff erhöht worden sein, um überhaupt genügend Platz für eine Empore zu schaffen. Da wir jedoch auch von einer Turmerhöhung im Jahre 1686 wissen – diese Jahreszahl befindet sich am östlichen Schalloch des Turmes –, ist davon auszugehen, dass man zunächst das Kirchenschiff und dann auch den Turm erhöhte, um die Proportionen von Kirchenschiff und Turm einander anzugleichen.

Obwohl die Kirche 1721 renoviert worden war, galt sie 1751 schon wieder als äußerst baufällig und zudem als sehr eng, weshalb eine erneute Renovierung mit Erweiterung der Kirche beschlossen wurde. Südlich der Kirche fügte man nun einen Anbau mit einer weiteren Empore an, um mehr Platz für die Gläubigen zu schaffen. Im Zuge dieser Baumaßnahme musste das gesamte Kirchendach abgenommen und durch ein neues ersetzt werden. Zudem wich auch die bisherige Empore einer neuen, um der Einheitlichkeit des Innenraumes Rechnung tragen zu können. 1764 mussten abermals Bauarbeiten in Angriff genommen werden, um die immer noch nicht gänzlich behobenen Platznöte durch den Einbau einer zusätzlichen Chorempore zu beheben. Im Zuge dieser Baumaßnahmen mussten das ursprüngliche Chorgewölbe und der Chorbogen erhöht werden, so dass der gesamte Chor ein neues Aussehen bekam.

Da der Kirchenbau Ende des 19. Jahrhunderts angesichts der stets wachsenden Gemeinde schon wieder zu klein geworden war, galt es, sich erneut über bauliche Maßnahmen Gedanken zu machen. Die hierüber geführten Diskussionen führten jedoch nur zu dem Ergebnis, den Kirchenbau in seinem äußeren Bestand beizubehalten, die vorhandenen Schäden auszubessern und das Innere etwas würdiger zu gestalten. Zu den wesentlichen, 1903 durchgeführten Bauarbeiten zählten die Vergrößerung des Chorfensters, das nun mit Maßwerk versehen wurde, der Bau einer neuen Sakristei mit einem neuen Turm- und Emporenaufgang sowie die Neuausmalung der Kirche mit zwei musizierenden Engeln oberhalb des Chorbogens.

Bei der Renovierung des Innenraumes von 1970 bis 1973 wurde die Kirche frisch bemalt und die musizierenden Engel wieder übertüncht, wohingegen sie bei der Restaurierung von 1999/2000 dann doch wieder zur Anschauung gebracht wurden.

Text: Anette Pelizaeus
Schlagwort: Stuttgart-Wangen
Literaturhinweise:

Jochen Denneler/Gerhard Dolde/Michael Dolde, Michahel est patronus. Die Michaelskirche in Stuttgart-Wangen, Fellbach 1987.
Anette Pelizaeus, Die ältesten Kirchen in Stuttgart – Ein Wettstreit um ihre zeitliche Abfolge, in: BWKG 114 (2014), S. 324-328.

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Anette Pelizaeus, Michaelskirche Wangen, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/a2c87cd4-2a32-4aa0-b59c-99e8d599defa/Michaelskirche_Wangen.html