Obwohl der Kunsthandel in Stuttgart Anfang des 20. Jahrhunderts eine eher untergeordnete Rolle im Deutschen Reich spielte, gab es zwei sehr renommierte Auktionshäuser in der Stadt. Die Firma H. G. Gutekunst (1864-1919) spezialisierte sich auf Grafiken und Zeichnungen und sprach mit ihren Auktionen ein internationales Publikum an. Ebenso bedeutsam war der Hofkunsthändler Felix Fleischhauer, der nach dem Ersten Weltkrieg vor allem Auktionen aus adligem Besitz und dem Besitz der württembergischen Königsfamilie abhielt. Nach 118 Auktionen schloss die Kunsthandlung Fleischhauer ihre Geschäftsräume im Jahr 1928. Eine ganz andere Kunstrichtung vertrat dagegen das Kunsthaus L. Schaller. Unter der Leitung von Walter Zluhan (1885-1969) wurde es in den 1920er Jahren zu einem wichtigen Ausstellungs- und Verkaufsort für zeitgenössische Künstler wie Willi Baumeister, Otto Dix, Karl Hofer und Oskar Schlemmer.
1917 zog der promovierte Kunsthistoriker Morton Bernath von Leipzig nach Stuttgart, um dort zunächst als Abteilungsleiter im gerade gegründeten „Museum und Institut zur Kunde des Auslandsdeutschtums“ – später „Deutsches Ausland-Institut“ – zu arbeiten. Das Institut hatte die Aufgabe, eine volkskundliche Sammlung der deutschen Siedlungen im Ausland, insbesondere in Siebenbürgen, der Dobrudscha und in Russland, anzulegen und dem Publikum zugänglich zu machen. Gleichzeitig sollte es deutsche Auswanderungswillige beraten.
Morton Bernath wurde am 25. November 1886 in Belenyes, Ungarn, geboren und war jüdischer Herkunft. Er studierte Kunstgeschichte und wurde 1912 an der Universität Freiburg/Schweiz promoviert. Er war verheiratet mit Sonja Dümmler, die aus einer Verlegerfamilie stammte. 1918 erhielt er die württembergische Staatsbürgerschaft und wurde im April 1919 zum Leiter der Presseabteilung des Württembergischen Staatsministeriums ernannt. Seine Pläne, einen süddeutsche Zentrale für Pressearbeit zu gründen, scheiterten. In diesen politisch unruhigen Zeiten 1918/1919 war Bernath auch politisch aktiv und gründete im November 1918 einen „Rat geistiger Arbeiter“; der Zeitgenosse Fritz Elsas bezeichnete ihn abfällig als „politischen Kaspar“.
1920 verließ er das Staatsministerium und trat in das neu gegründete „Antiquitätenhaus Prinzenbau Stern & Co. KG“ ein. Persönlich haftender Gesellschafter war Artur Stern aus Mannheim, Kommanditist der Juwelier Eugen Kaufmann. 1928 wurde die Kommanditgesellschaft im Handelsregister gelöscht; die Firma ging am 14. März 1928 allein auf Morton Bernath über. Das Geschäft befand sich in bester zentraler Geschäftslage am Schlossplatz, Ecke Planie. Aufgrund seiner Expertise als promovierter Kunsthistoriker, der bereits mehrere kunstwissenschaftliche Publikationen vorweisen konnte, wurde er innerhalb kürzester Zeit zu einem wichtigen Geschäftspartner der Württembergischen Kunstsammlungen. Zwischen 1920 und 1932 erwarb das heutige Landesmuseum Württemberg 60 meist kunstgewerbliche Objekte teils durch Kauf, teils durch Schenkung. Die heutige Staatsgalerie Stuttgart erwarb zwischen 1922 und 1932 sieben Gemälde vor allem aus dem 15. Und 16. Jahrhundert. Die zahlreichen Verkäufe waren ein erstaunlicher geschäftlicher Erfolg gegenüber den anderen, alteingesessenen Auktionshäusern und Kunsthändlern in Stuttgart.
Morton Bernath hatte jedoch jüdische Vorfahren und war damit 1933 der einzige aktive Kunsthändler jüdischer Herkunft in Stuttgart. Dies wurde ihm gleich nach dem Machtantritt der Nationalsozialisten zum Verhängnis.
Bereits am 1. April 1933 wurde sein Geschäft im Rahmen des von den Nationalsozialisten organisierten Judenboykotts als jüdisches Geschäft deutlich gekennzeichnet. Sein Schaufenster wurde von oben bis unten mit roten Klebezetteln mit der Aufschrift „Jude“ versehen. Am folgenden Tag wurden ihm die Geschäftsräume vom Staatsrentamt – dem Verwalter des Prinzenpalais und damit seiner Geschäftsräume – gekündigt. Ein Vertreter des Staatsrentamtes erklärte ihm, dass „sein weiteres Verbleiben in einem dem württembergischen Staat gehörenden Gebäude untragbar sei“. Am 29. April 1933 musste er daraufhin sein Geschäft schließen, die Firma wurde am 5. Juli 1933 im Handelsregister gelöscht.
Nach der erzwungenen und überstürzten Schließung mietete Bernath ein kleines Kellerlokal in Stuttgart, Reinsburgstraße 11, um dort sein Warenlager unterzubringen. In der Eile fand er keine geeigneten Räume, nur diesen Keller mit geringer Raumhöhe. Die Folge war, dass er nach eigener Aussage seinen wertvollen Vitrinenschränken die Beine abschlagen musste, um sie dort lagern zu können.
Nachdem es ihm nicht mehr möglich war, weiter als Kunsthändler zu arbeiten, versuchte er verschiedene freiberufliche Aufträge im Kunsthandel und in der Industrie zu bekommen, bei denen ihm sein Fachwissen, vor allem aber seine Sprachkenntnisse nützlich sein konnten. Unter anderem arbeitete er als Vertreter der Patent-Zünder-Maschinen-Bau Lück in Stuttgart im Ausland. Das Polizeipräsidium entzog ihm jedoch in den Jahren 1933 und 1934 die Erlaubnis, ins Ausland zu reisen und ließ ihn von der politischen Polizei überwachen, da Zweifel an seiner „politischen Zuverlässigkeit“ bestünden. Dies erschwerte ihm die weitere berufliche Tätigkeit.
Gleichzeitig versuchte Bernath, Einnahmen durch den Verkauf seines restlichen Warenlagers zu erhalten. Zahlreiche Kunstwerke verkaufte er an Stuttgarter Sammler wie z.B. den Trikotagenhersteller Wilhelm Meyer-Ilschen (1878-1946) und den Architekten Baurat Philipp Manz (1861-1936), einzelne Kunstwerke übergab er auch 1936 und 1938 dem Stuttgarter Kunsthändler Otto Greiner zur Auktion. Über seine Sekretärin verkaufte er im März 1934 einen Akeleybecher der Metzgerzunft zu Esslingen an seinen langjährigen Kunden, das Württembergische Landesmuseum. Am 9. September 1933 musste er seine wertvolle Bibliothek mit 19.000 Reichsmark Schätzpreis an das Stuttgarter Antiquariat Müller & Gräf verkaufen. Nach Bernaths Aussage in einem Wiedergutmachungsverfahren hatte dieses Antiquariat nur 1.500 Reichsmark für die Bibliothek gezahlt, die Bernath nicht erhalten hatte.
Weiterhin übergab Bernath Waren im Wert von 25.000 Reichsmark der Firma Hugo Helbing in Frankfurt zum Verkauf, die vom 3. bis 5. Juli 1934 dort versteigert wurden. Dabei konnte nur die Hälfte der eingelieferten Objekte verkauft werden; der Erlös betrug lediglich 2.500 Reichsmark.
Nach der Schließung seines Geschäftes gelang es Bernath, eine Anstellung im amerikanischen Konsulat unter der Leitung des Konsuls Samuel (Sam) Honaker (1887-1966) in Stuttgart zu bekommen. Bernath unterstützte als Angestellter das Konsulat bei der Erstellung von Ausreisevisa für jüdische Flüchtlinge und amerikanische Staatsangehörige. Von Samuel Honaker sind eindringliche Berichte über die Judenverfolgungen in Stuttgart, insbesondere über die brennenden Synagogen und die Verwüstung der Geschäfte überliefert, in denen er auch die „tüchtige Hilfe“ Bernaths ausdrücklich erwähnte.
Trotz des Schutzes des amerikanischen Konsulates wurde die Lage für Bernath noch bedrohlicher. Am 11. November 1938 erschien die Gestapo in seiner Wohnung, um ihn zu verhaften, traf aber nur seine nichtjüdische Ehefrau an, die bedrängt wurde, sich scheiden zu lassen. Das Ehepaar konnte sich unter dem Schutz des Konsulates noch fast ein Jahr in Stuttgart aufhalten. Im August 1939 erhielt der Generalkonsul jedoch den Tipp, dass die Deportation seines Mitarbeiters unmittelbar bevorstünde. Honaker gab Bernath zum Schein den Auftrag nach Zürich zu reisen; so konnte er unter dem Schutz des Konsulates mit seiner Ehefrau im August 1939 entkommen.
In Zürich erhielt Morton Bernath nur eine Toleranzbewilligung, jedoch keine Arbeitserlaubnis. 1941 emigrierte er daher weiter über Spanien nach Mexiko. Durch den Angriff auf Pearl Harbour 1941 verzögerte sich die Reise erheblich; erst im Frühjahr 1942 kam das Ehepaar in Mexiko an. Dort eröffnete Morton Bernath zusammen mit dem Österreicher Otto Pössenbacher ein Antiquariat in Mexiko City und spezialisierte sich auf den Handel mit Kunstwerken aus der Kolonialzeit Mexikos. Er starb in Mexiko am 29. Juli 1965 im Alter von 78 Jahren.
Das Prinzenpalais in Stuttgart war durch seine zentrale Lage nach 1945 erneut eine begehrte Adresse für Kunsthändler. Roman Norbert Ketterer hielt hier von 1950 bis 1962 seine Auktionen ab, die schnell zu einem gesellschaftlichen Ereignis nicht nur in Stuttgart, sondern in der ganzen Bundesrepublik wurden. Anders als Bernath handelte Ketterer nicht mit alten Meistern und historischem Kunstgewerbe, sondern wurde in dieser Zeit zum international bedeutenden Vermittler der in der NS-Zeit verfemten Kunst an Museen und Privatsammler.