Richard Bronnold war von 1939 bis 1941 Sachverständiger für Gemälde und Orientteppiche im Auftrag der Reichskammer der bildenden Künste. In dieser Funktion begutachtete er Kunstsammlungen von Personen, die wegen ihrer jüdischen Herkunft oder politischen Einstellung verfolgt und zur Ausreise gezwungen waren.

Richard Bronnold gründete im April 1919 in Stuttgart die Firma „Richard Bronnold. Orientteppiche und Gemälde, Groß-und Einzelhandel“, eine Kunsthandlung für Gemälde und antike Teppiche mit Sitz im Strohberg 15. Die Firma bot auch Dienstleistungen wie Teppichreparaturen und Teppichwäsche an. 1922 trat sein Bruder Dr. rer. pol. Willy Bronnold als Teilhaber in die Firma ein. Nachdem Richard Bronnold zahlreiche Geschäftsreisen in Europa und im Nahen Orient durchgeführt hatte, wurde er 1928 zum öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für Orientteppiche ernannt.

Die Firma wechselte in den 1920er Jahren mehrfach ihren Geschäftsort; von 1933 bis 1935 hatte sie ihren Sitz in der Rotebühlstraße 121, 1936 in der Reinsburgstraße 188, 1937/38 in der Friedrichstraße 42 und schließlich von 1939 bis 1944 in der Königstraße 35. 1943 zog Richard Bronnold – vermutlich wegen der drohenden Luftangriffe – nach Balzholz, Kreis Nürtingen, um. Der Firmensitz in der Königstraße wurde im Juli 1944 durch Bombenangriffe zerstört.

Richard Bronnold war bis Kriegsende persönlich haftender Gesellschafter der Firma Richard Bronnold OHG in Stuttgart. Die Firma betrieb bis 1937 Einzelhandel, ab 1937 Großhandel mit Teppichen, Läufern, Gardinen, Möbel- und Dekorationsstoffen.

Nach 1945 musste sich Richard Bronnold vor der Spruchkammer, einer gerichtsähnlichen Institution, die nach dem Zweiten Weltkrieg zur Entnazifizierung eingesetzt wurde, verantworten. Der von den Nationalsozialisten verfemte Maler Willi Baumeister, der die Zeit des Nationalsozialismus mit Gelegenheitsarbeiten in Stuttgart überbrückt hatte, schilderte 1947 in dem Verfahren eine Begegnung mit Bronnold. Er habe ihn in der NS-Zeit in einem Restaurant getroffen und sich mit ihm unterhalten. Dabei habe ihm Bronnold erzählt, er stünde im Dienst der Gestapo und sei oft im Ausland, um Teppiche aus Holland und Frankreich bei Gegnern der Nationalsozialisten und bei Juden zu holen. Baumeister sagte in dem Verfahren aus: „Insgesamt war er wohl der potensierteste (sic) Nazi, den ich von einiger Nähe kannte.“ Sowohl die Israelitische Kultusvereinigung in Stuttgart als auch Stuttgarter Kunsthändler belasteten ihn in diesem Verfahren schwer. Trotzdem wurde er gegen Zahlung einer Sühneleistung entlassen und führte die Firma unter dem Namen „Dr. Willy Bronnold & Co., vormals Richard Bronnold Orient-Teppich-Großhandel und Einfuhr“ in Stuttgart weiter.

Richard Bronnold war ab November 1932 Mitglied der NSDAP und von 1933 bis 1937 bei der SA gewesen. Eine wichtige Rolle hatte er im Stuttgarter Kunsthandel durch seine Tätigkeit als Sachverständiger der Reichskammer der bildenden Künste für den Kunsthandel von 1939 bis 1941 gespielt. In dieser freiwillig übernommenen ehrenamtlichen Funktion begutachtete er die Kunstsammlungen von Personen, die wegen ihrer jüdischen Herkunft oder politischen Einstellung verfolgt und zur Ausreise gezwungen waren. Er schätzte den Wert der einzelnen Kunstwerke nach eigenem Gutdünken, erteilte oder verweigerte Ausfuhrgenehmigungen und verteilte die Kulturgüter, insbesondere solche von landesgeschichtlichem Wert, auf den Stuttgarter Kunsthandel. Dabei versorgte er sich selbst großzügig. Häufig tauchte er in den Villen jüdischer Kunstsammler in Begleitung von Gestapobeamten auf. Belegt ist dies durch die Aussagen mehrerer Kunsthändler und anderer Zeugen. Zu den betroffenen Sammlungen gehörten z.B. die Sammlungen des Textilfabrikanten Moritz Moses Horkheimer und des Generaldirektors der deutschen Linoleum-Werke in Bietigheim-Bissingen, Richard Heilner, der von 1938 bis 1945 in verschiedenen Konzentrationslagern inhaftiert war, bis er schließlich bei Kriegsende in Theresienstadt befreit werden konnte. Die Villa des Privatiers Charly Kaufmann, wohnhaft Straußweg 41, suchte er nach dessen Inhaftierung auf und beschlagnahmte seine Kunstsammlung und Teppiche. Bezeugt wurde dies durch Kaufmanns Haushälterin, die im Spruchkammerverfahren Aussagen zu den Vorgängen machte. Charly Kaufmann wurde 1942 zwangsweise im jüdischen Wohnheim in Dellmensingen bei Ulm einquartiert, am 22. August 1942 nach Theresienstadt deportiert und am 26. September 1942 nach Treblinka verschleppt, wo er ermordet wurde.

Die Kunstsachverständigen für den Kunsthandel wurden von der Reichskammer der bildenden Künste unter der Leitung von Joseph Goebbels benannt und eingesetzt; sie arbeiteten jedoch vor allem den Devisenbehörden zu. Die Devisenbehörden waren Teil der Finanzbehörden, die die Auswanderung und den damit verbundenen Transfer von Vermögenswerten aller Art streng überwachten. Da sich die Finanzbeamten außerstande sahen, den Wert von Kulturgütern kompetent zu bestimmen, erstellten sie für das ganze Deutsche Reich eine Liste mit Sachverständigen aus den Bereichen Museum, Bibliothek, Archiv und Kunsthandel. Diese kontrollierten im Auftrag der Devisenbehörden das Umzugsgut bei der Emigration, das von den Eigentümern angemeldet und von den Sachverständigen taxiert werden musste; die Kosten für diese Gutachtertätigkeit mussten die Betroffenen selbst bezahlen.

Nachdem er 1941 als Sachverständiger der Reichskammer der bildenden Künste abgelöst worden war, arbeitete Bronnold offensichtlich weiterhin mit der Gestapo zusammen. Dies belegt sein Besuch zusammen mit der Gestapo in der Villa des deportierten Charly Kaufmann im Jahr 1942.

Der Kunsthandel in Stuttgart während der Zeit des Nationalsozialismus zeichnete sich im Vergleich zu anderen Städten und ähnlichen Vorgängen durch eine Besonderheit aus: Die von der Gestapo beschlagnahmten Kulturgüter wurden im Oberen Museum (Kanzleistraße 11) gesammelt, ausgestellt und zum Verkauf angeboten. Das Besondere daran: Die Kunsthändler konnten sich die Objekte nicht aussuchen und darauf bieten, sondern der Verkauf erfolgte per Losentscheid. Jeder Kunsthändler zog ein Los mit einem bestimmten Kunstwerk und konnte es erwerben. In dieser Form wurden nicht nur Gemälde, sondern auch beschlagnahmtes Silber veräußert. Ob dabei über den Preis verhandelt wurde oder ob die Gestapo Fixpreise angesetzt hatte, ist mangels überlieferten Aktenmaterials ungeklärt. Ebenso unklar bleibt, wie viele Verkäufe dieser Art es gegeben hat. In jedem Fall ist eine solche Verkaufspraxis in der Forschung zum Kunsthandel während der Zeit des Nationalsozialismus bisher unbekannt.

Nach dem Krieg nahm das unter leicht verändertem Namen firmierende Unternehmen den Geschäftsbetrieb wieder auf. Richard Bronnold selbst schied erst 1964 aus der Firma aus, stand aber als Berater weiterhin zur Verfügung. Der Familienbetrieb wird mittlerweile in dritter Generation geführt.

Text: Anja Heuß
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Quellenhinweise:

Staatsarchiv Ludwigsburg EL 350 I, Bü 46625: Karl (Charly) Kaufmann.
Staatsarchiv Ludwigsburg EL 902/17, Bü 1181: Spruchkammerverfahren Richard Bronnold.
Stadtarchiv Stuttgart 21-1 Hauptaktei Gruppe 7 Nr. 1496.

Literaturhinweise:

Anja Heuss, Wie geht es weiter? – Die Verantwortung der Museen, in: Museen im Zwielicht. Ankaufspolitik 1933-1945/die eigene Geschichte. Provenienzforschung an deutschen Kunstmuseen im internationalen Vergleich (Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Bd. 2), Magdeburg 2002, S. 419-445.

Publiziert am: 24.08.2020
Empfohlene Zitierweise:
Anja Heuß, Richard Bronnold (1899-1975), publiziert am 24.08.2020 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/9fb362a9-e006-441a-8d13-2d18e6575403/Richard_Bronnold_%281899-1975%29.html