Die Stuttgarter Johanneskirche wurde mit Baubeschluss vom 9. Juni 1865, dem am 18. September 1865 erfolgten ersten Spatenstich und der am 30. Oktober 1866 gefeierten Grundsteinlegung nach Plänen des Stuttgarter Architekten und Oberbaudirektors Christian Friedrich von Leins (1814-1892) im Stil der Neugotik errichtet. Die Einweihung fand am 30. April 1876 statt. Für das Bauvorhaben war bereits 1858 ein Kirchenbauverein gegründet worden. Zu den Mitarbeitern von Christian Friedrich von Leins gehörten Prof. Robert Reinhardt (1843-1914) und Baurat Theophil Frey (1845-1904).
Die Bombenangriffe vom 11. März 1943 zerstörten die Kirchenfenster, diejenigen zwischen dem 7. und 8. Oktober 1943 das Dach und die Gewölbe der Kirche und der Angriff vom 25. Juli 1944 schließlich die Turmspitze. Die Wiederherstellungsarbeiten begannen im August 1946 unter der Leitung des Architekten Prof. Rudolf Lempp (1887-1981), auf dessen Initiative hin das Kreuzrippengewölbe im Langschiff nicht wiederhergestellt, sondern durch eine flache Decke aus Betonfertigteilen ersetzt wurde. Der Turmhelm wurde zum Gedenken an die Opfer und die Zerstörungen in Stuttgart im Verlauf des Zweiten Weltkrieges nicht wiederaufgebaut. Am 13. Juni 1948 fand der erste Gottesdienst in der wiederhergestellten Kirche statt.
1969 wurde der Innenraum der Kirche unter der Leitung des Architekten Walther-Gerd Fleck (1926-2014) renoviert. Die Betondecke wurde nun durch eine niedrigere – ebenfalls flache – Akustikdecke ersetzt, die Kirchenbänke durch neue mit anderer Aufstellung ausgetauscht und der Chor mit künstlerisch gestalteten Fenstern von Rudolf Yelin d. J. (1902-1991) zur Erinnerung an die Opfer der beiden Weltkriege und des Nationalsozialismus und zum Trost der Hinterbliebenen mit dem Leitthema des Auferstandenen ausgestattet. 1978 folgten die Glasmalereien der Chorseitenfenster ebenfalls nach Entwürfen von Yelin.
Der Innenraum zeigt eine dreischiffige kreuzförmige Anlage mit vorgelagerter Vorhalle im Norden, eine oktogonale Raumkonzeption des Querschiffes mit vierseitigen Anbauten am Kreuzungspunkt zwischen Lang- und Querschiff sowie einem fünfseitigen Chorabschluss mit Umgang im Süden. Durch die Komposition des Oktogons entsteht eine raumvereinheitlichende Komponente zwischen Langhaus, Querhaus und Chor. Im Oktogon sind Altar, Kanzel und Taufstein angeordnet, wodurch das evangelische Ideal von der Einheit zwischen der Feier des Abendmahls am Altar, der Verkündigung des Wortes Gottes von der Kanzel und der Feier der Taufe exemplarisch umgesetzt wurde, ohne die alten Raumprinzipien gänzlich aufzugeben. Der kreuzrippengewölbte Chorabschluss hat einen zweiteiligen Wandaufriss. Das Arkadengeschoss zeigt spitzbogig schließende Blendarkaden mit bekrönenden Wimpergen, die mit Krabben besetzt sind. Die Fensterzone besteht aus jeweils dreiteiligen Spitzbogenfenstern mit einem bekrönenden Kreis, dem jeweils ein Mehrblatt einbeschrieben ist. Um den Chor herum ist die Sakristei angeordnet, die somit den klassischen Chorumgang ersetzt.
Das Langschiff ist flachgedeckt und zeichnet sich durch die oktogonale Pfeilerstellung, die eingeschossigen Emporen auf der Nord-, West- und Ostseite sowie mehrere überlebensgroße Skulpturen, darunter die vier Evangelisten, aus. Die beiden Hochschiffwände des Langhauses haben einen vierteiligen Wandaufriss. Dieser besteht aus dem Arkadengeschoss mit spitzbogigen Arkaden, dem Emporengeschoss mit ebenfalls spitzbogig schließenden Arkaden, dem Triforium mit Drillingsbögen und der Obergadenzone mit dreiteiligen Maßwerkfenstern. Arkaden- und Emporengeschoss werden auch um das Oktogon des Querhauses geführt, während hier die beiden obersten Geschosse miteinander verschmelzen. Zahlreiche neogotische Zierelemente wie skulpierte und farbig gefasste Schlusssteine im Chor oder kelchförmige Knospen- und Blütenkapitelle lassen den Blick von unten nach oben und gleichsam im Raum umherschweifen und tragen so zu einem einheitlichen Raumempfinden bei.
Hinsichtlich der Ausstattung sind die Chorfenster mit den Glasmalereien von Rudolf Yelin d.J. von Bedeutung. Alle Fenster zeichnen sich durch jeweils drei untereinander angeordnete Kreuze aus, wodurch die drei Fenster als Einheit wahrgenommen werden. Im Mittelfenster ist im Kreuzungspunkt des mittleren Kreuzes Jesus der Auferstandene mit Krone dargestellt, der seine Hände mit den Wundmalen zum Segen erhoben hat, seine Füße weisen ebenfalls die Wundmale auf. Der Stamm wird oben im oberen Bogenfeld (Couronnement) von einem Dreieck als Symbol für die Dreieinigkeit bekrönt, unten erscheinen Hostie und Kelch als Symbole für das Abendmahl. Das linke Fenster ist dem Alten Testament gewidmet und zeigt im Kreuzungspunkt des unteren Kreuzes die Geschichte von Kain und Abel. Abel liegt auf dem Boden, auf den Kain mit einem Beil zielt. Oben zu sehen sind die Gesetzestafeln sowie im Couronnement ein siebenarmiger Leuchter als Symbole für das Volk Israel und den Bund, den Gott mit ihm geschlossen hat. Das rechte Fenster hat das Neue Testament zum Thema und zeigt im Kreuzungspunkt des unteren Kreuzes die Steinigung des Stephanus und oben sowie im Couronnement die Türme des himmlischen Jerusalems. Während in den beiden Seitenfenstern eher die Farben Blau und Grün als Symbole für das Leben und die Hoffnung dominieren, steht im mittleren Fenster die Farbe Rot als Symbol für die Liebe Gottes im Zentrum. Ferner ist die nach den Vorbildern der hochmittelalterlichen Domkanzeln in Siena und Pisa gefertigte Kanzel am südlichen Vierungspfeiler mit der darin integrierten Skulptur Martin Luthers nennenswert, die um 1870 von dem Bildhauer Gottlieb Scheck aus Rutesheim (1844-1882) gefertigt wurde.
Der kreuzförmige Grundriss der Johanneskirche ist auch am Außenbau erkennbar. Dieser ist durch mehrere Baukörper gegliedert und setzt sich aus dem Langschiff, zwei Treppenhäusern, dem Turm, dem Querhaus, dem Chorabschluss und der umlaufenden Sakristei zusammen. Langschiff und Querhaus sind ziegelgedeckt, die Treppentürme tragen ein Ziegel- und Kupferdach, Chor und Sakristei allein ein Kupferdach, wodurch eben gerade der Chor durch seine besondere Verdachung gegenüber den anderen Bauteilen hervorgehoben wird, auch wenn er niedriger als das Quer- und das Langhaus ist. Während Langschiff und Querhaus eine jeweils dreiteilige Fassadengliederung aufweisen, ist der Chorabschluss lediglich zweiteilig, er überragt jedoch die beiden anderen Bauteile in seiner Bedeutung durch die besondere Gliederung der einzelnen Geschosse.
Das Langschiff zeigt ein schlichtes Sockelgeschoss mit zweiteiligen Spitzbogenfenstern, das Emporengeschoss dreiteilige Spitzbogenfenster mit bekrönenden Wimpergen und die Obergadenzone dreiteilige Spitzbogenfenster. Das Chorpolygon akzentuiert die Fenster im Sockelgeschoss und in der darüber liegenden Fensterzone mit bekrönenden Wimpergen. Aufgrund der einstigen Wölbung des Langschiffes und des Chores befinden sich zwischen den Maßwerkfenstern sowohl des Langschiffes als auch des Chores Strebepfeiler, die hier wie dort von Fialen bekrönt sind. Im Langschiff werden sie von Kreuzblumen bekrönt, im Chor sind sie zusätzlich auch von Krabben besetzt und weisen Nischen auf, in denen Engelsfiguren angeordnet sind. Die unterschiedliche Gliederung von Langschiff, Querhaus und Chor gilt der deutlichen Hervorhebung des ausladend und breit angelegten Chores gegenüber Langschiff und Querhaus, wodurch dem auf die Betonung des Chores ausgerichteten Gliederungsprinzip der hochmittelalterlichen Kathedralen deutlich Rechnung getragen wird. Es versteht sich von selbst, dass die Gliederung der Treppentürme von einfacherer Gestalt ist.
Das Querhaus ist durch eine Portal- und Fensterzone mit einem nun vierteiligen Maßwerkfenster gegliedert, beide Zonen weisen bekrönende Wimperge auf, wobei diese in der Fensterzone durch einen weiteren hohen Giebel hinterfangen und besonders betont werden. Alle Wimperge und Giebel sind hier mit Krabben besetzt und werden von Kreuzblumen bekrönt, doch wiegt diese Gliederung diejenige des breit ausladenden Chores nicht auf. Der gesamte Außenbau zeichnet sich durch seinen besonderen Bauschmuck aus. Die einzelnen Baukörper und ihre Fassaden sind reich mit Figuren, Tieren, Wasserspeiern und floralem Zierwerk in Gestalt von Friesen, Krabben und Kreuzblumen verziert.
In ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild folgte die Johanneskirche zwei Traditionssträngen: Die Komposition eines dreischiffigen Langhauses mit Querhaus und sich anschließendem Chor mit Chorumgang ahmt Kathedralbauten der französischen Hochgotik nach, während die Gestalt eines breiten achtseitigen Querhauses und die um die Vierungspfeiler herumgeführten Emporen Langschiff und Querhaus zu einem Zentralraum zusammenführen – ein Entwurf, der auf das neue Raumdenken des Protestantismus Ende des 19./Anfang des 20. Jahrhunderts verweist. Durch das raumvereinheitlichende Bauprinzip kreiert der Architekt Christian Friedrich von Leins eine über den historisierenden Stil hinausgehende Raumkomposition, die auf die Moderne und somit den Jugendstil vorausweist.