Das Klösterle in Cannstatt, ein im Kern 1463 erbautes Haus, ist der älteste vollständig erhaltene Profanbau auf dem Gebiet der Stadt Stuttgart. Von der älteren Forschung wurde das Haus aufgrund seines Namens als einer Cannstatter Beginengemeinschaft zugehörig angesehen. Nach neueren Forschungen ist aber davon auszugehen, dass es sich um ein Bürgerhaus handelte.

Das Klösterle steht in der Cannstatter Altstadt nahe der Wilhelmsbrücke, etwas zurückversetzt südlich der Marktstraße als Rest einer ehemalig geschlossenen Fachwerkbebauung um einen kleinen Innenhof. Das Gebäude besteht aus zwei Freigeschossen über einem steinernen Sockel mit Keller. Darüber befinden sich zwei weitere Schräggeschosse unter einem Satteldach mit Rauchlöchern. Oberhalb des Kellerhalses ist ein Erker angebaut, der sich über das zweite und dritte Geschoss erstreckt und mit einem geknickten Walmdach abschließt. Das konstruktive Gerüst des Gebäudes besteht aus einem oberdeutschen Fachwerk aus Eichenholz. Das erhöhte Erdgeschoss wird durch eine steinerne Treppe erschlossen, während eine zweite, hölzerne Treppe von der Rückseite aus ins erste Obergeschoss führt. Im Innern ist das Haus dreizonig aufgebaut, so dass von einem Mittelflur aus die in den beiden Haushälften zum Erker und zur Rückseite hin gelegenen Räume begangen werden können. Der Flur ist mit verputzten Flechtwerkwänden von den Räumen abgegrenzt. Eine vom Erdgeschoss bis unters Dach führende Keilstufentreppe erschließt das Haus über alle Geschosse. Zwei Räume weisen Besonderheiten auf: im ersten Obergeschoss eine Bohlenstube und im zweiten Obergeschoss die sogenannte Kapelle.

Das Erkerzimmer im zweiten Obergeschoss, die sogenannte Kapelle, ist mit einem netzartigen Renaissance-Scheingewölbe ausgestattet. Die Schildbögen sind breiter ausgebildet als die Gewölberippen und mit Blattranken und Masken verziert. Zwei Schlusssteine sind besonders ausgestaltet: Der erste weist das Wappen des Albrecht Wacker auf, mit Schild, Helm und Helmzier. Dem Schild ist ein Arm eingeschrieben, der eine dreigliedrige Blattfigur in der Hand hält. Diesem entspricht eine Manndarstellung in Halbfigur als Helmzier mit derselben Blattfigur. Der zweite Schlussstein ist mit der Jahreszahl 1576 versehen. Im Bereich des Erkers befindet sich zusätzlich ein aus ca. zehn ineinandergefügten Buchstaben aufgebautes Zeichen, dessen Bedeutung bislang ungeklärt ist, vielleicht handelt es sich um das Monogramm des Albrecht Wacker. Die Scheidbögen und Rippen der Gewölbe enden im Bereich des Erkers in acht stuckierten Wandpfeilern. Zusätzlich weisen zwei Wandfelder rundbogige Verzierungen auf, das Türfeld ist ebenfalls von Stuckpfeilern gerahmt und endet mit einem Klötzchenfries.

Es lassen sich drei wesentliche Bauphasen unterscheiden:
Bauphase 1463: Errichtung des Kernbaus mit einer Stube im ersten Obergeschoss mit Bohlenwänden und einer Bretter-Balken-Decke. Die Farbigkeit ist außen rot mit schwarzen Bandelieren und weist innen in den Fluren und Kammern eine Ockerfassung mit Bandelieren auf. Das Dach ist als Kehlbalkendach mit liegendem Stuhl im ersten und stehendem Stuhl im zweiten Dachgeschoss ausgebildet und mit zwei Krüppelwalmen mit Rauchlöchern versehen.
Bauphase 1475: Anschluss des Hauses an eine bereits bestehende hölzerne Brücke, die das Klösterle, eine Scheune und ein weiteres, heute abgebrochenes Haus an der Stadtmauer verband. Ausbau des Erkers über dem Kellerhals.
Bauphase 1576: Ausbau der sogenannten Kapelle mit Stuckdecke und Wanddekorationen durch Albrecht Wacker, der sein Wappen und die Jahreszahl „1576“ in die Stuckdekoration integrieren ließ.

Seit dem Beginn wissenschaftlich-historischer Forschungen im frühen 19. Jahrhundert galt das Klösterle als ein Beginenhaus. Beginen lassen sich in Cannstatt tatsächlich nachweisen, als Wohnsitz war von jeher ein im Zweiten Weltkrieg zerstörtes Haus in der Brunnenstraße bekannt. Vermutlich hat die ältere Forschung durch den Namen „Klösterle“ vorschnelle Schlüsse auf das Vorhandensein eines kleinen Klosters gezogen. Da es in Cannstatt in vorreformatorischer Zeit keine andere geistliche Gemeinschaft gab, ging sie davon aus, dass es sich um einen zweiten Wohnsitz der Beginen handelte. Bei genauerer Betrachtung ist diese Zuordnung aber nicht haltbar. Die wenigen Quellen, die über das um 1540 aufgelöste Beginenhaus in Cannstatt überliefert sind, beziehen sich alle auf das Gebäude in der Brunnenstraße.

1541 wurde das Vermögen der Beginen inventarisiert. Dabei wird nur ein Gebäude genannt, das auf 300 Gulden geschätzt wurde, was dem Anschlag des Beginenhauses in der Brunnenstraße in der Herdstättenliste von 1525 mit 350 Gulden nahekommt. Im Inventar werden auch die acht ehemaligen Beginen namentlich erwähnt. Für acht Frauen war das Haus in der Brunnenstraße aber ausreichend, ein zweites Gebäude war nicht notwendig.

Beginenhäuser hatten zudem eine besondere Raumaufteilung. Für die Frauen standen Zellen zur Verfügung, die von einem langen Flur abgingen. Dadurch entstanden abgeschlossene, gleichartige Raumeinheiten, ähnlich Klosterzellen wie sie z.B. auch in Spitälern üblich waren. Das Cannstatter Klösterle hat aber eine andere Raumaufteilung. Zwar wird das Gebäude in den einzelnen Stockwerken auch über einen Flur erschlossen, von diesem gehen aber verschieden große Räume ab. Gleichartige Zellenräume sind nicht erkennbar.

Der Name „Klösterle“ lässt sich in den Quellen erstmalig 1616 bei der Taufe eines Kindes des Gall Lukas Wacker im Cannstatter Kirchenbuch nachweisen. Eine Erklärung für den Namen konnte bislang aber nicht gefunden werden.

Auch bei der sogenannten Kapelle ist nicht gesichert, wofür der Raum verwendet wurde. Die Stuckdekoration gibt keinen Hinweis auf die ursprüngliche Nutzung, ist aber eher profan gehalten. Die früheste Beschreibung der Cannstatter Häuser, in dem auch die einzelnen Räume erwähnt werden, stammt aus dem Landmessprotokoll von 1717. Dort ist von einem „Cabinet“ die Rede, wenn auch nicht ganz eindeutig ist, auf welchen Raum und in welchem Stockwerk sich diese Bezeichnung bezieht; eine Kapelle ist hingegen nicht erwähnt. Als „Cabinet“ wurden in dieser Zeit Schreibstuben oder kleinere Bibliotheksräume bezeichnet, so dass zumindest in Erwägung gezogen werden muss, dass Albrecht Wacker diesen Raum nicht als Kapelle, sondern als Studierzimmer hat ausstatten lassen.

Der erste Hausbesitzer, der sich für das Klösterle einigermaßen sicher nachweisen lässt, ist Hans Schertlin, der im Cannstatter Steuerbuch von 1563 als Eigentümer von eineinhalb Häusern erwähnt ist. Seinen Wohnsitz hatte er im Haus Marktstraße 63, am nahe gelegenen Klösterle hatte er wahrscheinlich nur Teilbesitz. Seine Witwe Anna Hofstetter, Tochter des Cannstatter Vogts Jakob Hofstetter, kaufte am 23. Januar 1566 den Mitbesitzern Kaspar Fritz, Wolf Leger und Jakob Otten Kinder den fünften Teil am Klösterle ab.

Zehn Jahre später, 1576, lässt Albrecht Wacker in der sogenannten Kapelle im Klösterle sein Wappen anbringen, womit die Besitzverhältnisse erstmalig sicher geklärt sind. Er muss das Gebäude um 1570 von seiner Mutter geerbt haben und hatte es bis zu seinem Tod am 26. Januar 1619 in seinem Besitz. Wacker ist um 1551 als Sohn des Hans Wacker geboren und heiratete 1572 Anna Flur aus Waiblingen. Mit ihr hatte er 11 Kinder. Von 1581 bis 1586 war er Geistlicher Verwalter in Böblingen, danach kam er nach Cannstatt zurück und arbeitete als Prokurator. Er dürfte aber auch von seinen Zinseinkünften gelebt haben und verfügte daneben über einigen Besitz an Äckern, Wiesen und Weinbergen, die er vermutlich selbst oder mit Bediensteten bewirtschaftete.

Als Albrecht Wacker 1619 starb, vererbte er den Gebäudekomplex des Klösterle mit zwei Häusern und eine Reihe von landwirtschaftlichen Nutzflächen seinen drei überlebenden Kindern Gall Lucas, Hans Christoph und Anna. Das Klösterle gelangte neben einem 1577 gekauften Hof und einigen weiteren Gütern in den Besitz der Tochter Anna. Gall Lukas erbte das Nachbarhaus an der Stadtmauer, das auch als „Albrecht Wackers Hof“ bezeichnet wird und das das Verwaltungsgebäude für den landwirtschaftlichen Betrieb Wackers gewesen zu sein scheint. Der Sohn Christoph war im Besitz eines Hauses direkt in der Nachbarschaft, das vielleicht seine Frau in die Ehe gebracht hatte.

In ihrem am 28. April 1630, aufgesetzten Testament vermachte Anna Wacker die Hälfte ihres Vermögens ihrem Ehemann Hans Pfeifer, ihre beiden Brüder sollten je ein Viertel erben. Allerdings hatte Hans Pfeifer das lebenslange Nutzungsrecht an ihren Gütern. Er war spätestens ab 1605 in Cannstatt, wo er als Substitut in der Stadtschreiberei nachgewiesen werden kann. Bei seiner zweiten Heirat 1631 wird er als „Gerichtsverwandter“ genannt, bei seinem Tod am 31. Januar 1634 wird er als „Bürgermeister“ bezeichnet. Ein knappes Jahr nach dem Tod der Anna Wacker heiratete Hans Pfeifer ein zweites Mal, Katharina Wieland, Tochter des Eisenfaktors (Eisenhändler) Johann Wieland aus Vaihingen an der Enz. Am 6. August 1633 ließ Johann Pfeifer sein eigenes Testament aufsetzen und vermachte seiner Verwandtschaft in Göppingen, Vaihingen und Cannstatt verschiedene Legate.

Am 4. Dezember 1638 wiederum verehelichte sich Katharina Wieland, Witwe des mittlerweile verstorbenen Hans Pfeifer in dritter Ehe, mit einem Hans Bergner, dessen Herkunft leider nicht bekannt ist. Am 20. Januar 1650 verfasste sie ihr Testament. Da Hans Bergner „die ganze Zeit gewehrten Ehestandts nicht allein Jhro alles Liebs vnd viel guets, erwisen [...] sondern auch mit Jhro, nach gestalt dißer Beschwehrlichen KriegsZeit, wohl gehaußet“ vermachte sie ihm „Jhre ganze Beraits miteinander Bewohnende Behaußung, Keller, Scheüren, Kleines Gärtle Darbeÿ sambt aller darzue gehöriger gerechtigKeit im Clösterlin genandt“. Hans Bergner verstarb am 13. November 1654. Ein weiterer Hans Bergner, vermutlich sein gleichnamiger Sohn, ist im Steuerbuch von 1664 noch als Besitzer des Klösterle genannt. Die weitere Besitzgeschichte des Klösterle ist bislang nicht erforscht.

In den 1970er Jahren war das Gebäude durch spätere Anbauten entstellt und sollte abgebrochen werden, um einem Kaufhaus Platz zu machen. Aufgrund der Initiative des frisch gegründeten Vereins „Pro Alt-Cannstatt“ konnte aber in den 1980er Jahren eine Sanierung umgesetzt werden, die den Originalzustand des Gebäudes wiederherstellte. Heute befindet es sich in Privatbesitz.

Text: Jörg Heinrich
Schlagwort: Stuttgart-Bad Cannstatt
Quellenhinweise:

Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 54a, St. 30, fol. 3r.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 336, U 1, fol. 3r-3v.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart, H 102/18, Bd. 16.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart, A 284/16, Bü. 5.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart, C 3, Bü. 3441, fol. 161v-162r.
Stadtarchiv Stuttgart 903 Cannstatt 1475, fol. 338r-338v.
Stadtarchiv Stuttgart 903 Cannstatt 1675, fol. 145v-146r.
Stadtarchiv Stuttgart 903 Cannstatt 2396, fol. 44r-45r, fol. 104r-106v.
Stadtarchiv Stuttgart 903 Cannstatt 2397, fol. 33r, fol. 163r-168v.
Stadtarchiv Stuttgart 903 Cannstatt 1492, fol. 348r.

Literaturhinweise:

Albrecht Bedal, Haller Häuserbuch, Künzelsau 2014, S. 410-415.
Norbert Bongartz, Jahrzehntelang hart am Abbruch vorbei – Das „Klösterle“ in Stuttgart-Bad Cannstatt, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 15 (1986), S. 17-24.
Jürgen Hagel, Cannstatt und seine Geschichte, Tübingen 2002, S. 34.
Walther Ludwig, Die humanistische Bibliothek des „Ernvesten“ Wolfgang Schertlin in Esslingen, in: Esslinger Studien (1995), S. 23-30, hier S. 26-28.

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Jörg Heinrich, Klösterle Cannstatt, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/9c81f7b2-9378-40ad-b7cd-ad71e8596bf0/Kloesterle_Cannstatt.html