Der Stuttgarter homöopathische Arzt Richard Haehl (1873-1932) trug zu seinen Lebzeiten eine einzigartige Sammlung zur Geschichte der Homöopathie zusammen. 1920 gelang es ihm, von den Erben den Nachlass von Samuel Hahnemann (1755-1843), dem Begründer der Homöopathie, zu erhalten. Aus den erworbenen Dokumenten und Büchern erarbeitete Haehl nicht nur zahlreiche Publikationen, sondern präsentierte die Objekte auch in seinen privaten Räumen in der Birkenwaldstraße 118 als „Hahnemann-Museum“ der interessierten Öffentlichkeit.
Der bedeutendste Teil des Schriftguts Samuel Hahnemanns, das den Kern des heutigen Homöopathie-Archivs im Institut für Geschichte der Medizin bildet, besteht aus 55 Krankenjournalen in deutscher und französischer Sprache. Darin notierte Hahnemann die Behandlungen der Patienten in seiner Praxis. Seine Frau Mélanie (1800-1878) führte die Krankenjournale nach seinem Tod bis 1863 weiter. Hahnemann behandelte nach einer persönlichen Erstanamnese auch brieflich, vor allem wenn die Patienten weit entfernt wohnten. Darauf gehen die etwa 5.550 Patientenbriefe aus den Jahren 1831 bis 1835 zurück, in denen Kranke dem Arzt ihre Symptome schilderten. Symptomregister, Manuskripte der Werke Hahnemanns sowie Überarbeitungen für weitere Auflagen zählen ebenfalls zu den Beständen. Dazu konnte Haehl den Nachlass der Familie von Bönninghausen erwerben. Der Münsteraner Laienhomöopath Clemens Maria Franz von Bönninghausen (1785-1864) war ein enger Freund und Vertrauter Hahnemanns. Aus seiner Praxis und der seiner Söhne sind 149 Krankenjournale sowie Werkmanuskripte und Briefe erhalten.
Haehls Büchersammlung von etwa 7.500 Bänden bildete den Grundstock für die heutige Bibliothek des Instituts. Dazu kamen die beim Hippokrates-Verlag untergebrachte Bibliothek der Hahnemannia, dem Dachverband der homöopathischen Laienvereine Südwestdeutschlands, sowie die sogenannte „Paracelsus-Bibliothek“.
Das Interesse Robert Boschs des Älteren (1861-1942) und sein Engagement für die Homöopathie waren bekannt. Haehl und Bosch hatten daher beispielsweise in der Frage eines homöopathischen Krankenhauses bereits zusammengearbeitet. Mitte der 1920er Jahre hatte Haehl sein Vermögen inflationsbedingt weitgehend verloren, sodass er sich hilfesuchend an Bosch wandte. Bosch erwarb Sammlung und Bibliothek 1926 und ermöglichte es Haehl, diese bis zu seinem Tod 1932 fortzuführen. Ursprünglich war mit der Unterstützung Boschs geplant, die zahlreichen persönlichen Gegenstände und Dokumente von Samuel Hahnemann und seiner Familie in einem größeren Museum auszustellen. Der Zweite Weltkrieg verhinderte jedoch die entsprechenden Pläne und die Sammlung verblieb in der Obhut der „Stuttgarter Homöopathisches Krankenhaus GmbH“, die sie im 1940 errichteten Neubau des Robert-Bosch-Krankenhauses am Pragsattel (heute Landespolizeidirektion) nur in den Untergeschossen unterbringen konnte. Während des Krieges lagerte man das Schriftgut aus. Größere Objekte wurden innerhalb Stuttgarts untergebracht und 1942 großteils durch Bomben zerstört.
Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die verbliebene Sammlung wieder im Robert-Bosch-Krankenhaus verwahrt, wo der Oberarzt Dr. Heinz Henne (1923-1988) ab 1956 für deren Betreuung freigestellt wurde. Er versuchte mit seinen Forschungen, anhand der Quellen die Grundlagen der Homöopathie herauszuarbeiten. So wollte er zur Lösung aktueller Probleme in der Homöopathie beitragen und die Diskussion um die umstrittene Heilweise versachlichen. 1967 erhielt die Sammlung der Medizingeschichtlichen Abteilung neue Räume in der Stuttgarter Borsigstraße und zog 1974, nun als Medizingeschichtliche Forschungsstelle bezeichnet, erneut um. Nach etwa einem Jahr wechselte man von den Räumlichkeiten in Zuffenhausen in das Firmenmuseum der Robert Bosch GmbH in Feuerbach.
Henne konnte im Laufe seiner Tätigkeit die Medizingeschichtliche Forschungsstelle als Ansprechpartner für Fragen der Homöopathiegeschichte etablieren. Es gelang ihm auch, die Sammlung durch Zukäufe von Nachlässen und Büchern zu erweitern. 1977 erkrankte Henne schwer. Im Zusammenhang mit Überlegungen zu seiner Nachfolge traf man in der Robert Bosch Stiftung die Entscheidung, die Forschungsstelle in ein außeruniversitäres wissenschaftliches Institut umzuwandeln. Dieses sollte homöopathiehistorische und therapiegeschichtliche Fragen in einem breiteren medizinhistorischen Kontext bearbeiten.
Der heutige Sitz des Instituts für Geschichte der Medizin im Straußweg 17 war bis 1979 das Wohnhaus von Margarete Bosch (1888-1979). Die zweite Frau Robert Boschs hatte sich das Gebäude in unmittelbarer Nachbarschaft zur Robert-Bosch-Villa in der Heidehofstraße nach dem Zweiten Weltkrieg bauen lassen. Für die Nutzung als Forschungseinrichtung wurden kleinere Umbauten durchgeführt und so entsprechende Räumlichkeiten für Bibliothek und Spezialarchiv geschaffen. Dort konnte das Institut unter der ersten Leiterin, der Medizinhistorikerin Dr. Dr. habil. Renate Wittern, im Herbst 1981 seine Arbeit aufnehmen. Wittern führte die Forschungsarbeit fort, erweiterte kontinuierlich die Sammlung und verfolgte die Aus- und Weiterbildung im Fach Medizingeschichte. Auf sie gehen bis heute bestehende Veranstaltungsreihen wie die „Instituts-Vorträge“ oder das Fortbildungsseminar für Doktoranden zurück.
1986 wurde als Nachfolger Prof. Dr. Werner Kümmel bestellt. Während seiner Amtszeit wurde die Forschungsarbeit des Instituts auf die Sozialgeschichte der Medizin ausgerichtet. Im Jahr 1990 übernahm schließlich der Historiker Prof. Dr. Robert Jütte die Leitung. Unter seiner Ägide wurden die Forschungen durch den Fokus auf Patienten miteinander verbunden sowie die Homöopathiegeschichte konsequent zu einer Geschichte des Pluralismus in der Medizin erweitert. Ab 2004 trat in Kooperation mit der Robert Bosch Stiftung der Bereich der Pflegegeschichte zu den übrigen Schwerpunkten. Entsprechende Publikationen werden in den bestehenden Schriftenreihen sowie der Zeitschrift „Medizin, Gesellschaft und Geschichte“ veröffentlicht. Ab 1991 beschäftigte das Institut einen wissenschaftlichen Archivar, der neben der Betreuung des Homöopathie-Archivs auch die historischen Unterlagen der Robert Bosch Stiftung und des Robert-Bosch-Krankenhauses sicherte. Heute befinden sich im Homöopathie-Archiv die Nachlässe zahlreicher homöopathischer Ärztinnen und Ärzte sowie bedeutender nationaler und internationaler Organisationen und Einrichtungen.
Seit dem Juni 2020 fungiert das Institut als Gesamtarchiv der Robert Bosch Stiftung und ihrer Einrichtungen. Es hat damit die Aufgabe, das Erbe Robert Boschs in all seinen Facetten und stiftungsverbundenen Einrichtungen zu bewahren und zu pflegen. In der einzigartigen Forschungseinrichtung stehen die umfangreiche Spezialbibliothek mit mehr als 75.000 Publikationen zur Medizingeschichte und der Geschichte des Pluralismus in der Medizin sowie die archivischen Sammlungen und Objekte der Öffentlichkeit zur Verfügung.