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Der Stuttgarter Stadtgarten, an dem sich heute der Universitätscampus Stadtmitte befindet, diente der Bevölkerung über Jahrzehnte hinweg als Naherholungsgebiet und der Wirtschaft als Ausstellungsfläche. Als grünes Kleinod in der Großstadt bereicherte er die Gesellschaft durch seine exotischen Pflanzen und vielfältigen Einrichtungen.

Auf dem Areal des Stadtgartens lag ursprünglich einer von drei Seen, die im 14./15. Jahrhundert von den Grafen von Württemberg außerhalb der Stadtmauern angelegt worden waren. Aufgrund einer zunehmenden Versumpfung und der damit einhergehenden Seuchengefahr, wurde der See 1737 vollständig trockengelegt und auf der gewonnenen Fläche erfolgte die Anlage eines Kräutergartens. Auf Stadtplänen vom Ende des 18. Jahrhunderts lässt sich die Bezeichnung „See-Wiese“ oder „abgegangener großer See“ finden. Erste Alleen sind auf diesen Karten ebenfalls nachweisbar. 1806 folgte die Anlage weiterer, die Wege flankierender Baumreihen. Offensichtlich wurde das Gebiet zum Flanieren, aber auch für Reitausflüge genutzt.

Während sich im 19. Jahrhundert die Stadt nach Westen rasch auszudehnen begann und das Gelände kontinuierlich bebaut wurde, blieb eine rechteckige Freifläche bestehen, der Alleen-Platz. Als auch diese freie Fläche ab 1860 gewinnbringend verkauft und überbaut werden sollte, setzte sich die Bürgerschaft der Stadt mit der Unterstützung verschiedener Zeitungen für den Erhalt dieses Freiraums ein.

Stuttgart wuchs zu dieser Zeit zu einer wirtschaftsstarken Residenzstadt mit einer prosperierenden bürgerlichen Schicht, die gesellschaftliche Teilhabe einforderte. Unter den zahlreichen neu gegründeten Vereinen dieser Jahre, hatte sich 1870 eine Gesellschaft konstituiert, welche die Anlage und Pflege eines Gartens mit Restauration auf dem Alleen-Platz zum Ziel hatte. Vorausgegangen waren lange Verhandlungen, bis das Gelände in den Besitz der Stadt überging und die Stadtgartenverwaltung, welche mit Unterstützung des Bürgertums gegründet worden war, die Trägerschaft übernahm.

1870 fand auf dem Gelände die erste Gartenausstellung in Stuttgart mit Pavillons und Blumenanlagen statt. Der Generalplan stammte von dem Stadtgarteninspektor Adolf Wagner. Er hatte eine Anlage konzipiert, die eine Kombination aus spiegelsymmetrisch angelegten Formen und Merkmalen eines Landschaftsparks aufwies. Die Wege waren in Form einer Blüte ausgeführt, sodass die entstehenden Zwischenräume mit Rasenflächen, kleinen Felsen, exotischen Pflanzen, Gebüschgruppen, dekorativen Gräsern und einem Blumenteppichparterre, dem Schmuckplatz, gefüllt werden konnten. Wagner orientierte sich an der angrenzenden Architektur. Der Stadtgarten war an drei Seiten von Gebäuden eingefasst, darunter die Baugewerkeschule von Joseph Egle. Mit seinem Bestreben, Elemente des sogenannten architektonischen Gartens umzusetzen, stand Wagner unter den Gartentheoretikern nicht allein. Allerdings schuf er durch das Aufbrechen der strengen, traditionellen Formen eines architektonischen Gartens und durch eine große Vielfalt an Pflanzen und Farben eine abwechslungsreiche Anlage. Es gab eine große Zahl an exotischen Pflanzen, darunter auch Palmen. Die großen Blumenteppiche nach barockem Vorbild waren besonders kunstvoll und farbenprächtig. Kleinere Bauten waren zumeist im Stil der Neo-Renaissance ausgeführt. Zur Gartenausstellung von 1870 wurde ein temporäres Palmenhaus aufgestellt, welches 1881 durch ein dauerhaftes Gebäude ersetzt wurde, das wiederum im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde.

Der Stadtgarten in Stuttgart folgte grundsätzlich der Idee eines Volksparkes, der den Bürgern der Stadt, die keine eigenen Grünflächen besaßen, der Naherholung dienen sollte. Ebenso war er ein Ort der Begegnung, des Spiels und des gezeigten Müßigganges. Der Zutritt war jedoch eingeschränkt, da Eintrittsgelder erhoben wurden, um den Garten zu finanzieren. Daher wird man unter den Besuchern hauptsächlich Bürger der Oberschicht vermuten dürfen. Zwar gab es an manchen Tagen reduzierte Preise, um auch anderen gesellschaftlichen Gruppen den Zutritt zu ermöglichen, die Restaurationsgebäude, Konzerte und weitere Vergnügungsanlagen im Park blieben dennoch weiterhin zahlenden Besuchern vorbehalten.

Trotz großer Beliebtheit fehlte es der Stadtgartengesellschaft oft an finanziellen Mitteln. Zehn Jahre nach Eröffnung des Stadtgartens wurde mit der Etablierung einer Landesgewerbeausstellung versucht, die Erhaltung des Stadtgartens wirtschaftlich abzusichern. Mit dem Bau der Gewerbehalle 1881 auf dem benachbarten Grundstück wuchs der Stadtgarten nach Norden und ging mit der Gewerbefläche eine konzeptionelle Verbindung ein. Diese ermöglichte es der Stadtgartengesellschaft, bei großen Ausstellungen in der Gewerbehalle den angrenzenden Garten mit einzubringen. Auch versuchte die Gesellschaft, durch Modernisierungsmaßnahmen das Gelände attraktiv zu halten. 1884 erfolgte beispielsweise die Elektrifizierung sämtlicher Beleuchtungen im Stadtgarten.

Trotz immer neuer Errungenschaften litt die Stadtgartengesellschaft, die mehrere Male neu gegründet werden musste, da Pacht- und Betreiberverträge regelmäßig ausliefen, unter ständiger Geldnot. Sie musste oft von der Stadtkasse bezuschusst werden und mit angrenzenden Veranstaltungen kooperieren. So fand 1886 eine Elektrotechnik- und Kunstgewerbemesse statt, die dem Stadtgarten erneut aus Liquiditätsproblemen half. Durch die inhaltliche Erweiterung des Stadtgartens von einem reinen Erholungsgebiet mit Zeitvertreib zu einem Messe- und Ausstellungsplatz, verfügte Stuttgart über ein ähnliches, wenn auch deutlich kleineres Angebot als die Weltausstellungen der großen Metropolen wie Paris. Eine vollständige Umnutzung zum ausschließlichen Ausstellungsgelände wurde jedoch von der Öffentlichkeit abgelehnt. Der Mehrwert der Naherholung sollte gewahrt bleiben.

Eine wichtige Rolle spielte der Stadtgarten 1908 bei der ersten Bauausstellung in Stuttgart, an der viele bedeutende Architekten wie Theodor Fischer, Paul Schmohl, Karl Hengerer und Martin Elsässer mitwirkten. Der Stadtgarten wurde früh in das Gesamtkonzept integriert, der obere Teil, in dem das „Weinhaus am See“ der Architekten Paul Schmohl und Georg Stähelin dem Stadtgarten erhalten blieb, wurde dafür sogar umgestaltet und erweitert. 1914 fand die Ausstellung für Gesundheitspflege statt, die bis Oktober geplant war, aber wegen des Beginns des Ersten Weltkriegs im August vorzeitig beendet wurde.

Nach Kriegsende sorgte die finanzielle Lage der Stadtgartengesellschaft dafür, dass der Garten 1921 vollständig in kommunalen Besitz überging. In diesen wirtschaftlich schwierigen Zeiten versuchte die Stadt zwar, die Grünanlagen und Gebäude zu erhalten, an aufwendige Veranstaltungen oder bauliche Umgestaltungen war indes nicht zu denken. Mit der politischen Zäsur des Jahres 1933 wurde der Stadtgarten mit seinen großen Sälen recht schnell vom NS-Regime okkupiert. Der Garten bot den neuen Machthabern die räumlichen Möglichkeiten für unterschiedliche Veranstaltungen und Propaganda-Ausstellungen. Im Zweiten Weltkrieg wurde der Stadtgarten bei den Luftangriffen erheblich in Mitleidenschaft gezogen, nicht zuletzt wegen der Nähe zum Firmengelände Bosch. Übrig blieben lediglich wenige Bäume und das ausgebrannte Palmenhaus.

In der Nachkriegszeit verfolgte die Stadt Stuttgart eine konsequente Modernisierung, der auch der historische Stadtgarten letztlich zum Opfer fiel. Auf dem Gelände entstanden ab Mitte der 1950er Jahre neben dem erhaltenen Nordflügel des Polytechnikums und der Baugewerkeschule zusätzliche solitäre Neubauten für die Universität. Der Stadtgarten wurde zur Erschließungsfläche für Fußgänger degradiert, was an historischer Substanz noch zu retten gewesen wäre, wurde abgebrochen.

Ihr heutiges Erscheinungsbild verdankt die Fläche der Bundesgartenschau von 1961, bei der die Gartenanlage in zeitgenössischen Stil überbaut und erweitert wurde. Trotz der nach wie vor verwendeten Bezeichnung und der relativen Lage der Grünfläche im Stadtgebiet verschwanden dabei die letzten Strukturen des alten Stadtgartens.

Text: Sophie-Victoria Schrader, Kristina Stilz
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Timo John, Der Stuttgarter Stadtgarten – Von den Seewiesen zum Universitätscampus, Stuttgart 2002.
Harald Schukraft, Stuttgarter Straßengeschichten, Stuttgart 1986.
Elisabeth Szymczyk-Eggert/Hans Luz/Karlheinz Rücker (Hg.), Gärten und Parks in Stuttgart, Stuttgart 1993.

Publiziert am: 26.02.2021
Empfohlene Zitierweise:
Sophie-Victoria Schrader, Kristina Stilz, Stadtgarten, publiziert am 26.02.2021 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/853d894b-9bcd-4f93-825f-432e6c71874d/Stadtgarten.html