1843 wurde das „Museum der Bildenden Künste“ von König Wilhelm I. als Lehrsammlung gegründet. Durch den Ankauf bedeutender Sammlungen nach 1945 und den postmodernen Anbau von James Stirling 1984 erhielt die Staatsgalerie ihr heutiges Gesicht.

Die Staatsgalerie Stuttgart wurde als „Museum der Bildenden Künste“ 1843 von König Wilhelm I. (1781-1864) von Württemberg eröffnet. In dem klassizistischen Gebäude, das nach Plänen von Georg Gottlieb Barth errichtet wurde, waren neben der Kunstsammlung die Kunstschule, das königliche Kupferstichkabinett und eine Sammlung plastischer Abgüsse untergebracht. Das „Museum der bildenden Künste“ war damit zunächst als Lehranstalt für die Studenten der Kunstschule konzipiert. Es beherbergte Gemälde, Skulpturen und eine reiche graphische Sammlung.

Den Grundstock zur Sammlung legte König Wilhelm I. mit 253 Werken aus seiner königlichen Privatsammlung. Zusätzlich stellte er erhebliche finanzielle Mittel für den Ankauf von Werken zur Verfügung. 1852 wurde die Sammlung der Familie Barbini-Breganze mit 250 Werken der venezianischen Renaissance sowie 1859 die Stuttgarter Sammlung altschwäbischer Malerei von Karl Gustav Abel (1798-1895) erworben. Zwischen 1881 und 1888 wurde das Gebäude durch den Architekten Albert von Bok vergrößert. Von 1845 bis 1897 war der Maler Heinrich von Rustige (1810-1900), der auch als Professor an der Kunstschule unterrichtete, als Inspektor der Gemäldegalerie eingesetzt, was die enge Verbindung zwischen Museum und Lehre noch einmal verdeutlicht.

Mit Konrad von Lange (1855-1921), Ordinarius für Kunstgeschichte in Tübingen, wurde erstmals ein Kunsthistoriker zum „provisorischen Galerie-Inspektor“ ernannt, der in seiner Amtszeit von 1901 bis 1907 eine Professionalisierung der Sammlung durchführte. Er ordnete die Sammlung nach kunsthistorischen Aspekten, erstellte den ersten wissenschaftlichen Bestandskatalog (1903) und stellte einen ausgebildeten Restaurator ein. Außerdem regte er die Gründung des Stuttgarter Galerievereins an. Unter der Schirmherrschaft von König Wilhelm II. wurde der Galerieverein im Jahr 1906 gegründet; zu seinen ersten und wichtigsten Erwerbungen gehörte das Gemälde „Felder im Frühling“ von Claude Monet.

Nach der Abdankung des württembergischen Monarchen wurde Edwin Redslob (1884-1973) im Oktober 1919 Generaldirektor der württembergischen Museen. Wenige Wochen später nahm er zusätzlich den Posten als Reichskunstwart an. Als Reichskunstwart war es seine Aufgabe, nationale Symbole und Feiern künstlerisch zu gestalten. Da er nur sechs Monate in Stuttgart blieb, hat er jedoch wenig Spuren hinterlassen.

1922 wurde Otto Fischer (1886-1948) zum Direktor der Württembergischen Kunstsammlung ernannt. Im Sommer 1924 organisierte er im Rahmen des „Stuttgarter Kunstsommers“ die „Ausstellung Neuer Deutscher Kunst“ im Kunstgebäude am Schloßplatz mit über 400 Werken zeitgenössischer Künstler wie z.B. Max Beckmann, Otto Dix, Lyonel Feininger, Paul Klee, Emil Nolde u.a. Bei der Ausstellung wirkte auch der Kunsthändler Alfred Flechtheim mit, der mehrere Werke als Leihgaben zur Verfügung stellte. Mit dieser Ausstellung gelang es Otto Fischer, den Museumsstandort Stuttgart innerhalb Deutschlands aufzuwerten. Während die Ausstellung überregional große Beachtung und Anerkennung fand, wurde sie in Stuttgart von völkischen Kreisen und konfessionellen Frauenbünden abgelehnt, die in ihrer Publizistik erstmals in Stuttgart von „entarteter Kunst“ sprachen. Trotzdem konnte Otto Fischer einige Werke moderner Kunst auf dieser Ausstellung für die Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart erwerben. Alle diese Erwerbungen wurden entweder 1938 als „entartet“ beschlagnahmt oder im Zweiten Weltkrieg zerstört. Aufgrund der Proteste musste Otto Fischer sich vor dem Württembergischen Landtag verantworten und wurde daraufhin in seiner Entscheidungskompetenz weitgehend eingeschränkt. 1925 unternahm er eine mehrjährige Forschungsreise nach Asien, von der er erst 1927 nach Stuttgart zurückkehrte. Im selben Jahr nahm er die Stelle des Direktors der Öffentlichen Kunstsammlung in Basel an. Der „Stuttgarter Kunstsommer“ von 1924 war somit nur von kurzer Dauer gewesen; die Öffnung des Hauses für die Klassische Moderne und zeitgenössische Avantgarde sollte erst nach 1945 ihre Fortsetzung finden.

Mit seinem Nachfolger Heinz Braune (1880-1957), der 1928 das Amt des Direktors übernahm, kehrte die Staatsgalerie Stuttgart wieder zu einer eher konservativen Ankaufs- und Ausstellungspolitik zurück. Heinz Braune, seinerseits Mitglied im „Kampfbund für deutsche Kultur“, war ein erklärter Gegner des deutschen Expressionismus und gab bereits im Vorfeld der Aktion „Entartete Kunst“ zwei bedeutende Werke von Max Liebermann und Camille Pissarro im Tausch mit dem umstrittenen Kunsthändler Karl Haberstock ab. Braunes größter Erfolg in Stuttgart war sicherlich die Erweiterung der Ausstellungsflächen durch die Einbeziehung des Kronprinzenpalais, in dem Südwestdeutsche Malerei ab 1860, Neuere Plastik, die Graphische Sammlung sowie die neue Abteilung Museumspädagogik bis zur Zerstörung des Gebäudes 1944 untergebracht waren. Seit 1932 trug das Museum offiziell den Namen „Staatsgalerie“. Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde das Museum im August 1939 geschlossen.

Heinz Braune erwarb in der Zeit des Nationalsozialismus mehrere Werke aus jüdischem Eigentum, darunter zwei Gemälde auf einer Auktion der Gestapo in Stuttgart. Zusammen mit dem Konservator Klaus Graf Baudissin organisierte er eine der ersten Vorläuferausstellungen zur Münchner Feme-Ausstellung „Entartete Kunst“ mit dem Titel „Novembergeist – Kunst im Dienste der Zersetzung“ im Juni/Juli 1933. Die Ausstellung lief nur wenige Wochen; da ein Katalog nicht erstellt wurde und die Akten der Staatsgalerie vor 1945 kriegsbedingt zerstört wurden, ist nur wenig über die Auswahl der gezeigten Werke bekannt.

1937 wurden im Zuge der Aktion „Entartete Kunst“ 52 Gemälde und Plastiken sowie 355 Grafiken von einer Kommission im Auftrag des Propagandaministeriums als „entartet“ beschlagnahmt; etwa die Hälfte der Grafiken erwarb der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt (1895-1956) später vom Propagandaministerium. Einige wenige Gemälde, Plastiken und Grafiken konnten nach 1945 über den Kunsthandel von der Staatsgalerie zurückerworben werden, darunter z.B. das „Selbstbildnis mit rotem Schal“ von Max Beckmann, ebenso die beiden an Karl Haberstock abgegebenen Werke von Max Liebermann und Camille Pissarro.

Nachfolger von Heinz Braune wurde 1946 der langjährige Konservator Heinrich Theodor Musper (1895-1976). Mit Unterstützung seines Mitarbeiters Erwin Petermann (1904-1989) gelang es ihm 1959, die Sammlung des norwegischen Reeders Ragnar Moltzau mit Sondermitteln aus den Toto-Lotto-Einnahmen zu erwerben. Diese Sammlung französischer Moderne mit 29 Werken von Paul Gauguin, Henri Matisse, Auguste Renoir, Paul Cézanne, Amadeo Modigliani und Pablo Picasso katapultierte die Staatsgalerie über Nacht in die erste Liga der Kunstmuseen in Deutschland. In der Presse als „Stuttgarter Museumswunder“ tituliert, gab sie den Impuls für viele weitere hochwertige und hochpreisige Ankäufe. Schnell wurde von der Politik erkannt, dass für den Aufbau der Sammlungen in Baden-Württemberg weiterhin Sondermittel nötig waren, um die in der Vergangenheit entstandenen Sammlungslücken zu schließen. Was ursprünglich als einmalige Finanzierung gedacht war, wurde in den Folgejahren vom Land Baden-Württemberg verstetigt; seit 1959 steht sämtlichen Landesmuseen in Baden-Württemberg ein gemeinsamer Fonds zur Finanzierung von Neuankäufen zur Verfügung.

1968 gelang es Erwin Petermann, die Sammlung des Stuttgarter Kaufmanns Hugo Borst von der Familie zu erwerben. Sie umfasst 364 Kunstwerke. Schwerpunkte dieser Sammlung sind zum einen Schwäbische Künstler des 20. Jahrhunderts, andererseits Werke des deutschen Expressionismus und der französischen Moderne. Hugo Borst hatte seine Privatsammlung stets öffentlich zugänglich gemacht – auch in der Zeit des Nationalsozialismus – und seine Sammlung immer als Ergänzung zum Bestand der Staatsgalerie begriffen. Der Staatsgalerie war er auch durch seine langjährige Tätigkeit als Vorsitzender des Galerievereins von 1927 bis 1945 eng verbunden.

1977 wurde unter dem Direktor Peter Beye (*1932) der Anbau der „Neuen Staatsgalerie“ international ausgeschrieben. Der britische Architekt James Stirling (1926-1992) erhielt den Auftrag, die „Neue Staatsgalerie“ als Erweiterungsbau der nun „Alten Staatsgalerie“ zu entwerfen. 1984 wurde das Gebäude, das heute als Inkunabel der postmodernen Architektur gilt, eröffnet. Die Architektur mit ihren poppigen Farben, dem grünen Kautschuknoppenboden, dem Cannstatter Travertin und den ironischen Architekturzitaten löste kontroverse Debatten aus, führte aber auch zu einer optischen Verjüngung des Erscheinungsbildes der Staatsgalerie. Der Stirlingbau ist seitdem ein Markenzeichen der Staatsgalerie. Alte und Neue Staatsgalerie bilden laut Peter Beye seither eine „Vereinigung von Schausammlung und Ausstellungshaus“.

Seit 1988 gab es in der Staatsgalerie Stuttgart Überlegungen, ein Museum für zeitgenössische Kunst gegenüber der Staatsgalerie im Schlosspark zu erbauen. Die fertigen Pläne für dieses Museum wurden jedoch aus Kostengründen wieder fallen gelassen. Stattdessen wurde in den 1990er Jahren die Alte Staatsgalerie saniert und von 2000 bis 2002 ein Erweiterungsbau für die Graphische Sammlung von Wilfrid & Katharina Steib geschaffen. Heute umfasst die Sammlung etwa 5.000 Gemälde und Plastiken sowie 400.000 Grafiken vom Mittelalter bis heute. Ebenso verwahrt die Staatsgalerie mehrere Archivbestände, darunter das Archiv Sohm, die Nachlässe der Künstler Adolf Hölzel und Oskar Schlemmer sowie den Nachlass des Kunsthistorikers Will Grohmann.

Die Staatsgalerie Stuttgart hat seit 1945 viele bedeutende Ausstellungen gezeigt. Dazu gehörten z.B. die monographischen Ausstellungen zum Werk der Künstler Salvator Dali (1989), Claude Monet (2006) und Oskar Schlemmer (2014) sowie die Ausstellungen „Vom Klang der Bilder“ (1999) und „Manet und die Impressionisten“ (2002/3).

Text: Anja Heuß
Schlagworte: Stuttgart-Mitte, Wissenschaftsfestival
Quellenhinweise:

 

 

Literaturhinweise:

Peter Beye, Die Staatsgalerie Stuttgart, in: Stuttgarter Kunst im 20. Jahrhundert. Malerei, Plastik, Architektur, Stuttgart 1979, S. 136-143.
Corinna Höper, Vom „Königl: Ober-Hof Kupferstich-Zusammenleger“ bis heute oder „…Nur Papier, und doch die ganze Welt...“ Zur Geschichte der Graphischen Sammlung der Staatsgalerie Stuttgart, in: „Nur Papier, und doch die ganze Welt“. 200 Jahre Graphische Sammlung, Ostfildern 2010.
Karin von Maur, Bildersturm in der Staatsgalerie Stuttgart, Stuttgart 1987.
Nikolaus Meier, Ars una. Der Kunsthistoriker Otto Fischer (1886-1948), in: Reutlinger Geschichtsblätter N.F. 50 (2011, erschienen 2012), S. 147-208.
Staatsgalerie Stuttgart (Hg.), Königliche Sammellust. Wilhelm I. von Württemberg als Sammler und Förderer der Künste, Berlin 2014.
Anja Heuß, Die Staatsgalerie Stuttgart in der Zeit des Nationalsozialismus, in: Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen Baden-Württemberg 50 (2013/2014, erschienen 2015), S. 47-58.

GND-Identifier: 00480189X
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Anja Heuß, Staatsgalerie, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/83ee8dd9-c023-412a-9f31-52b037f5ccea/Staatsgalerie.html