Der Weg der berühmtesten Pianistin des 19. Jahrhunderts, Clara Schumann, führte auch mehrere Male in die württembergische Residenzstadt. Als Clara Wieck gastierte sie hier 1839 das erste Mal und trat 1888, fast 50 Jahre später, das letzte Mal in Stuttgart auf.

Am 19. Januar 1839 stieg Clara Wieck im Gasthof „Zum Waldhorn“ in Stuttgart ab. Sie war auf dem Weg nach Paris und besserte unterwegs ihre Reisekasse durch Konzerte auf. In Stuttgart gab es am 29. Januar 1839 eine öffentliche Aufführung im Saal der Honoratiorengesellschaft „Museum“. Zuvor hatte Clara Wieck, die frisch gebackene „K. K. Oesterreichische Kammer-Virtuosin“, die Ehre, am 22. Januar 1839 in der Kammer der Königin eine „Concert-Parthie“ veranstalten zu dürfen, was ihr als Honorar ein wertvolles Schmuckstück einbrachte. Während ihres Stuttgart-Aufenthaltes vom 19. bis 31. Januar 1839 machte sie Bekanntschaft mit bedeutenden Persönlichkeiten des Stuttgarter Musiklebens: mit dem Klavierfabrikanten Schiedmayer, dem Musikalienhändler und Mitbegründer des Stuttgarter Liederkranzes Gustav Adolph Zumsteeg (1794-1859), Graf Leutrum (1782-1842), dem Hoftheaterintendanten, und dem Musikschriftsteller Gustav Schilling (1803-1881).

Es dauerte fast 20 Jahre, bis die größte Klavierspielerin des 19. Jahrhunderts wieder Stuttgart beehrte, nun als Clara Schumann. Ihr Konzert wurde in der „Schwäbischen Chronik“ bereits zehn Tage vor dem Eintreffen angekündigt. Es fand am 16. Januar 1858 wiederum im Saal der nun auch „Oberes Museum“ genannten Gesellschaft statt, wobei Clara Schumann als Besonderheit das Klavierquintett ihres Mannes Robert, op. 44, auf das Programm setzte. Am Tag des Konzertes hatte sie noch Zeit, ein Bukett von sechs März-Veilchen zu pflücken, das sie in ihr Blumentagebuch aufnahm, wo man es heute noch betrachten kann. Immerhin brachte ihr das Konzert, obschon es in einer wirtschaftlich schwierigen Zeit stattfand und der König an der damals grassierenden allgemeinen Grippe erkrankt war, das Honorar von 150 Gulden ein, wie Clara Schumann einer Freundin berichtete. Vor dem zweiten Konzert am 22. Januar 1858 wurde sie noch zu einem Privatkonzert bei der Kronprinzessin, Großfürstin Olga Romanowa (1822-1892), ab 1864 Königin von Württemberg, in die Villa Berg eingeladen – der Erlös betrug 100 Gulden. Anlässlich des zweiten Konzerts wurde in der „Schwäbischen Chronik“ lobend erwähnt, dass Clara Schumann auf einem „vortrefflichen“ Schiedmayer-Flügel spielte.

Als Besonderheit bei Clara Schumanns Stuttgart-Aufenthalten ist zu vermerken, dass sie mitunter nicht in Hotels, sondern bei bedeutenden Persönlichkeiten logierte. So bezog sie im Jahr 1858 Quartier im Haus des Verlegers Friedrich Krais (1821-1907). Mit dem Ehepaar Krais blieb Clara Schumann bis 1895 verbunden, wo sich die letzten Briefe nachweisen lassen. Während des Aufenthalts im Jahr 1858 wurde Clara Schumann außerdem eine Professur am im Jahr zuvor gegründeten Konservatorium angeboten. Doch kam es aus Gründen, die sich heute nicht mehr klären lassen, zu keinem Abschluss.

Wiederum vergingen 14 Jahre, bis Clara Schumann in Stuttgart am 16. und 19. Oktober 1872 Konzerte gab. Diese fanden beide im großen Saal der Liederhalle statt, die 1863/64 als Übungs- und Auftrittsort des Stuttgarter Liederkranzes erbaut worden war. Es waren Liederabende mit dem berühmten, seit 1854 mit den Schumanns befreundeten Sänger Julius Stockhausen (1826-1906). Die beiden Künstler brachten u. a. Beethovens Liederkreis „An die ferne Geliebte“, op. 98, und Schumanns „Dichterliebe“, op. 48, unter großem Enthusiasmus des Publikums zur Aufführung. – Wieder nahm Clara Schumann ein Privatquartier. Dieses Mal bei keinem geringeren als dem Bankier und Landtagsabgeordneten Eduard Pfeiffer (1835-1921), der sich auch als Sozialpolitiker in Stuttgart einen Namen machte und 1909 Ehrenbürger der Stadt wurde. Clara Schumann war mit dessen Frau Lilly (1843-1926) seit dem Frühjahr 1872 befreundet.

Im Jahr 1880 nahm Clara Schumann Quartier im Hotel Marquardt. Ihr Konzert am 23. November 1880 fand im Königsbau statt und weist zwei Besonderheiten auf, zum einen weil es zum Besten des Witwen- und Waisenfonds der Mitglieder der Königlichen Hofkapelle und der Hofbühne veranstaltet wurde, zum anderen weil es als „Robert Schumann-Abend unter gefälliger Mitwirkung von Frau Dr. Clara Schumann“ konzipiert war. An diesem Abend wurden ausschließlich Werke von Schumann dargeboten, u. a. dirigierte der Hofkapellmeister Johann Joseph Abert (1832-1915) die 2. Sinfonie und das Klavierkonzert, op. 54, natürlich mit der Solistin Clara Schumann.

Am Montag, den 30. Januar 1882, gab es im „Concert-Saale“ der Liederhalle eine musikalische Soiree mit Clara Schumann „unter gefälliger Mitwirkung von Frau Johanna Klinckerfuss und des Herrn R. von Zur-Mühlen“. Die Pianistin Johanna Klinckerfuß (1855-1924), am Stuttgarter Konservatorium ausgebildet und seit 1874 Gattin des Klavierfabrikanten Apollo Klinckerfuß (1840-1924), spielte zusammen mit Clara Schumann das Schumannwerk op. 46 „Andante und Variationen B-Dur für zwei Klaviere allein“. Raimund von Zur Mühlen (1854-1931) war Tenor und trat als freischaffender Künstler bei diesem Konzert zum ersten Mal in Stuttgart auf.

Vier Jahre bevor Clara Schumann ihre Bühnenlaufbahn beendete, trat sie am 10. Januar 1888 zum letzten Mal in Stuttgart auf. Wieder war es ein Benefizkonzert „zum Besten des Witwen- und Waisenfonds der Mitglieder der Königlichen Hofkapelle und der K. Hofbühne“. Auf dem Programm mit der Hofkapelle unter der Leitung von Paul Klengel (1854-1935) stand „Zum Erstenmale“ die 4. Sinfonie des Clara-Schumann-Freundes Johannes Brahms, und sie selbst trat als Solistin im zweiten Klavierkonzert von Chopin auf. Wie sehr Clara Schumann Freundschaften pflegte, zeigt eine kleine Begebenheit. Am Tag nach dem Konzert weilte sie im Hause Klinckerfuß in der Kanzleistraße 10, und die elf Jahre alte Tochter des Hauses, Margarete (1877-1959), durfte der Klavierberühmtheit die Kinderszenen von Schumann, op. 15, vorspielen, was Clara Schumann mit der Bemerkung kommentierte: „Liebes Kind, du erinnerst mich ganz an deine geliebte Mutter im gleichen Alter und sitzest ja auch bei ihr an der lautersten Quelle.“

Text: Wolfgang Seibold
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Nicole Bickhoff, Clara Schumann in Stuttgart, in: Rundbrief 27 (2019), S. 25–27. https://doi.org/10.53458/rb.vi27.5158
Wolfgang Seibold, Clara Schumann in Württemberg (Stuttgart – Wildbad). Dargestellt anhand von Tagebüchern, Briefen, Konzertprogrammen und Zeitungskritiken, Sinzig 2018.

GND-Identifier: 11861164X
Publiziert am: 29.08.2024
Empfohlene Zitierweise:
Wolfgang Seibold, Clara Schumann (1819-1896), publiziert am 29.08.2024 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/7c40deda-894a-4cb6-886f-1108c08fbe2e/Clara_Schumann_%281819-1896%29.html