Im Jahr 1890 eröffnet, stellt das damalige Arbeiterheim in der Heusteigstraße ein erstes Ausrufezeichen im beispielhaften Engagement Eduard Pfeiffers (1835-1921) dar, der es sich ausgangs des 19. Jahrhunderts zur Aufgabe gemacht hatte, die Wohnungsnot in der rasch wachsenden Stadt zu bekämpfen.
Pfeiffer setzte sich tatkräftig und mit hohem Einsatz eigener finanzieller Mittel dafür ein, dass es in der Stuttgarter Gesellschaft nicht zu ähnlichen sozialen und politischen Verwerfungen kommen würde wie andernorts in Europa. Er erkannte einige Problemstellen, die sich in Stuttgart in besonderem Maße zeigten. Dazu gehörte beispielsweise eine hohe Zahl an Untermietern und Schlafgängern unter den jungen, ledigen Männern und Frauen. Ausgangs des 19. Jahrhunderts wurde in Stuttgart mit großen und teuren Mietwohnungen in starkem Maß spekuliert, weshalb für Familien mit kleinen Einkommen oder Alleinstehende kein ausreichender Wohnraum zur Verfügung stand. Viele Familien waren zudem genötigt, die hohe Mietbelastung durch Untervermietung aufzufangen.
Vor diesem Hintergrund wurde das Arbeiterheim in der Heusteigstraße als Ledigenheim für alleinstehende Arbeiter errichtet, nachdem es auf Betreiben Pfeiffers bereits seit 1873 ein Heim für Fabrikarbeiterinnen in der Stadt gab. Beide stehen am Anfang des Pfeiffer’schen Wohnungsbau- und Strukturprogramms, das seine Höhepunkte in den Siedlungen Ostheim (1891-1903) und Ostenau (1911-1913) sowie in der sogenannten Altstadt-Sanierung (1906-1909) rund um den Hans-im-Glück-Brunnen hatte.
1888 gründete Pfeiffer mit Hilfe zweier von ihm selbst geführten bzw. maßgeblich beeinflussten Vereine – dem „Arbeiter-Bildungsverein“ und dem „Verein für das Wohl der arbeitenden Klassen“ – die Stiftung Arbeiterheim mit dem Ziel, am Rande der Innenstadt ein großes Wohnheim zu errichten. Die Wohnungen waren hauptsächlich für alleinstehende Arbeiter zu maßvollen Preisen gedacht. Das Haus erhielt außerdem einen Gemeinschaftsteil mit Festsaal sowie Lese-, Unterrichts-, Versammlungs- und Unterhaltungsräumen.
Der stattliche, sechsgeschossige Bau wurde am 23. November 1890 eröffnet. Die Pläne stammten von der angesehenen Architektengemeinschaft Louis Wittmann und Friedrich Stahl. Er präsentiert sich im Stil der Spätrenaissance, wie er für andere Gebäude jener Zeit, etwa das zeitgleich erbaute Marienhospital, ebenfalls üblich war. Über der hervortretenden Mittelachse erhebt sich ein bestimmender Dreiecksgiebel; die ebenfalls etwas hervorspringenden äußeren Fensterachsen werden von hohen Walmdächern bekrönt. Die Hauptansicht ist lebhaft gegliedert: Die beiden unteren Geschosse sind vollständig mit einer kräftigen Putzquaderung versehen; in den oberen Stockwerken sind die Wandflächen zwischen den vielen Fenstern glatt verputzt. Drei breite Balkons auf reich ornamentierten Konsolen sowie zwei von kräftigen Säulen flankierte Eingänge verleihen dem Ganzen ein nobles Äußeres: Das Arbeiterheim wirkt eher wie ein „Arbeiterpalast“.
Das Haus bot bis zu 240 ledigen Arbeitern in 125 Einzel- und Doppelzimmern eine dauerhafte Unterkunft. Ausreichend Waschräume, eine moderne Heizung, gute Betten und eine Hauswäscherei sorgten für einen zu jener Zeit bemerkenswerten Komfort. Es entsprach ganz der Vorstellung Pfeiffers, dass es nicht beim Wohnen blieb: Bildungs- und Freizeitangebote sowie ärztliche Versorgung gehörten ebenfalls zum Programm. Ein kleiner Gaststättenbetrieb sorgte dafür, dass man keine Lokale in der Innenstadt aufsuchen musste.
Großen Eindruck machte der Festsaal mit Bühne im Erdgeschoss. Er erstreckte sich über zwei Geschosse und bot einschließlich der Emporen bei Versammlungen und Veranstaltungen rund 1.200 Personen Platz. Ab 1921 hatte auch die Theatergruppe des „Arbeiterbildungs-Vereins“ hier ihre Spielstätte.
1930 benannte sich der Arbeiterbildungsverein in „Allgemeiner Bildungsverein“ um. Im Zuge der Einflussnahme durch die Nationalsozialisten wurde er mehr und mehr zum Sportverein umgeformt. In der Folge wurden für das Haus mehrfach Nutzungsänderungen diskutiert. 1936 bezogen die Hitlerjugend und die NSDAP-Ortsgruppe Fangelsbach einige Räume. 1940 wurde das Heim in „Fangelsbachhaus“ umbenannt. Zugleich sollte das Gebäude in ein Lehrlingsheim umgewandelt werden, wozu es vor Kriegsende jedoch nicht mehr kam. Zum Ende des Krieges zog die Gestapo ein, nachdem deren bisheriger Standort, das „Hotel Silber“ in der Dorotheenstraße, zerstört worden war. Die Stiftung war zwischenzeitlich aufgelöst worden. Erst nach 1947 wurde sie unter Auflagen neu gegründet.
Obwohl relativ innenstadtnah gelegen, blieb das Haus ohne größere Kriegsschäden. Insbesondere der Festsaal war weitgehend unversehrt. Bald nach Kriegsende zog das „Revuetheater Hollywood“ ein und sorgte für Zerstreuung unter den traumatisierten Menschen der Stadt. Weil das Landtagsgebäude zerstört war, bot sich der Saal des Arbeiterheims als geeigneter Versammlungsort an. Nachdem am 15. Juli 1946 im Festsaal des nahe gelegenen Furtbachhauses die erste Sitzung der Verfassunggebenden Landesversammlung für Württemberg-Baden abgehalten worden war und Ende 1946 dort die erste Landtagssitzung stattgefunden hatte, diente der Festsaal des Gebäudes an der Heusteigstraße fast 14 Jahre lang bis Mai 1961 trotz der bescheidenen Räumlichkeiten den Landtagen von Württemberg-Baden und später Baden-Württemberg als Tagungsort. Am 25. April 1952 wurde hier das neue, vereinigte Bundesland ausgerufen, am 11. November 1953 am selben Ort die neue Landesverfassung verabschiedet, im Dezember 1958 Kurt Georg Kiesinger zum Ministerpräsident gewählt.
Nach dem Auszug des Parlaments wurden die oberen Stockwerke 1961 in ein Frauenwohnheim mit rund 100 Zimmern umgewandelt. Heute stehen die kleinen Wohnungen der gesamten Öffentlichkeit für ein „Wohnen auf Zeit“ zur Verfügung. Der Saal hingegen konnte aus Gründen des Brandschutzes zunächst nicht wieder in der früheren Form genutzt werden. Einer Ledergroßhandlung folgte 1983 das Württembergische Staatstheater als Zwischenmieter. Nach Sanierungsarbeiten wurde der Saal des Eduard-Pfeiffer-Hauses, wie es nun wieder heißt, 2009 im alten festlichen Glanz neu eröffnet. Er wird derzeit vornehmlich von einer Experimentierbühne der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste genutzt.