Wilhelm Zimmermann wurde bekannt durch seine in den Jahren 1841 bis 1843 erschienene erste wissenschaftliche Darstellung des Bauernkrieges. Zwischen 1847 und 1851 unterrichtete er als Professor an der "Polytechnischen Schule" Geschichte und deutsche Literatur.

Balthasar Friedrich Wilhelm Zimmermann wurde 1807 als Sohn eines Winzers in Stuttgart geboren. Sein Vater war jedoch zeitweise auch als Lackierer sowie in der Küche am württembergischen Hof tätig. Aufgrund seiner einfachen Herkunft konnte Zimmermann zunächst nur die Deutsche Schule besuchen, bei der es sich um den Vorgänger der Volksschule handelte. Hier wurde seine Begabung schnell erkannt, sodass er auf das humanistische Gymnasium und schließlich auf das Seminar im ehemaligen Kloster Blaubeuren wechseln konnte. Dieses schloss er als Bester des Jahrganges 1825 u.a. mit Friedrich Theodor Vischer (1807-1887) und Friedrich David Strauß (1808-1874) ab. In den folgenden Jahren studierte er als Stipendiat des Tübinger Stifts Theologie. Auch während des Studiums zählte er zu den Spitzenkräften seines Jahrgangs. Aufgrund einer ganzen Reihe kleinerer Unregelmäßigkeiten wurde er jedoch 1829 aus dem Stift verwiesen. Ein Jahr später beendete er das Theologiestudium mit einer durchwachsenen Note. Nach anschließendem Vikariat, dem zweiten theologischen Staatsexamen 1831 sowie der Promotion bei Ludwig Uhland (1787-1862) lebte Zimmermann wiederum in Stuttgart. Hier arbeitete er u.a. an dem von Rudolf Lohbauer (1802-1873) herausgegebenen politischen Tagblatt „Hochwächter“ mit. 1836 gab er zusammen mit Eduard Mörike (1804-1875) das „Jahrbuch schwäbischer Dichter und Novellisten“ heraus.

Vor allem aber schrieb Zimmermann in diesen Jahren eine Vielzahl literarischer Werke, Gedichte wie Bühnenstücke, die aufgeführt, zum Teil auch übersetzt wurden. So verfasste er das Drama „Masaniello, der Mann des Volkes“. Das Stück schildert den Freiheitskampf der Neapolitaner gegen die spanische Fremdherrschaft im 17. Jahrhundert. Mit Freiheit ist das zentrale Thema auch der historischen Werke Zimmermanns genannt, beispielsweise verfasste er 1836 eine Darstellung „Die Befreiungskämpfe der Deutschen gegen Napoleon“.

In den Jahren 1841 bis 1843 erschien schließlich in Stuttgart in drei Bänden Zimmermanns „Allgemeine Geschichte des großen Bauernkrieges“. Inzwischen hatte Zimmermann zwar eine Pfarrstelle in Dettingen an der Erms sowie in Hülben, oberhalb von Urach, angetreten. Wichtig war für Zimmermann jedoch die relative Nähe seines Wirkungsortes zu Stuttgart, sodass er die Möglichkeit zur Recherche im Staatsarchiv besaß.

Bei der Darstellung Zimmermanns zum Bauernkrieg handelt es sich um die erste Arbeit zum Thema, die sich nicht darauf beschränkte, ältere Chroniken zu paraphrasieren, sondern die auf einer umfassenden Recherche von Akten und Urkunden aufbaute und somit den Standards der modernen Geschichtswissenschaft entspricht. Bei seiner Darstellung war Zimmermann der Philosophie Hegels verpflichtet, das heißt, er ging davon aus, dass die Menschheit zur Freiheit voranschreitet. In diesem Zusammenhang sah Zimmermann sämtliche soziale Bewegungen in Europa im Bauernkrieg von 1525 eingeschlossen. Dieser war für ihn nicht nur der Anfang der europäischen Revolutionen, sondern deren Inbegriff im Kleinen. Gemäß der Überzeugung Zimmermanns kämpften die Bauern für die Freiheit, die ihnen als Menschen und somit als Ebenbild Gottes zustand. Dagegen habe der Adel die ursprünglich freien Bauern unterworfen, das Eigentum der Bauern sei zum Lehen geworden und die Freiheit der Bauern zur Leibeigenschaft heruntergesunken. Auch die Kirche hatte für Zimmermann eine Verderben bringende Rolle, da sie durch die Lehre vom Fegefeuer die Bauern dazu veranlasst habe, ihren Besitz geistlichen Einrichtungen zu überschreiben.

Die gesamte Historie wurde von Zimmermann als Geschichte der Unterdrückung und des Widerstandes gegen Unterdrückung verstanden. Diese nahm ihren Ausgang beim Aufstand der Sachsen gegen Karl den Großen (747-814) und führte über bäuerliche Unruhen wie den Aufruhr des „Armen Konrad“ bis zum deutschen Bauernkrieg. Die Gesellschaft um 1500 sah Zimmermann durch eine umfassende Krise geprägt. So habe der Adel einem Luxusbedürfnis gefrönt, zugleich aber seine Legitimation verloren, da sich die Kriegstechnik änderte und das Fehderecht einschränkt worden war. Außerdem konstatierte er für die bäuerliche Bevölkerung Rechtsunsicherheit, weil das Gewohnheitsrecht zurückgedrängt wurde und das Römische Recht an Bedeutung gewann. Nach dem Blick auf die Ursachen schilderte Zimmermann die Entwicklung in den Schwerpunktgebieten. Mit besonderer Sympathie charakterisierte er die „Bewegungsmänner“, also die Anführer der Bauern. Die zwölf Memminger Artikel und das Heilbronner Reichsreformprogramm sah er als einen demokratischen Entwurf an, gemäß dem lauter Freie und Gleiche im Reich einzig unter der Herrschaft des Kaisers zusammenleben sollten.

Wenngleich am Ende des Krieges die Bauern niedergeworfen wurden, so konnte Zimmermann in der Erstürmung des Hohenstaufen gleichwohl das Fanal der Freiheit erblicken und mit Befriedigung feststellen, dass die Burgen als Orte der Unterdrückung und die Klöster als Orte der Verdummung zerstört wurden. Somit hatte Zimmermann mit persönlicher Anteilnahme die sozialen Verwerfungen am Beginn der Frühen Neuzeit beschrieben und unschwer konnte aus seinem Geschichtswerk der Wunsch nach politischer und sozialer Veränderung auch in der Gegenwart herausgelesen werden.

Trotz der eindeutig revolutionären Tendenz seines Werkes wurde Zimmermann 1847 zum Professor für deutsche Geschichte und Literatur an der Polytechnischen Schule in Stuttgart ernannt. An dieser Vorgängerinstitution der heutigen Universität studierten knapp 400 Schüler. Dabei wurden sie gerade einmal von fünf Fachlehrern unterrichtet. Der Schwerpunkt lag auf naturwissenschaftlich-technischen Fächern. Zimmermann sollte ursprünglich nur Literatur unterrichten, Geschichte war aus dem Fächerkanon gerade gestrichen worden. Gleichwohl erteilte Zimmermann auch ca. 50 Zuhörern Privatstunden über deutsche Geschichte. Bei den Schülern war Zimmermann durchaus beliebt, er griff deren Fragen auf, legte weniger Wert auf stupides Auswendiglernen, sondern versuchte vielmehr, die Diskussion anzuregen.

Als Anhänger der konstitutionellen Monarchie wurde er nach dem Ausbruch der Märzrevolution im Mai 1848 als Vertreter des Wahlkreises Schwäbisch Hall-Crailsheim in die Nationalversammlung gewählt, für deren Tagungen er sich jeweils länger von seinem Stuttgarter Lehramt freistellen ließ. In der Paulskirche trat er jedoch nicht mehr für die konstitutionelle Monarchie ein, sondern schloss sich vielmehr der Fraktion „Donnersberg“, die die äußere Linke des Hauses bildete, an. In seinen Redebeiträgen sprach er sich für die Republik aus, eine Monarchie kam für ihn allenfalls noch infrage, wenn der jeweilige Herrscher eine rein repräsentative Funktion einnehmen würde. Auch artikulierte er wiederholt seinen Argwohn gegenüber Beamten, die sich in den Dienst der Despotie gestellt hätten. Wie sollten diese, fragte Zimmermann, zu Werkzeugen der Freiheit werden? Schließlich sprach sich Zimmermann in der Nationalversammlung für eine Trennung von Staat und Kirche und eine freie Kirche in einem freien Staat aus.

Klar abgelehnt hat Zimmermann eine kleindeutsche Reichseinigung mit dem preußischen König Friederich Wilhelm IV. (1795-1861) als Reichsoberhaupt. Dementsprechend hat er sich auch bei dessen Kaiserwahl demonstrativ enthalten. In den letzten Wochen der Nationalversammlung, die zuletzt als Rumpfparlament in Stuttgart tagte, radikalisierte sich Zimmermann. Nunmehr appellierte er demonstrativ an das Volk, das gewaltsam die Republik durchsetzen sollte. Nach der Auflösung des Rumpfparlamentes gehörte Zimmermann noch bis 1854 dem Stuttgarter Landtag an. Gedeckt durch seine Bekanntschaft mit dem württembergischen Märzminister Friedrich Römer (1794-1864) konnte er zunächst weiterhin an der Polytechnischen Schule unterrichten, sah sich aber nach dessen Entlassung im Herbst 1849 und dem Erstarken der Reaktion zunehmend mit Schwierigkeiten konfrontiert. So sammelte von nun an der „Königliche Studienrat“, so hieß in Württemberg die Oberbehörde für alle Bildungsanstalten abgesehen von der Universität und den Elementarschulen, u.a. mithilfe des Lehrers, der ihn während seiner Tätigkeit in Frankfurt vertreten hatte, unablässig Material gegen Zimmermann. Auf der Basis dieser Unterlagen warf 1850 das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens Zimmermann einen parteilichen Blick auf die Geschichte vor. Er habe die Geburtsaristokratie vor dem Proletariat lächerlich gemacht und durch tendenziöse Prüfungsfragen republikanisch-demokratisches Gedankengut vermittelt. Außerdem hielt ihm das Ministerium des Kirchen- und Schulwesens eine angeblich exzentrische Rede im Zusammenhang mit einer Gedenkfeier an seinen Fraktionskollegen Robert Blum (1807-1848) vor. Schließlich wurde Zimmermann im März 1851 entlassen und war in der Folgezeit ohne Anstellung.

Zwischen 1854 und seinem Tod 1878 hatte er noch Pfarrämter in Leonbronn im Zabergäu, Schnaitheim bei Heidenheim und Owen unter Teck inne. Auch publizistisch trat Zimmermann noch wiederholt hervor. Die zweite Auflage seines Buches zum Bauernkrieg entschärfte er jedoch deutlich. Nunmehr wurde keine direkte Verbindung mehr zwischen dem Umbruch im 16. Jahrhundert und der politischen Situation der Gegenwart hergestellt. In einem seiner späten Werke, der „Illustrirten Geschichte des Deutschen Volkes“ äußerte er sich schließlich zustimmend zur Außen- und Kulturpolitik Otto von Bismarcks (1815-1898), doch brachte er zugleich zum Ausdruck, dass er sich als vormaliger Teilnehmer der Revolution von 1848 eine weitere Demokratisierung in der Innenpolitik wünschte.

Geblieben ist von Zimmermann die Studie über den Bauernkrieg, die für Friedrich Engels (1820-1895) die Grundlage für seine Geschichte des Bauernkrieges bildete. Die Arbeit von Engels war eines der ersten Werke im Geiste des Historischen Materialismus und interpretierte die Phase zwischen dem Beginn der Reformation und der Niederschlagung des Bauerkrieges als „frühbürgerliche Revolution“. Freilich wurde dieser Ansatz vor allem in der DDR weitergeführt. – In Württemberg hatte ebenfalls schon im ausgehenden 19. Jahrhundert der spätere Staatspräsident Wilhelm Blos (1849-1927) für die Arbeiterbewegung Zimmermanns Werk zum Bauernkrieg in gekürzter und populärer Form neu aufgelegt und somit zu dessen weiterer Verbreitung beigetragen. Auf literarischem bzw. künstlerischem Gebiet inspirierte Zimmermanns Werk Gerhard Hauptmanns (1862-1946) Drama „Florian Geyer“ sowie den Zyklus „Bauernkrieg“ von Käthe Kollwitz (1867-1945).

Aus wissenschaftlicher Perspektive sind die Erkenntnisse Zimmermanns zum Bauernkrieg inzwischen überholt, gleichwohl würdigt die historische Forschung den Pioniercharakter seiner Arbeit bis heute. Vor allem aber wird Zimmermann als Vorkämpfer für die deutsche Nationaleinheit unter demokratischem Vorzeichen gewürdigt, eine Gedenkstätte an Zimmermann befindet sich in Dettingen an der Erms.

Text: Michael Kitzing
Schlagworte: Stuttgart-Mitte, Wissenschaftsfestival
Quellenhinweise:

Wilhelm Zimmermann, Allgemeine Geschichte des grossen Bauernkrieges. Nach handschriftlichen und gedruckten Quellen, 3 Bde., Stuttgart 1841-1843.
Wilhelm Zimmermann, Masaniello, der Mann des Volkes. Trauerspiel in fünf Aufzügen, Stuttgart 1833.

Literaturhinweise:

Peter Blickle, „Freiheitsbegeisterung“. Wilhelm Zimmermann verankert den Bauernkrieg in der deutschen Geschichte, in: Bauernkrieg und Revolution, Wilhelm Zimmermann: ein Radikaler aus Stuttgart, Stuttgart/Leipzig 2008, S. 37-55.
Otto Borst, Die heimliche Rebellen. Schwabenköpfe aus fünf Jahrhunderten, Stuttgart 1980.
Norbert Conrads, Wilhelm Zimmermann (1807-1878). Ein Stuttgarter Historiker, Stuttgart 1998.
Johannes H. Voigt, Geschichte als Lehre für die Mitwelt: zum 100. Todestag des Pfarrers, Schriftstellers und Historikers Wilhelm Zimmermann, in: Beiträge zur Landeskunde (1978), Heft 5, S. 6-10.
Hans Haußherr, Wilhelm Zimmermann als Geschichtsschreiber des Bauernkriegs, in: Zeitschrift für Württembergische Landesgeschichte 10 (1951), S. 166-181.
Friedrich Winterhager, Bauernkriegsforschung, Darmstadt 1981.
Friedrich Winterhager, Wilhelm Zimmermann: Pfarrer, Politiker, Schriftsteller zwischen Romantik und Gründerzeit; Vortrag anlässlich des 200. Geburtstages von Wilhelm Zimmermann im Rathaus der Landeshauptstadt Stuttgart am 2.3.2007. Balthasar Friedrich Wilhelm Zimmermann 2.1.1807-22.9.1878, Hildesheim 2007.
Eike Wolgast, Wilhelm Zimmermann als Abgeordneter in der Deutschen Nationalversammlung und im Württembergischen Landtag 1848-1853, in: Bauernkrieg und Revolution, Wilhelm Zimmermann: ein Radikaler aus Stuttgart, Stuttgart/Leipzig 2008, S. 133-157.

GND-Identifier: 11877297X
Publiziert am: 23.06.2022
Empfohlene Zitierweise:
Michael Kitzing, Wilhelm Zimmermann (1807-1878), publiziert am 23.06.2022 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/5a17e833-8158-462d-b8ac-8bf42a9c91ac/Wilhelm_Zimmermann_%281807-1878%29.html