Der Gewerkschaftler Karl Kloß gründete 1883 in Stuttgart den Fachverein der Schreiner. In den darauffolgenden zehn Jahren stieg er zum Vorsitzenden des Deutschen Holzarbeiterverbandes auf, der bei seinem Tod 150.000 Mitglieder zählte. Ab 1895 war er der erste Sozialdemokrat im Württembergischen Landtag.

Der am 13. April 1847 in Berlin geborene Kloß war seit 1874 in Stuttgart als Schreiner tätig und engagierte sich hier im „Bund der Tischler und verwandter Berufsgenossen“. Im Jahr 1878 war er Vorsitzender der Kranken-, Unterstützungs- und Sterbekasse des Bundes, im gleichen Jahr wurde der Bund der Tischler – und damit auch dessen Unterstützungskasse – auf der Grundlage des Sozialistengesetzes verboten und das Vereinsvermögen eingezogen. Damit kam es zu einem zweijährigen Stillstand in der Organisation der Schreiner. Im November 1880 initiierte Kloß jedoch die Gründung eines Fachvereins der Schreiner, wobei die Stuttgarter Gründung Vorbildwirkung für die Entstehung weiterer Fachvereine besaß.

Ausgangspunkt für die Gründung des Fachvereins der Schreiner durch Kloß war der Versuch der Möbelfabrik F.W. Brauer, im Jahr 1880 den 11-Stunden-Tag wiedereinzuführen, obwohl zwei Jahre zuvor mit den Arbeitnehmern ein zehnstündiger Arbeitstag vereinbart worden war. Nachdem eine zunächst spontan gebildete Streikkommission den Erhalt des 10-Stunden-Tages bei der Brauer’schen Möbelfabrik durchsetzen konnte, kam es bald zu einer verstärkten Organisation der Möbelschreiner und schließlich unter der Leitung von Kloß zur Gründung des Fachvereins. Dessen Ziel war es, die geistigen und gewerblichen Interessen seiner Mitglieder zu fördern. Hierzu wurden Fachvorträge veranstaltet, Vereinsangelegenheiten besprochen und Unterricht in Fachfragen erteilt. Vor allem übernahm der Fachverein der Schreiner die Prozesskosten für gemaßregelte Mitglieder, genauso wie er ausgesperrte und arbeitslose Mitglieder unterstützte und gemeinsam die Fachpresse sichtete.

Als Vorsitzender musste Kloß stets den unpolitischen Charakter des Vereins betonen. Vorerst sah das Innenministerium von einem Verbot ab, beauftragte jedoch die Polizei, Material über den Verein zu sammeln. In der Folgezeit erweiterte Kloß dessen Zielsetzung. So kämpfte er gegen Überstunden an sowie gegen die Sonntagsarbeit. Taktisch überaus klug hob er in diesem Zusammenhang hervor, dass nach einem ohnehin zehnstündigen Arbeitstag die Sonntagsarbeit den Arbeiter vollständig von seiner Familie wie auch der Religion entfremde. In den Jahren 1881/82 hat der Fachverein der Schreiner in Stuttgart eine ganze Reihe kleinerer Arbeitskämpfe durchgefochten. Neben dem Kampf um höhere Löhne standen dabei Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen im Mittelpunkt. So sollten Arbeitsräume besser belüftet werden, Löhne sollten pünktlich bezahlt und die Fabriken nach Betriebsschluss gereinigt werden. Auch wollten Kloß und seine Mitstreiter den Erlass von Fabrikordnungen verhindern, mittels derer die Arbeiter für etwaige Beschädigungen haftbar gemacht werden konnten.

Eine zentrale Bedeutung für den Aufbau weiterer Fachvereine und deren Zentralisation bildete schließlich 1883 der Stuttgarter Schreinerstreik. In der Möbelfabrik Schöttle streikten zunächst 128 Arbeiter für einen 10-Stunden-Normalarbeitstag und Lohnerhöhungen um 10 bis 20 Prozent. Im Gefolge des Streiks kam es zu einer Koalition sämtlicher Stuttgarter Möbelfabrikanten, die insgesamt 720 Arbeiter ausschlossen. Kloß und der Fachverein reagierten, indem sie nun ihrerseits Maximalforderungen stellten: Ein Drittel mehr Lohn, eine Normalarbeitszeit von 7 bis 18.00 Uhr mit 90 Minuten Mittagspause. Wiederum wünschte Kloß die Abschaffung von Fabrikordnungen. Auf Maßregelungen der ausgeschlossenen Arbeiter sollte verzichtet werden und der Lohn auch während der Zeit der Aussperrung fortgezahlt werden. Nahezu schlagartig wuchs die Zahl der Mitglieder des Fachvereins für Schreiner um 200 auf 1.100 an, wobei freilich die Neumitglieder auf Unterstützung aus der Streikkasse hofften. Der Streik kostete insgesamt 22.000 Mark, zugleich eskalierte dieser weiter, nachdem die Möbelfabrik Schöttle ihre Arbeiter auf Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit verklagt hatte. Um das für Schöttle positive Urteil durchzusetzen, wurden 19 Arbeiter verhaftet und Streikbrecher von außen angeworben. Jedoch konnte Kloß diese Anwerbung unterbinden und bei den auswärtigen Schreinern Aufklärungsarbeit im Sinne des Fachvereins leisten. In etwas über zwei Monaten war es Kloß – nicht zuletzt dank Spenden aus dem Ausland – gelungen, in diesem Arbeitskampf zu bestehen und sechs Prozent Lohnerhöhung durchzusetzen. Zudem wurde der zehnstündige Arbeitstag bestätigt und eine zusätzliche Entlohnung für Überstunden mit 10 Pfennig durchgesetzt.

Zutreffend erkannte das Innenministerium, dass durch den Streik der durchaus sozialdemokratisch orientierte Fachverein an Zulauf gewonnen hatte, gleichzeitig begann nunmehr der überörtliche Zusammenschluss der Fachvereine.

Bereits im August 1883 rief Kloß zur Gründung eines „Zentralverbandes der Vereine der Tischler (Schreiner) und verwandten Berufsgenossen Deutschlands“ auf, dessen Ziel darin bestehen sollte, Unterstützungsfonds für Streikzwecke zu gründen, aber auch eine Unterstützung für Schreiner auf der Wanderung bzw. für arbeitslose Schreiner zu erreichen. Ferner sollte ein solcher Verein auf die Beseitigung der Akkordarbeit drängen. Noch zum Jahresende 1883 konnte Kloß an die Spitze des neu gegründeten Zentralverbandes treten. Sitz des Vereins wurde Stuttgart, wo das Sozialistengesetz etwas weniger restriktiv als andernorts gehandhabt wurde. Gleichwohl war Kloß immer wieder mit Hausdurchsuchungen und zeitweiliger Haft konfrontiert, außerdem sah sich der 1887 unter dem Namen „Deutscher Tischlerverband“ reorganisierte „Zentralverein“ fortwährenden Verfolgungsmaßnahmen durch preußische und bayerische Behörden ausgesetzt. Nichtsdestotrotz gelang es Kloß, noch unter den Bedingungen des Sozialistengesetzes die Mitgliederzahl des Deutschen Tischlerverbandes von etwas über 5.600 im Jahr 1887 auf 17.500 im Jahr 1890 zu steigern. Gleichzeitig wuchs die Zahl der einzelnen Filialvereine von 84 auf 214.

Nach dem Fall des Sozialistengesetzes 1893 konnten als weiterer Erfolg Arbeitnehmer aller holzverarbeitenden Berufe im „Deutschen Holzarbeiterverband“ vereinigt werden, dessen Vorsitz Kloß bis zu seinem Tod 1908 innehatte.

Ab Ende der 1880er Jahre etablierte sich außerdem eine zunehmend vertrauensvollere Zusammenarbeit des Tischlerverbandes mit der Gewerbeinspektion, beispielsweise referierte Gewerbeinspektor Theodor Diefenbach 1888 erstmals vor den Schreinern, genauso wie Diefenbach bereits an Kloß mit Anfragen über Missstände in den Fabriken herangetreten war. In den kommenden Jahren wurde die Zusammenarbeit mit der Gewerbeinspektion weiter vertieft.

Im Jahr 1890 gelangte Kloß erstmals als Kandidat der SPD in den Stichwahlkampf um eines der Stuttgarter Reichstagsmandate. Nachdem er in diesem Jahr noch unterlag, wurde er 1895 als erster Sozialdemokrat neben Menrad Glaser (1853-1896) aus Cannstatt in den Stuttgarter Landtag gewählt. Da Glaser jedoch recht bald starb und die SPD das Cannstatter Mandat nicht verteidigen konnte, war Kloß für vier Jahre der einzige Sozialdemokrat im Halbmondsaal. Nach seiner Wiederwahl 1900 stand er schließlich an der Spitze der fünfköpfigen SPD-Landtagsfraktion. Außerdem gehörte er ab 1891 dem Bürgerausschuss und ab 1897 dem Stuttgarter Gemeinderat an. Als erster Sozialdemokrat Württembergs wurde er außerdem von 1898 bis 1903 in den Reichstag gewählt.

Als Parlamentarier vertrat Kloß eine pragmatische Politik, die auf eine schrittweise Verbesserung der Situation der Arbeiterschaft zielte. In diesem Sinne suchte er im Stuttgarter Landtag vor allem die Kooperation mit der linksliberalen Volkspartei. Dementsprechend unterstützte er auch deren Forderung nach einer umfassenden Verfassungsreform, in deren Mittelpunkt die Umwandlung der Zweiten Kammer in eine reine Volkskammer stand, das heißt, sämtliche Vertreter des ritterschaftlichen Adels, der Kirchen und der Universitäten sollten in die Erste Kammer versetzt werden. Während diese Forderung 1906 verwirklicht wurde, waren weitergehende Wünsche der SPD, insbesondere die Abschaffung der Ersten Kammer, nicht durchsetzbar. Im Landtag setzte sich Kloß außerdem dafür ein, dass eine gesetzlich verankerte Vertretung der Arbeiterschaft geschaffen werde, vergleichbar der Vertretung von Handel und Industrie in der Zentralstelle für Handel und Gewerbe. Dieses Vorhaben war freilich ebenfalls nicht durchsetzbar. Auch wurden nicht, wie von Kloß weiter gefordert, auf Staatskosten Arbeitersekretariate geschaffen. Jedoch gründeten die Gewerkschaften 1897 in Stuttgart ein Arbeitersekretariat, das neben seiner Rechtsberatungstätigkeit immer wieder auf Mängel in der Sozialgesetzgebung hinwies und bei seiner Arbeit letztlich doch von der Regierung unterstützt wurde.

Ein letztes Anliegen von Kloß war die Einstellung weiblicher Fabrikinspektoren, zu der es nach einigem Zögern der Regierung 1899 kommen sollte; entsprechend dem Vorschlag von Kloß wurden ab 1903 außerdem Arbeitervertreter als Hilfskräfte der Fabrikinspektoren eingestellt. Ab 1904 wurde die Gewerbeinspektion insgesamt ausgebaut.

Wenngleich sich im württembergischen Landtag Anknüpfungspunkte für eine partielle Zusammenarbeit zwischen SPD und Regierung ergaben, kam es teilweise auch hier zum Konflikt, so 1899, als die Regierung im Bundesrat der „Zuchthausvorlage“ zugestimmt hatte. Gemäß dieser konnten Arbeiter, die ihre Kollegen zur Teilnahme an einem Arbeitskampf oder zum Beitritt zu einer Gewerkschaft gezwungen hatten, mit Zuchthaus bestraft werden. Dabei wurde die Tätigkeit als Streikposten bereits als Ausübung von Zwang verstanden. Die Zuchthausvorlage scheiterte schließlich im Reichstag. Auf Drängen von Kloß kam es im Landtag zu einer Aussprache über das Abstimmungsverhalten der Regierung im Bundesrat, wobei alle Parteien bis auf die Konservativen die Haltung der Regierung in dieser Frage missbilligten.

Kloß starb 1908 auf einer Vortragsreise in Hamburg. Als seine Leiche im Krematorium des Pragfriedhofs verbrannt wurde, gedachte ihm eine Menschenmenge, die eine Kette bis zum Marienplatz bildete, wodurch die inzwischen erreichte Stärke der SPD demonstriert wurde. Bestattet wurde seine Urne auf dem Heslacher Friedhof.

Text: Michael Kitzing
Schlagwort: Stuttgart-West
Literaturhinweise:

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Das HolzArbeiterBuch. Die Geschichte der Holzarbeiter und ihrer Gewerkschaften, hg. von Helga Grebing/Hans Otto Hemmer/Gottfried Christmann, Köln 1993.
Maja Christ-Gmelin, Die württembergische Sozialdemokratie 1890-1914. Ein Beitrag zur Geschichte des Reformismus und Revisionismus in der deutschen Sozialdemokratie, Univ. Diss., Stuttgart 1975.
Claus Eppe, Aus der Verfolgung in den Wartesaal 1. Klasse, in: Siegfried Bassler (Hg.), Mit uns für die Freiheit. 100 Jahre SPD in Stuttgart, Stuttgart 1987, S. 46-73.
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Wilhelm Keil, Erlebnisse eines Sozialdemokraten, 2 Bde., Stuttgart 1947/48.
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Wolfgang Schmierer/Jörg Schadt (Hg.), Die SPD in Baden-Württemberg und ihre Geschichte. Von den Anfängen der Arbeiterbewegung bis heute, Stuttgart 1979.

GND-Identifier: 133755207
Publiziert am: 06.03.2025
Empfohlene Zitierweise:
Michael Kitzing, Karl Kloß (1847-1908), publiziert am 06.03.2025 in: Stadtarchiv Stuttgart,
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