Es ist eine neuere Version dieses Artikels vorhanden.
Es begann mit einem öffentlichen Badehaus im 16. Jahrhundert und führte an der Schwelle zum 21. Jahrhundert zu einer hochmodernen Klinik mit Vorbildcharakter. In der Badstraße 35 in Bad Cannstatt steht heute das Krankenhaus des Roten Kreuzes, mit dessen Einrichtung 1919 begonnen worden war.

Gegensätzlicher könnte die Geschichte eines Grundstücks kaum verlaufen: Wo heute unter der Hausnummer 35 in der Badstraße in Bad Cannstatt das Rotkreuz-Krankenhaus (RKK) steht und die Landesgeschäftsstelle des Landesverbandes Baden-Württemberg des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) e.V. untergebracht ist, befand sich im 19. Jahrhundert das Luxuskurhotel Herrmann, in dem sich sogar Monarchen zur Saison einmieteten.

Als das Deutsche Rote Kreuz (DRK) in Berlin das Gebäude 1919 für seine württembergische Gliederung kaufte, war die Hochzeit des Kurwesens in Bad Cannstatt schon lange vorbei. Ungleich größer war in dieser Zeit unmittelbar nach dem Ende des Ersten Weltkriegs der Bedarf an öffentlichen Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Aus diesem Grund wollte das DRK in der Badstraße mittelfristig ein Krankenhaus einrichten. Zunächst fand das Gebäude aber seine erste Verwendung als Mutterhaus für die Charlottenschwestern, eine Schwesterngemeinschaft, die sich der Krankenpflege verschrieben hatte. 1926 unterhielt das DRK im nunmehrigen Rotkreuz-Krankenhaus bereits neun Krankenzimmer, in denen 18 Patienten untergebracht werden konnten.

In der räumlich begrenzten Badstraße eine moderne Klinik zu unterhalten, war schon aus baulichen Gründen nicht einfach. So musste sich das Haus 1929 zum Leidwesen seiner Leitung von seinem weit ausladenden Balkon trennen – eine architektonische Besonderheit, die das frühere Hotel an diesem Platz lange Jahre ausgezeichnet hatte. Der Grund: Die Badstraße erhielt nun eine Straßenbahnlinie, und deren Oberleitung wäre zwangsläufig mit diesem Balkon kollidiert. Der Ausbau zur voll funktionsfähigen Klinik machte hingegen während dieser Zeit große Fortschritte: 1932 erhielt das Rotkreuz-Krankenhaus eine eigene chirurgische Abteilung. Dies war eine bedeutende Erweiterung, die es notwendig machte, das Schwesternhaus 1935 in die Silberburgstraße in der Stuttgarter Innenstadt zu verlegen. Nun begann ein umfassender Um- und Ausbau, der erst 1937 endete und der das Rotkreuz-Krankenhaus zu einer medizinischen Einrichtung mit einer breiten Palette von Versorgungsmöglichkeiten machte. Nun standen 98 Betten zur Verfügung, aufgeteilt in Abteilungen für innere Medizin, Chirurgie, Hals-Nasen-Ohren-Versorgung, Hauterkrankungen und Augenheilkunde.

Zu Beginn des Zweiten Weltkriegs stellte die Wehrmacht das Krankenhaus unter ihre Verwaltung und betrieb darin bis 1945 einen Teil des Stuttgarter Reservelazaretts III. Im Februar 1944 wurde das Krankenhaus bei einem Luftangriff schwer von Bomben getroffen. Rund zwei Drittel des Gebäudes lagen in Trümmern. Da nach Kriegsende erneut ein besonderer Bedarf an Krankenhauskapazitäten bestand, wurde zügig mit dem Wiederaufbau der Klinik begonnen. Dieser erfolgte jetzt wieder unter der Leitung des Roten Kreuzes, dem das Krankenhaus 1945 zurückgegeben worden war. Unter teils provisorischen Bedingungen konnten nach und nach 52 Krankenbetten bereitgestellt werden. Nach ersten größeren Instandsetzungsarbeiten, die 1949 endeten, standen dann zumindest wieder 108 Betten zur Verfügung. Allerdings geriet die Renovierung und Modernisierung der Klinik nun durch empfindliche Geldnöte ins Stocken. Bald gab es für die Beseitigung der Kriegsschäden keine Mittel mehr. Die Landeshauptstadt erwies sich schließlich als Retter des Krankenhauses, das ja auch stets einen Eckpfeiler der medizinischen Versorgung der Stuttgarter Bevölkerung gebildet hatte. Die Kommune gewährte 1952 mehrere Darlehen, die den Abschluss des Wiederaufbaus ermöglichten. Nach zweijährigen Arbeiten, die bis Mitte 1956 dauerten, standen dann wieder 125 Betten für internistische und chirurgische Patienten bereit. Der Krankenhausbetrieb konnte wieder in vollem Umfang aufgenommen werden.

Doch bald genügte wieder einmal der Platz erneut nicht mehr. Das größte Problem stellte dabei die Unterbringung des Haus- und Pflegepersonals dar – ein Umstand, der dazu führte, dass vor allem Krankenschwestern nach kurzer Zeit wieder abwanderten. Aus dieser Problematik heraus entwickelte der damalige Generalsekretär des DRK Baden-Württemberg, Dr. Walter Gruber (1911-1983), schon 1957 einen umfassenden Zukunftsplan. Dieser sah vor, auf dem leerstehenden Grundstück neben der Klinik ein Schwesternwohnheim mit Schule sowie ein Altenpflegeheim – es wurde damals als Alterskrankenhaus bezeichnet – und eine Diätgaststätte zu errichten. Darüber hinaus wäre nach diesem Plan eine Erweiterung des Krankenhauses auf 148 Betten möglich gewesen. Zudem war vorgesehen, in dem Neubau die Geschäftsstelle des DRK-Landesverbandes unterzubringen, die sich bis dahin in Stuttgart zur Miete befand. Finanziert werden sollte das ehrgeizige Projekt durch den Verkauf von zwei Parzellen des leeren Grundstücks an einen Investor. Da die Bauvorschriften an dieser Stelle jedoch nur die Errichtung von Gebäuden mit maximal vier Stockwerken zuließen, fand sich kein Kaufinteressent für diese Fläche und der Plan scheiterte in dieser Form.

Dennoch gab Grubers Plan einen Impuls, der sich langfristig positiv für das RKK auswirken sollte. So wurden die Platzprobleme des Krankenhauses noch stärker als bisher ins Blickfeld gerückt, was neuen Lösungen den Weg ebnete. Anfang Mai 1963 konnte der Generalsekretär den DRK-Landesvorstand davon unterrichten, dass der Stuttgarter Gemeinderat seine Vorstellung von einer Erweiterung und Neukonzeption der Klinik in neuer Form befürworte und fördern werde. Diese Förderung stützte sich auf eine lange Tradition: So hatte die Landeshauptstadt schon immer Zuschüsse für Defizite beim laufenden Betrieb des RKK gewährt. Nun übernahm die Stadt die Ausfallbürgschaft für ein Darlehen von 750.000 D-Mark an das DRK für den Neubau. Diesen Kredit brachte das Rote Kreuz zuzüglich seines Eigenanteils von 300.000 D-Mark in das Unternehmen ein. Der größte Zuschuss in Höhe von rund 2,7 Millionen D-Mark für Schwesternwohnheim und Alterskrankenhaus kam vom Land Baden-Württemberg, das ferner die Renovierungskosten des alten RKK-Gebäudeteils mit 390.000 D-Mark unterstützte.

Am 8. Mai 1967 – der 8. Mai ist Weltrotkreuztag – eröffnete der damalige DRK-Präsident Hans Ritter von Lex (1893-1970) den Erweiterungsbau, dessen Errichtung zwei Jahre gedauert hatte. Für seine Zeit war das Konzept des neuen Rotkreuz-Krankenhauses geradezu zukunftsweisend: Es enthielt nun mit dem sogenannten Alterskrankenhaus eine der ersten Fachabteilungen für Geriatrie, also für Altersmedizin, überhaupt. Sie umfasste mehr als 40 der nun insgesamt rund 200 Betten des Krankenhauses. Angegliedert waren die ebenfalls in der ursprünglichen Planung enthaltene Diätgaststätte – sie musste allerdings schon 1969 aus Kostengründen wieder schließen – sowie das Schwesternwohnheim mit 60 Zimmern und Unterrichtsräumen. Laboratorium, Röntgenbereich, Aufzüge und Operationstrakt waren entscheidend verbessert worden. Außerdem verfügte das Krankenhaus jetzt über eine eigene Bäderabteilung, eine Zentralapotheke und eine Blutbank.

Stuttgarts Oberbürgermeister Dr. Arnulf Klett (1905-1974) sagte mit Blick auf die geriatrische Abteilung bei der Eröffnung mit bemerkenswerter Weitsicht, dass das 20. Jahrhundert auch das Jahrhundert der Alten sein werde – eine Einschätzung, die vom heutigen Standpunkt aus geradezu prophetisch klingt. Das neue RKK, dessen Eröffnung zugleich den ersten Einstieg eines privaten Trägers in die Versorgung Alters- und Dauerkranker markierte, stellte sich somit als exemplarische Zukunftslösung dar. Für ihre Unterstützung der Rotkreuz-Arbeit in Stuttgart verlieh der DRK-Präsident der Landeshauptstadt bei der Eröffnungsfeier die Henri-Dunant-Medaille. Zeitgleich mit der Eröffnung der neuen Klinik bekam auch der DRK-Landesverband Baden-Württemberg wie vorgesehen seinen neuen Sitz im Nachbargebäude.

Nach etwas mehr als 20 Jahren, Anfang der 1990er Jahre, erwies sich jedoch auch dieser Bau als nicht mehr zeitgemäß. 1991 erfolgte demzufolge der Spatenstich für eine Sanierung und einen weiteren Ausbau des Krankenhauses, dem die Überreste des historischen Hotels Herrmann nun endgültig zu weichen hatten. Das Gebäude unter der Hausnummer 35 wurde komplett abgerissen und neu aufgebaut. Im 5. Stock wurde zusätzlich eine Verbindung zum benachbarten Gebäude mit der Hausnummer 37 geschaffen. Dieses Gebäude wurde einer völligen Modernisierung unterzogen. Das ehrgeizige Projekt, das bis zu seiner Fertigstellung 1998 mehr als 40 Millionen D-Mark kosten sollte, schuf schließlich 95 Betten für die Innere Medizin, 20 vollstationäre Plätze für Geriatrie- und ältere Rehabilitationspatienten sowie 10 Plätze für die Tagesklinik. Auf die Beibehaltung der früheren chirurgischen Abteilung war aus Kostengründen verzichtet worden. Gleichwohl fungiert das RKK auch als Krankenhaus der Grund- und Regelversorgung mit Notfallambulanz für Bad Cannstatt. Der Rehabilitationsbereich gliedert sich ein in das Gesamtkonzept Stuttgarts für die Behandlung und Betreuung geriatrischer Patienten. Zu Recht bezeichnete der damalige Innenminister Walter Krause (1912-2000) die neue Klinik bei ihrer Inbetriebnahme als ein Haus mit landesweitem Vorbildcharakter.

Mittlerweile weist das „Krankenhaus vom Roten Kreuz“ insgesamt 102 Betten auf und verfügt über folgende Fachabteilungen und Zentren: Klinik für Pneumologie, Pneumologisch-Neurologisches Zentrum, Lungenkrebszentrum, Kompetenzzentrum interventionelle Lungenemphysemtherapie, Zertifiziertes Beatmungsentwöhnungszentrum, Physiotherapie, Radiologie.

Jährlich werden dort etwa 4.200 Patienten stationär und 2.200 ambulant behandelt. Die Klinik beschäftigt mehr als 190 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unter ihnen 103 Vollzeitkräfte. Was die Besitzverhältnisse anbelangt, so liegen heute nur noch 26 % beim DRK, 74 % hingegen bei der Sana Kliniken AG, einem der größten privaten Klinikbetreiber in Deutschland.

Text: Peter Poguntke
Schlagwort: Stuttgart-Bad Cannstatt
Quellenhinweise:

Stadtarchiv Stuttgart 19/1 Hauptaktei 1930, 1931.
Stadtarchiv Stuttgart Zeitungsausschnittsammlung O 1.5.3.
Pressearchiv Landesverband Baden-Württemberg des Deutschen Roten Kreuzes e.V.

Publiziert am: 30.07.2019
Empfohlene Zitierweise:
Peter Poguntke, Rotkreuz-Krankenhaus, publiziert am 30.07.2019 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/484d9982-d9a1-4fc5-8f62-0b0ffbdf5081/Rotkreuz-Krankenhaus.html