Die Karriere führte Fritz Elsas vom Stuttgarter Rathaus über die Vizepräsidentschaft des Deutschen Städtetags zum Zweiten Bürgermeister von Berlin. 1945 wurde er als Gegner des Nationalsozialismus im KZ Sachsenhausen ermordet.

Der Lebensweg von Fritz Elsas begann am 11. Juli 1890 in Cannstatt in der König-Karl-Straße 43. Er entstammte einer angesehenen jüdischen Familie. Die früh verstorbene Mutter, Bertha Elsas, war die Tochter von Salomon Lindauer, der in Cannstatt in der Hallstraße 25 eine erfolgreiche und bedeutende Korsettfabrik aufgebaut hatte. Der Vater, Julius Elsas, war Mitinhaber einer großen Mechanischen Buntweberei in der Überkinger Straße.

Fritz Elsas besuchte nach der Grundschule das Cannstatter Gymnasium in der Brunnenstraße, das heutige Johannes-Kepler-Gymnasium, das er im Juli 1908 unter Befreiung vom mündlichen Examen erfolgreich abschloss. Über diese frühe Zeit haben sich fast keine Dokumente erhalten. Sein Name erscheint in einem Mitgliederverzeichnis des Cannstatter Tennis-Clubs am Kurpark ebenso wie die Namen seiner Tante Marie Lindauer und seines Onkels Ernst Reichenberger (1879-1943), der in der König-Karl-Straße 24 eine Zahnarztpraxis führte; er wurde in Auschwitz ermordet.

Nach dem Abitur führte Elsas‘ Weg nach München, Berlin und Tübingen, wo er 1912 das Studium der Rechts- und Staatswissenschaften mit der Promotion zum Dr. rer. pol. abschloss. Sein Plan, eine wissenschaftliche Laufbahn an einer Universität einzuschlagen, machte der Ausbruch des Ersten Weltkrieges zunichte.

Da er aufgrund seiner Kurzsichtigkeit nicht zum Kriegsdienst eingezogen wurde, bemühte er sich an anderer Stelle, einen Dienst fürs Vaterland zu leisten. Nach verschiedenen Anläufen wurde er noch im August 1914 bei der Stuttgarter Handelskammer eingestellt, bevor er am 1. Februar 1915 mit der Bezeichnung „wissenschaftlicher Hilfsarbeiter“ als Leiter des Mehlhauptamtes in den Dienst der Stadt Stuttgart trat. In dieser Position konnte er all seine Fähigkeiten und Talente ausschöpfen. Denn je länger der Krieg dauerte, desto stärker wurde die Lebensmittelversorgung reglementiert und zentralisiert. Damit gewann seine Dienststelle, die schon bald zu einem „Städtischen Lebensmittelamt“ aufgewertet worden war, an Bedeutung. Bei Kriegsende war Elsas Leiter von acht Abteilungen mit über 220 Mitarbeitern. Was der Berufsanfänger in dieser Position geleistet hat, kommt im Neuen Tagblatt vom 19. Oktober 1926 zur Sprache: „So hat er die Lebensmittelversorgung Stuttgarts in einer Weise organisiert, daß sie für die hiesige Bevölkerung unter Berücksichtigung der Kriegsverhältnisse gleichmäßig und pünktlich arbeitete und in Fachkreisen als eine der besten in ganz Deutschland galt.“

Gleich zu Beginn des Krieges hatte Elsas auch im privaten Bereich eine Entscheidung getroffen. Am 20. Dezember 1914 hielt er beim Cannstatter Fabrikdirektor Gottlob Scholl um die Hand von dessen Tochter Marie an. Ein halbes Jahr später, am 19. Juni 1915, fand die Heirat statt. Der standesamtlichen Trauung im Rathaus von Cannstatt folgte die kirchliche Feier in der evangelischen Heilandskirche in Berg durch den Cannstatter Stadtpfarrer August Kübler – Elsas war inzwischen konvertiert. Das Paar bezog eine gemeinsame Wohnung in der Schoderstraße am Killesberg. Im Abstand von jeweils zwei Jahren wurden ihnen drei Kinder geboren: Marianne (1916-1966), Hanne (1918-1958) und Peter (1920-1998).

Kurz nach Kriegsende, 1921, entschloss sich Elsas „mehr geschoben von der weiblichen Seite“ als aus eigenem Antrieb, ein Haus zu bauen. Ein Jahr später konnte die Familie in ihr neues Heim, Im Schüle 6, ebenfalls am Killesberg, einziehen.

Nach dem Ersten Weltkrieg stellte er in zweierlei Hinsicht neue Weichen. So schloss er sich der neugegründeten Deutschen Demokratischen Partei (DDP) an. Elsas konnte sich schnell profilieren und zählte dank seiner „intellektuellen Brillanz“ bald zu den führenden demokratischen Politikern in Stuttgart. Öfters waren wichtige Parteifreunde wie Reinhold Maier, Peter Bruckmann oder Eberhard Wildermuth in seinem Haus zu Gast. Mit Theodor Heuss, der in Berlin lebte, bestand in jener Zeit ein enger brieflicher Austausch über verschiedene Parteiinterna. 1924 wurde er auf der Liste der DDP in den Landtag gewählt.

Auch in beruflicher Hinsicht hatten sich für ihn nach dem Ersten Weltkrieg eine Perspektive ergeben. Im April 1919 war er in der Stadtverwaltung in eine neue, eigens für ihn geschaffene Stelle als Rechtsrat für Handels-, Gewerbe-, Verkehrs- und Pressewesen aufgerückt. Auch hier bewährte er sich glänzend. Nicht ohne Grund wurde er im erwähnten Tagblattartikel 1926 wie folgt gelobt: „Diese seine absolute Sachlichkeit und die Gewissenhaftigkeit, mit der er alles, was zu seinem Tätigkeitsgebiete gehörte, behandelte, sicherten ihm bei allen Parteien des Gemeinderates ein Vertrauen, wie es in einem Stadtparlament ein Beamter [...] in führender Stellung nur selten genießen wird.“

Dank seines großen Ansehens war Elsas auch als Kandidat für die Stuttgarter Oberbürgermeisterwahl 1921 im Gespräch. Elsas zögerte jedoch aus zweierlei Gründen. Zum einen wollte er nicht als einziger aussichtsreicher Bewerber gegen den Amtsinhaber Karl Lautenschlager, seinen Vorgesetzten, antreten. Zum anderen wusste Elsas zu genau, dass es gegen ihn antisemitische Vorbehalte gab. So hielt ihn der einflussreiche Parteipolitiker Wilhelm Bazille für tüchtig, nahm jedoch in Bezug auf eine mögliche Kandidatur „an seinem Namen […] Anstoß“. Damit war für ihn die Entscheidung gefallen, eine Kandidatur nicht ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Ohne einen richtigen Gegenkandidaten wurde Lautenschlager im April 1921 mit großer Mehrheit für weitere zehn Jahre wiedergewählt. Allerdings lag die Wahlbeteiligung nur bei knapp über 40 Prozent.

Eine wichtige politische Episode für Elsas in der damaligen Zeit war die kurze Anwesenheit der Reichsregierung und der Nationalversammlung in Stuttgart nach dem gescheiterten Kapp-Putsch im März 1920. Als Pressereferent der Stadt war er unmittelbarer Zeuge der Ereignisse. In seine Zuständigkeit fiel ein Abschiedsessen der Stadt für die Reichsregierung im Ratskeller des Stuttgarter Rathauses. Darüber schrieb er in seinen Erinnerungen: „Alle waren durch Aufregungen und angestrengte Arbeit der letzten Tage recht mitgenommen und erschöpft. Aber beim offenen schwäbischen Wein [...], Saitenwürstchen und Kartoffelsalat hob sich die Stimmung bald.“

Elsas‘ Ruf als tüchtiger, fähiger, ja brillanter Kommunalbeamter hatte sich herumgesprochen. So ist es nicht verwunderlich, dass er wiederholt Stellenangebote bekam. Im September 1926 wurde er fast einstimmig zum Vizepräsidenten und geschäftsführenden Vorstand des Deutschen und Preußischen Städtetages in Berlin gewählt und hat somit nach elfjähriger kommunaler Tätigkeit Stuttgart mit seiner Familie verlassen. Durch seine neue Tätigkeit kam er in kürzester Zeit in Verbindung mit zahlreichen politischen Persönlichkeiten der Reichshauptstadt und fast allen wichtigen Oberbürgermeister, wie z.B. Konrad Adenauer oder Karl Goerdeler. Aus manchen Begegnungen entwickelten sich über das Dienstliche hinausgehende Verbindungen bis hin zu Freundschaften. So zählte Karl Goerdeler zu den privaten Gästen im Hause Elsas in Berlin-Dahlem.

Abschluss und Höhepunkt seiner kommunalpolitischen Karriere bildete der erneute Eintritt in den unmittelbaren Gemeindedienst. Am 14. April 1931 wurde er zum zweiten Bürgermeister der Stadt Berlin gewählt. Knapp zwei Jahre konnte er diese Tätigkeit ausüben, bevor er nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten entlassen wurde. Als entschiedener Demokrat und Gegner des Dritten Reiches sowie als Jude, wenn auch konvertiert, war er für die neuen Machthaber nicht mehr tragbar.

Nach seiner Entlassung arbeitete er als Wirtschafts- und Devisenberater. Gleichzeitig schloss er sich im Frühjahr 1934 einem liberalen Widerstandskreis an. Aufgrund seiner zahlreichen früheren beruflichen Kontakte und Bekanntschaften entwickelte sich Elsas zu einem wichtigen Bindeglied zwischen den späteren Widerstandskreisen um Karl Goerdeler und seinen Freunden und anderen Gruppierungen.

Elsas verfasste für Goerdeler auch Vorschläge und Gutachten über wirtschaftliche und arbeitsrechtliche Fragen einer zukünftigen Regierung nach der Beseitigung Hitlers. Ebenso arbeitete er die Proklamation aus, mit der Goerdeler nach einem erfolgreichen Sturz Hitlers an die Öffentlichkeit treten wollte. Er selbst war als Leiter der Reichskanzlei vorgesehen.

Nach dem gescheiterten Attentat vom 20. Juli 1944 tauchte der steckbrieflich gesuchte Goerdeler zweimal im Haus von Fritz Elsas auf. Bei einem dieser Besuche wurde Goerdeler wahrscheinlich von Nachbarn oder Passanten erkannt.

Damit war das Schicksal von Fritz Elsas besiegelt. Am 10. August 1944, zwei Tage vor Goerdeler, wurde er verhaftet und in das Untersuchungsgefängnis Moabit in der Lehrter Straße gebracht. Seine Familie sollte ihn nie wiedersehen. Trotz Folter bei den Befragungen hat Elsas keine Mitwisser belastet. Bis Ende Dezember 1944 blieb er in Moabit, anschließend wurde er in das KZ Sachsenhausen verlegt. Dort wurde er dann Anfang Januar 1945 „im abgekürzten Verfahren“ ohne förmlichen Prozess durch einen Genickschuss getötet. Da der genaue Zeitpunkt seines Todes nicht ermittelt werden konnte, wurde amtlicherseits als Todesdatum der 18. Januar 1945 festgesetzt. An diesem Tag machte der „Deutsche Reichsanzeiger“ die Einziehung des gesamten Nachlasses von Fritz Elsas zugunsten des Deutschen Reiches bekannt.

Bereits 1946 benannte die Stadt Stuttgart eine Straße nach Fritz Elsas.

Text: Manfred Schmid
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Manfred Schmid (Hg.), Auf dem Stuttgarter Rathaus 1915-1922. Erinnerungen von Fritz Elsas (1890-1945) (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Bd. 47), Stuttgart 1990.
Manfred Schmid (Hg.), Fritz Elsas. Ein Demokrat im Widerstand. Zeugnisse eines Liberalen in der Weimarer Republik, Gerlingen 1999.

GND-Identifier: 118926527
Publiziert am: 09.09.2021
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Schmid, Fritz Elsas (1890-1945), publiziert am 09.09.2021 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/4584f0b7-56a1-46be-9618-b859640db437/Fritz_Elsas_%281890-1945%29.html