Die zwischen 1968 und 1972 erbaute Siedlung Heumaden-Hochholz galt zur Zeit ihrer Entstehung insbesondere wegen ihrer Terrassenbauten als eine der modernsten Wohnanlagen in Stuttgart.

Zahlreiche Wohnungen und Siedlungen waren in Stuttgart schon in den 1950er Jahren errichtet worden, und trotzdem ergaben Schätzungen am Ende des Jahrzehnts noch immer einen Fehlbestand von rund 20.000 Wohneinheiten. Ein großes Problem war der Mangel an bebaubaren Grundstücken.

Auf dem Gelände der späteren Siedlung Hochholz hatten primär die Grundstückseigentümer ein großes Interesse an einer Bebauung. Sie entwickelten 1961 die Idee, die bis dahin landwirtschaftlich genutzte Fläche am südwestlichen Rand des Stadtteils Heumaden mit Eigenheimen zu bebauen. Die Eigentümer versuchten daraufhin, bei der Stadt die Erschließung des Geländes zu erreichen und ließen sogar einen eigenen Bebauungsentwurf ausarbeiten. Die Stadt strebte jedoch ein höheres Maß an baulicher Nutzung an. Zu jener Zeit wirkte als Maßgabe des Städtebaus unter dem Stichwort „Urbanität durch Dichte“ die bauliche Verdichtung auf die Planungen von Wohnanlagen ein. Dieses Planungsprinzip löste das den durchgrünten Siedlungen der 1950er Jahre zugrundeliegende Leitbild der „gegliederten und aufgelockerten Stadt“ ab.

Nachdem die Eigentümer signalisiert hatten, dass sie auch einem Verkauf der Fläche zustimmen würden, befasste sich das Planungsamt mit dem Gebiet und stellte zwischen 1963 und 1968 den Bebauungsplan Birkenwald-Hochholz auf.

Die „Wohnbau Württemberg Gemeinnützige Gesellschaft mbH Stuttgart“ erwarb das insgesamt vier Hektar große Bauland und beauftragte das Büro für Städtebau und Architektur Kilpper + Partner (ab 1970 ARP Architektenpartnerschaft Stuttgart) mit der Planung. Dieses Büro gehörte mit den am Projekt Hochholz beteiligten Mitarbeitern Peter Schmelzer, Marlen Flor und Siegfried Aisenbrey in den 1960er und 70er Jahren zu den bekannten Büros in Stuttgart.

Das Wohngebiet wurde in drei Abschnitten entwickelt. In den Jahren 1969 bis 1971 entstanden fünf Terrassenbauten, dazu in den Jahren 1968 bis 1972 drei in Zeilen angeordnete Wohnblöcke und eine Reihe von winkelförmig aneinandergereihten Gartenhofhäusern.

Die Siedlung zeichnete sich durch eine hohe Qualität der Wohnungen sowie eine anspruchsvolle Gestaltung der Häuser und Freiräume aus. Ihr Ruf reichte über Stuttgart hinaus, die Nachfrage nach den Wohnungen überstieg damals das Angebot.

Von besonderem Interesse sind die zur Entstehungszeit in architektonischer und städtebaulicher Hinsicht innovativen fünf Terrassenbauten, die innerhalb der zusammenhängend geplanten Stadterweiterung die herausragenden und charakteristischsten Häuser darstellen. In diesen fünf Bauten wurden insgesamt 280 Wohneinheiten in 30 Varianten von Ein- bis Fünf-Zimmer-Wohnungen mit 41 bis 144 Quadratmeter Wohnfläche untergebracht. Sie wurden als Eigentumswohnungen für einkommensstärkere Interessenten konzipiert.

Städtebauliches – und vom Bauherrn gefördertes – Ziel war es, Vorteile des Wohnens im Eigenheim auf den Geschosswohnungsbau zu übertragen, Wohnungen mit hohem Wohnwert und individuell differenzierten Freiraumbezügen zu schaffen und trotz der großstädtischen Verdichtung Maßstäblichkeit zu wahren. Vorbilder waren dabei Gebäudetypen wie die in den 1960er Jahren vielerorts in Hanglagen entstandenen Terrassenbauten. Die Idee der Architekten war, die Wohnanlage als räumliche Einheit mit eigener architektonischer Prägung und als identitätsstiftenden Lebensbereich für die Bewohner auszugestalten. Sie sollte sich deutlich von anderen Wohnprojekten unterscheiden.

Der Idee des Eigenheims auf der Etage entsprechend, erhielten die künftigen Wohnungseigentümer die Möglichkeit, innerhalb der bestehenden Konstruktion und vorgegebenen Wohnungsgröße individuelle Grundrisswünsche einzubringen. Dies bedeutete, dass auch für gewisse spätere Veränderungen die Voraussetzungen gegeben waren. Ferner konnten umfangreiche Sonderwünsche bei der Wohnungsausstattung berücksichtigt werden, beispielsweise bei Türen, Bodenbelägen, Küchen- und Sanitäreinrichtungen oder Einbauschränken. Das Büro bot eine umfassende Sonderwunschberatung an und hatte dafür extra eine Musterwohnung eingerichtet.

Bei den Gebäuden handelt es sich um „All-Beton-Häuser“, dies bedeutet, dass die gesamte Konstruktion einschließlich der nichttragenden Zwischenwände aus Beton besteht. Sämtliche Fassadenelemente wurden als Fertigteile angeliefert, auch die Balkonbrüstungen mit Fußböden, die als Winkelfertigteile in die aus Ortbeton gegossenen Decken eingespannt wurden. Die optisch außergewöhnlichen Balkonbrüstungen wurden in Rissbeton hergestellt, wobei durchgetrennte aneinandergereihte Metallrohre in die Schalung eingelegt und, nach deren Entfernung, die Stege mit der Hand nachbearbeitet wurden.

Die fünf parallel angeordneten, zwischen 60 und 93 Meter langen und 15 m breiten, flach gedeckten Baukörper sind leicht aus der Nord-Süd-Achse gedreht und von drei über sechs bis zu neun Geschossen nach Süden geringer, nach Norden stärker abgetreppt. Jeweils an den Enden der abgestuften Etagen beziehen sich zwei großzügige Wohnungen in Längsrichtung auf unterschiedlich geräumige, teilweise gedeckte Terrassen. Im Gebäudeinneren sind zwei bis vier Wohnungen pro Geschoss um die Erschließungszonen gruppiert, wobei die Drei- und Vierzimmerwohnungen in Ost-West-Richtung durchorientiert und die kleineren Wohneinheiten nach Westen ausgerichtet sind.

Die Architektur ist stark geprägt von den umlaufenden, schräg gestellten Balkonbrüstungen, die sämtliche Bauten durchgehend horizontal gliedern. Als akzentuierende und rhythmisierende vertikale Gliederungselemente stehen an den Ostseiten vorgezogene überhöhte Aufzugstürme mit steilen Pultdächern dagegen, die nachträglich in gelber Farbe gefasst wurden. Neben der gestaffelten Höhe und differenzierten Länge der Bauten sind weitere bauliche Elemente wie z. B. eingezogene Loggien und vorgezogene Eingänge für die gelungene Maßstäblichkeit und das differenzierte unverwechselbare Erscheinungsbild der Bauten von Bedeutung.

Entwurfsbestimmend und für die Architektur in hohem Maße prägend war der enge Freiraumbezug der Wohnungen, die Vorstellungen vom Wohnen „unter den Bäumen – in den Bäumen – oder über den Bäumen“ ermöglichen sollten, wie es eine zeitgenössische Architekturzeitschrift ausdrückte. Jeder Wohnung wurde ein nicht einsehbarer Freiraum in Form von Terrassen, Balkonen, Loggien oder Gärten zugeordnet, die zu unterschiedlichen Tageszeiten eine gute Besonnung und vielerlei Möglichkeiten für Bepflanzungen bieten.

Gestaltungsanspruch und Nutzungsvielfalt kennzeichnen bis heute die gemeinschaftlichen Freiräume, die sich dank der weitgehend in Tiefgaragen untergebrachen Parkmöglichkeiten zwischen den Gebäuden ausdehnen. Sie sind mit Rasenflächen, Strauch- und Baumbepflanzungen, Mauern, Zäunen und verschiedenartigen Bodenbelägen ausgestaltet, grenzen verschiedene Aufenthaltsbereiche voneinander ab und werden ergänzt von Elementen wie Leuchten, Pflanzkübeln und Sitzbänken. Ein zentraler Platz und Treffpunkt mit Brunnenanlage wird am nördlichen Rand von niedrigeren, jeweils nur dreigeschossigen Gebäudeteilen gerahmt. Spiel- und Sitzplätze, wie z.B. Kinderspielplätze, Pingpong, Schach, sind für unterschiedliche Altersgruppen angelegt. Zu den gemeinschaftlich genutzten Flächen gehören ferner bis heute existierende eingefriedete Wäschetrockenplätze. In die öffentlichen Freiräume wirken optisch zudem die den Erdgeschosswohnungen vorgelagerten Hausgärten ein.

Für die Nahversorgung war ursprünglich eine Ladenzone im Erdgeschoss des westlichen Gebäudes eingerichtet, die – einer allgemeinen Entwicklung folgend – heute mit anderen Nutzungen belegt ist.

Die Terrassenbauten sind mitsamt den gestalteten Freiräumen in einem bemerkenswert gut erhaltenen Zustand und stehen seit 2011 unter Denkmalschutz. Auch nach der Sanierung in den Jahren 2012 bis 2017 blieb ihr Erscheinungsbild weitgehend bewahrt.

Text: Edeltrud Geiger-Schmidt
Schlagwort: Stuttgart-Sillenbuch
Quellenhinweise:

Telefonat der Autorin mit Siegfried Aisenbrey (ARP Architekten), Stuttgart, am 4.12.2017.


Literaturhinweise:

Edeltrud Geiger-Schmidt, Wohnen unter den Bäumen, in den Bäumen oder über den Bäumen. Die Terrassenbauten der Siedlung Hochholz in Stuttgart-Heumaden, in: Denkmalpflege in Baden-Württemberg 40 (2011), Heft 4, S. 245-246.
Karin Hopfner/Christina Simon-Philipp/Claus Wolf (Hg.), größer, höher, dichter. Wohnen in Siedlungen der 1960er und 1970er Jahre in der Region Stuttgart, Stuttgart 2012.
Christina Simon-Philipp, WohnOrte². 90 Wohnquartiere in Stuttgart von 1890 bis 2017. Entwicklungen und Perspektiven, Stuttgart 2017.
Wohngebiet eigener Prägung – von hohem Wohnwert. Heumaden-Hochholz bei Stuttgart, in: Architektur + Wohnwelt 82 (1974), Heft 4, S. 230-233.

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Edeltrud Geiger-Schmidt, Siedlung Hochholz, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/3da09f1c-c2ab-496a-9cb0-e4498c10c08e/Siedlung_Hochholz.html