Nach der Einführung der Reformation im Jahr 1534 wurde das Stuttgarter Dominikanerkloster aufgehoben. 1536 schenkte Herzog Ulrich die Klosteranlage der Stadt als neuen Sitz ihres Spitals. Die Klosterkirche wurde unter dem Namen Hospitalkirche für den evangelischen Predigtgottesdienst genutzt. Von 1570 an amtierten die Prediger der Hospitalkirche zugleich als Spezialsuperintendenten (Dekane) für Stadt und Amt Stuttgart. 1806 wurde die Hospitalkirche, die bis dahin nur Filialkirche der Stiftskirche war, zur Pfarrkirche mit eigenem Sprengel erhoben.

Nach der Einführung der Reformation durch Herzog Ulrich wurde das Dominikanerkloster aufgehoben. Der Herzog schenkte die Klosteranlage im Februar 1536 der Stadt als neuen Sitz ihres Spitals. Die Klosterkirche wurde jetzt ebenso wie die Kirche St. Leonhard als evangelische Predigtkirche ohne Pfarrrechte genutzt. Über diese verfügte auch in evangelischer Zeit bis 1806 für ganz Stuttgart allein die Stiftskirche.

Herzog Ulrich beauftragte 1534 den lutherischen Theologen Erhard Schnepff aus Marburg mit der Durchführung der Reformation im Nordteil Württembergs. Zugleich war Schnepff als „Pfarrer“ für die evangelische Seelsorge in Stuttgart zuständig. Dafür standen ihm insgesamt vier Kirchendienerstellen für Prediger und Diakone zu Verfügung, die er mit zum evangelischen Bekenntnis übergetretenen Geistlichen besetzte. Schnepff selbst verließ Stuttgart 1544, sein Nachfolger wurde Valentin Vannius. 1546 besetzten im Zuge des Schmalkaldischen Krieges kaiserliche Truppen Stuttgart, 1548 begann das von Kaiser Karl V. verordnete Interim. Über die zwischen 1534 und 1546/48 in Stuttgart tätigen evangelischen Diakone und Prediger vgl. den Artikel zu Erhard Schnepff. Eine Zuordnung der einzelnen Geistlichen zu einer der drei Stuttgarter Kirchen ist für diese ersten zwölf Jahre nach Einführung der Reformation kaum möglich und sinnvoll. Die späteren kirchlichen Amtsstrukturen der Stadt waren in dieser Übergangszeit noch wenig ausgebildet.

Herzog Christoph (1550-1568) ordnete die kirchlichen Verhältnisse in Württemberg neu. Den Gottesdienst in der Hospitalkirche prägten zunächst jedoch weiter Provisorien. Bis 1556 gab es nur einen Geistlichen. 1550-1551 amtierte Georg Udel, der als Diakon „anstatt predigers“ bezeichnet wurde und anschließend als Pfarrer nach Markgröningen ging, 1551-1453 der aus Bayern kommende Thomas Naogeorgus. 1553 wurde Michael Scholl, zuvor Diakon an St. Leonhard und Prediger im Siechenhaus, auf die „Prädikatur im Spital“ berufen, wechselte jedoch noch im gleichen Jahr auf die Pfarrei Derendingen. Daraufhin übernahm der zweite Diakon der Stiftskirche Leonhard Beuerlin das Amt des Predigers und Diakons im Spital und versah es bis 1456. Ihm folgte Bernhard Sartor, der von 1557 bis 1570 als Prediger der Hospitalkirche wirkte.

Seit 1556 gab es an der Hospitalkirche einen weiteren Geistlichen, der zur Entlastung des Predigers Aufgaben eines Diakons wahrnahm. Zwar wurde regulär erst 1608 eine eigene Diakonatsstelle neben der des Predigers begründet. Aber eine von G. Wais publizierte Pfarrtafel, die sich nach seiner Angabe vormals in der Sakristei und seit 1902 im Chor befand, führt die an der Hospitalkirche tätigen Diakone schon vom Jahr 1556 an namentlich auf. Eine Überprüfung ergab, dass es sich bei den bis 1608 auf dieser Tafel genannten Geistlichen mit nur zwei Ausnahmen um die Inhaber der zweiten Diakonatsstelle der Stiftskirche handelte. Diese versahen das Diakonat an der Hospitalkirche offenbar mit. Auch nach 1608 riss die Verbindung nicht ab. Bis zum Jahr 1800 übernahmen die als Diakone der Hospitalkirche angestellten Geistlichen nach ein- oder mehrjähriger Tätigkeit an dieser Kirche fast sämtlich das Amt des zweiten Diakons der Stiftskirche. Zwischen 1800 und 1837 stiegen dann vier Hospitaldiakone zu ersten Diakonen der Stiftskirche auf. Zu erklären ist diese enge Personalverflechtung damit, dass die Stiftskirche bis 1806 zuständige Pfarrkirche und die Hospitalkirche ihre Filialkirche war. Eine zweite Diakonatsstelle an der Hospitalkirche wurde nach einem Versuch in den Jahren 1737-1742 definitiv 1838 geschaffen, ein drittes Diakonat folgte 1866.

Das Amt des Predigers an der Hospitalkirche erfuhr 1570 eine deutliche Aufwertung. Die damit betrauten Geistlichen hatten seitdem auch das Amt des Spezialsuperintendenten (ab 1817 Dekan) für die Stadt und das Amt Stuttgart inne (ab 1819 nur noch für die Stadt). Vielen Hospitalpredigern kam bald erheblicher Einfluss auf das religiöse und geistige Leben in Stuttgart zu. Für die meisten von ihnen, zu denen von 1862 bis 1868 auch der Dichter und Stuttgarter Ehrenbürger Karl Friedrich Gerok gehörte, war der mit der Position eines Dekans verbundene Predigtdienst an der Hospitalkirche jedoch nur eine Durchgangsstation auf dem Weg zu weiteren hohen Kirchenämtern. Sie stiegen in der Folge zu Predigern an der Stiftskirche, zu (Ober-) Hofpredigern, zu Oberkonsistorialräten oder Prälaten auf.

1806 wurde die Hospitalkirche zur Pfarrkirche mit eigenem Sprengel erhoben. Seit 1874 führten die Stelleninhaber des ersten Diakonats, ab 1899 die des zweiten die Titel zweiter bzw. dritter Stadtpfarrer. Mit dem dritten Diakonat war von Anfang an die Jugendseelsorge in Stuttgart verbunden.

1684 wurde der reformierten Gemeinde Stuttgarts gestattet, ihren Gottesdienst ebenfalls in der Hospitalkirche zu halten. 1699 zog sie in die Kapelle des Bebenhäuser Hofes um. Nach ihrer Vereinigung mit der evangelischen Landeskirche wählten die Reformierten die Hospitalkirche 1826 erneut zu ihrem Gotteshaus, 1847 stellte man die eigenständige reformierte Pfarrei jedoch wieder her.

Mit der Umwandlung der Kloster- in eine evangelische Predigtkirche waren zunächst keine gravierenden baulichen Veränderungen verbunden. Das Chorgestühl blieb auch nach der Auflösung des Konvents am alten Ort. Wann der Lettner zwischen Chor und Hauptschiff abgerissen wurde ist allerdings nicht bekannt. Um 1573 wurde die Kanzel an einem der vorderen Pfeiler zwischen Haupt- und Seitenschiff neu errichtet, 1575 die Kirche „oben getäfert und ausgestrichen“. Damit war dem Bedeutungszuwachs Rechnung getragen, den die Predigerstelle der Hospitalkirche durch ihre Verbindung mit dem Spezialsuperintendentenamt erfahren hatte. 1612 erhielt die Kirche eine Orgel. Der neu errichtete Turm an der Ostseite des südlichen Seitenschiffes konnte 1738 im Rohbau fertiggestellt werden. Den Begräbnisplatz bei der Hospitalkirche stellte die Stadt 1746, den Begräbnisplatz über der Hospitalkirche (sog. Mittlerer Friedhof) 1804 ein. In den Jahren 1821-1822 wurde die Kirche grundlegend erneuert und umgebaut. Im Hauptschiff ersetzte ein hölzernes Kreuzgewölbe die bisherige flache Holzdecke. In den Seitenschiffen wurden Emporen eingezogen, in die Wand zum Kreuzgang vier Fenster eingebrochen, die alte Orgel der Stiftskirche hierher versetzt. 1834 schenkte der Bildhauer Johann Heinrich Dannecker der Kirche das Gipsmodell der von ihm geschaffenen Christusstatue. 1845 folgte die zweite von schließlich insgesamt drei Glocken im Turm. In den Jahren 1877 bis 1883 sowie 1904/05 wurde die Kirche erneut renoviert und umgestaltet. 1879 erhielt sie eine steinerne Kanzel, 1883 eine neue Orgel. Ein Reformationsdenkmal (Bildhauer Jakob Brüllmann) stellte man 1917 vor der Südwand der Kirche auf.

Im Zweiten Weltkrieg fielen 1944 sowohl die Hospitalkirche als auch die vormaligen, seit 1894 von der Stuttgarter Stadtpolizei genutzten Baulichkeiten des Spitals dem Bombenkrieg zum Opfer. Der Wiederaufbau des Chors, den man als Kirche für die kleiner gewordene Hospitalkirchengemeinde ausreichend fand, war 1960 abgeschlossen. Die noch erhaltene südliche Außenmauer des Langhauses ließ man als Ruine stehen. Auf dem ehemaligen Klosterareal entstand ein kirchliches Verwaltungs- und Bildungszentrum (Hospitalhof), das 2012-2014 durch einen Neubau mit gleicher Funktion ersetzt wurde.

Auch in evangelischer Zeit war die Kirche lange ein beliebter Begräbnisort. Die um die Wende zum 20. Jahrhundert noch vorhandenen Grabdenkmale und Kunstwerke behandeln die Veröffentlichungen von J. Hartmann und F. von Gaisberg-Schöckingen, den Stand um 1970 O. Scholl. Das Original der am Übergang zum 16. Jahrhundert für den Friedhof der Leonhardskirche gestifteten Kreuzigungsgruppe (Bildhauer Hans Seyffer) wurde schon 1895 in die Hospitalkirche verbracht und befindet sich heute im Altarbereich des als neue Gemeindekirche wiedererstandenen Chors.

Text: Bernhard Neidiger
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Hermann Ehmer, Erhard Schnepf. Ein Lebensbild, in: BWKG 87 (1987) S. 72-126.
Hermann Ehmer, Valentin Vannius und die Reformation in Württemberg (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Bd. 81), Stuttgart 1976.
Gustav Wais, Die St. Leonhardskirche und die Hospitalkirche zu Stuttgart, Stuttgart 1956, S. 78f. (sog. „Pfarrtafel“).
Albert Scholl, Die Hospitalkirche in Stuttgart (Schnell und Steiner kleine Kunstführer), München 1976.
Christian Siegel, Das evangelische Württemberg, seine Kirchenstellen und Geistlichen von der Reformation bis auf die Gegenwart, 17 Bde., masch. o.O. 1910ff (vorh. im Lesesaal der Landesbibliothek).
Friedrich Freiherr von Gaisberg-Schöckingen, Bildwerke in der Spitalkirche zu Stuttgart, in: WVjH NF 15 (1906) S. 436-459. Gustav Bossert, Die Württembergischen Kirchenstellen bis 1556, in: BWKG 9 (1905) S. 1-42.
Julius Hartmann, Chronik der Stuttgarter Hospitalkirche, Stuttgart 1888.
Chrisian Friedrich Sattler, Topographische Geschichte des Herzogthums Würtemberg, Stuttgart 1784.

 

GND-Identifier: 4330829-6
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Neidiger, Hospitalkirche, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/38fd263a-1d10-4be3-ab89-481c85491270/Hospitalkirche.html