Das Dominikanerkloster wurde 1473 von Graf Ulrich V. zur Verbesserung der Seelsorge in seiner schnell wachsenden Residenzstadt gegründet. Nach der Einführung der Reformation im Jahr 1534 wurde das Kloster aufgehoben.

Nach Eingang der päpstlichen Genehmigungsurkunde gründete Graf Ulrich V. der Vielgeliebte von Württemberg 1473 in der von ihm angelegten Neuen Vorstadt das Stuttgarter Dominikanerkloster. Den Grundstein für den Kirchenbau hatte er schon 1471 gelegt. Stiftungsmotive des Grafen waren persönliche Frömmigkeit, der Wunsch nach Mehrung seines Herrscherprestiges und vor allem die Sorge für die Verbesserung der Seelsorge in seiner schnell wachsenden Residenzstadt. Graf Ulrich beschrieb in der Urkunde, in der er die Predigtzeiten der Dominikaner mit den Gottesdiensten in der Stiftskirche abstimmte und den Brüdern das Recht zur Beichtabnahme und zur Beerdigung von Laien in ihrem Kloster zusprach, die Gründe seiner Klostergründung näher. Er habe die Dominikaner berufen, damit umso fleißiger für sein und aller Gläubigen Seelenheil gebetet werde, vor allem jedoch zur Besserung des Lebens seiner Untertanen in Stuttgart wie auch aller übrigen Menschen, die durch die Predigt und die guten Werke der Dominikaner zum guten Handeln angeleitet werden sollten.

Den Wünschen des Stifters entsprechend beauftragte der Orden den Prior des observanten Nürnberger Konventes mit der Einrichtung der neuen Niederlassung, welcher zwölf Brüder nach Stuttgart entsandte. Das Nürnberger Kloster hatte sich schon 1396 der Reformbewegung des Dominikanerordens angeschlossen. Eine Besonderheit war, dass die Brüder sich in Stuttgart einem strengen Armutsgebot unterwerfen und auf die Annahme von Jahrtag- und Ewigmessstiftungen sowie auf entsprechende feste Einkünfte verzichten mussten. Sie sollten sich ganz dem Studium und der Seelsorge widmen und allein von den Gaben leben, die ihnen die Gläubigen als Dank für Predigt und Beichtabnahme zukommen ließen. Die Dominikanerobservanten ließen sich auf diese Auflagen des Grafen ein, weil sie das neue Kloster als Stützpunkt für die Reform der zahlreichen Dominikanerinnenklöster in Württemberg nutzen wollten. Das Nürnberger Kloster stellte den nach Stuttgart ziehenden Brüdern 87 Bände für die Bibliothek sowie Kelche und Messgewänder, Hausgerät und Mittel für den Bau zur Verfügung. Die zu geringe Grundausstattung und fehlende Einkünfte führten bald zur Krise. Johannes Pruser, der erste Prior nach dem Gründungsvikar Georg Haas, trat schon 1475 von seinem Amt zurück. Der Konvent wurde jetzt dem Nürnberger Prior unterstellt, der eigene Statuten für das Stuttgarter Ordenshaus erließ. Pruser blieb trotz allem als Lektor und Prediger in Stuttgart und wirkte als Vertrauensmann Graf Ulrichs an der Reform der württembergischen Dominikanerinnenklöster mit.

Württemberg bestand seit der Landesteilung von 1442 aus den beiden selbständigen Territorien Württemberg-Stuttgart und Württemberg-Urach. Die Dominikanerobservanten arbeiteten bei der Reform der Dominikanerinnenklöster, die 1478 erfolgreich abgeschlossen werden konnte, auch mit Graf Eberhard im Bart, dem Landesherrn von Württemberg-Urach, eng zusammen. Graf Eberhard erwog damals sogar, die Dominikaner an die 1477 von ihm gegründete Universität Tübingen zu berufen. Er gab diesen Plan jedoch wieder auf. Grund war die Verurteilung des der Häresie angeklagten Wormser Dompredigers Johann von Wesel unter federführender Mitwirkung der Kölner Dominikanerobservanten im Jahr 1479, die von Mitgliedern des humanistisch orientierten Weltklerus als Angriff auf alle Weltkleriker und Nichtthomisten verstanden wurde. Für Eberhard im Bart hatte sich gezeigt, dass die streng thomistische Theologie Kölner Prägung sich anders als die der älteren Wien-Basler Dominikanerschule nicht mit seinen Vorstellungen von Kirchenreform und der an der Universität Tübingen gelehrten Theologie vereinbaren ließ. Nach dem Tod Graf Ulrichs 1480 und der erfolgreichen Wiedervereinigung der beiden württembergischen Landesteile verlegte Eberhard im Bart 1482 seine Residenz nach Stuttgart. In besonderer Weise gefördert hat der neue Stadtherr das Dominikanerkloster nicht.

Trotzdem konsolidierte sich die Situation des Konventes seit dem Ende der 80er Jahre des 15. Jahrhunderts. Von 1483 an lassen sich Beziehungen zu Mitgliedern des württembergischen Dienstadels nachweisen. Besonders verbunden war dem Kloster die Familie Welling aus der Stuttgarter Ehrbarkeit. 1490 stifteten die Meister des Stuttgarter Zimmer-, Schreiner- und Binderhandwerks, 1493 die Stuttgarter Weber ihre Bruderschaft in der Dominikanerkirche. Mit Johannes von Aufkirchen, dem späteren Provinzial, ist 1489 erstmals wieder ein eigener Prior des Konvents belegt. Den seelsorgerischen Erfolg der als Prediger und Beichtväter gut ausgebildeten Brüder belegen auch Begräbnisse wohlhabender Laien im Kloster und wachsende Spannungen mit der Stiftskirche als Inhaberin der Pfarrrechte in Stuttgart. Während Herzog Ulrichs erster Regierungsperiode seit 1498 erlebte das Dominikanerkloster eine zweite Blütezeit. Schenkungen des Herzogs und seines Hofes auch für das 1503 in Stuttgart abgehaltene Provinzkapitel lassen sich nachweisen. Das besondere Besitzverbot wurde 1513 aufgehoben.

Nicht zuletzt aufgrund der Begünstigung des Konvents durch Herzog Ulrich wurde Stuttgart einer der Schauplätze des Streites um die unbefleckte Empfängnis Mariens, den die Dominikaner damals mit den Franziskanern, den meisten anderen Orden und humanistisch gebildeten Mitgliedern des Weltklerus ausfochten. Hintergrund war, dass der Ordenslehrer der Dominikaner Thomas von Aquin die unbefleckte Empfängnis Mariens verneint, der Ordenslehrer der Franziskaner Duns Scotus sie dagegen bejaht hatte. 1506 versetzte die Dominikanerprovinz den Frankfurter Bruder Wigand Wirt als Prior nach Stuttgart. Wirt hatte schon in Frankfurt die Vorwürfe aufgegriffen, die nach der Verurteilung des Dompredigers Johann von Wesel gegen seine Kölner Ordensbrüder erhoben worden waren, und in seiner Streitschrift „Dialogus apologeticus“ die Franziskaner und alle, die sie in der Frage der unbefleckten Empfängnis unterstützten, als Anhänger der Lehren Johanns von Wesel bezeichnet. Nach dem Verbot der weiteren Verbreitung des „Dialogus“ in den Bistümern der Erzdiözese Mainz beschuldigte Wirt nun alle Befürworter der unbefleckten Empfängnis in Thesen, die er an der Tür der Stuttgarter Dominikanerkirche anschlug, und in seinen Predigten erneut der Weselianischen Ketzerei. Der Vikar der Franziskanerobservanten verklagte ihn deshalb beim Papst, und Wirt wurde 1513 nach längerem Prozess zum Widerruf verurteilt. In Stuttgart hatten der Thesenanschlag und die Predigten Wirts hohe Wellen geschlagen. 1511 kam es daher zur Stiftung einer eigenen Predigerstelle in der Kirche St. Leonhard. Außer dem eigentlichen Stifter, dem Kaplan Johannes Vestner, waren an dieser Stiftung auch das Stift und seine Salvebruderschaft, Vogt und Gericht als Pfleger der Salvebruderschaft sowie der Humanist Johannes Reuchlin beteiligt. Ziel dieser Prädikaturstiftung war es, in Stuttgart ein theologisches Gegengewicht zu den Auffassungen der Dominikaner zu schaffen. Ebenfalls 1511 veröffentlichte Reuchlin seinen Augenspiegel in der Frage der hebräischen Bücher und hatte sich in der Folge mit den Angriffen der Kölner Dominikanerobservanten auseinanderzusetzen. Er gab seine schon 1501 bei den Dominikanern gestiftete Grabstätte auf und wählte nun die Kirche St. Leonhard als letzte Ruhestätte.

Als Baumeister der Dominikanerkirche werden Aberlin Jörg (Chor) und Conrad von Gundelsheim genannt. Es handelte sich um eine Bettelordenskirche mit nach oben durch eine flache Holzdecke abgeschlossenem Hauptschiff und zwei Nebenschiffen. Ein in evangelischer Zeit abgebrochener Lettner trennte den wohl schon kurz nach 1473 fertiggestellten Chor von der Predigtkirche. 1479 waren auch Haupt- und Nebenschiffe unter Dach und der Fürstenstand fertiggestellt, den sich Graf Ulrich im nördlichen Seitenschiff errichten ließ. 1493 konnten die Bauarbeiten an der Kirche abgeschlossen werden. Aus dem gleichen Jahr stammt das bis heute erhaltene Chorgestühl. Langsamer gingen die Bauarbeiten an den Klostergebäuden voran. 1476 gab es allerhand „Gemach“ für die Wohnung der Brüder, 1505 waren die Gebäude gen Westen fertiggestellt. Von den erhaltenen Grabdenkmälern und Epitaphien der Hospitalkirche aus dominikanischer Zeit sind der von Jörg von Sachsenheim 1489 gestiftete Altaraufsatz und das von Martin Schaffner gemalte Epitaph des 1532 verstorbenen Bürgermeisters Sebastian Welling (heute Hamburger Kunsthalle) hervorzuheben. Das Chorgestühl der Dominikanerkirche wurde nach der Zerstörung der Hospitalkirche im Zweiten Weltkrieg 1950 im Seitenschiff der Stuttgarter Leonhardskirche aufgestellt.

Nach der Einführung der Reformation hob Herzog Ulrich das Dominikanerkloster auf.

Text: Bernhard Neidiger
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Karl Halbauer/Maria Binz, Das Stuttgarter Dominikaner-Chorgestühl (Kleine Schriften des Vereins für württembergische Kirchengeschichte, Bd. 16), Stuttgart 2014.
Christa Mack/Bernhard Neidiger/Hartmut Schäfer, Heiliger Raum. Stiftskirche, St. Leonhard und Hospitalkirche im Mittelalter. Begleitheft zur Ausstellung in der Stiftskirche, Selbstverlag Stadtarchiv Stuttgart 2004.
Karl Halbauer, Der ehemalige Fürstenstand in der Stuttgarter Dominikanerkirche, in: Jahrbuch der staatlichen Kunstsammlungen Baden-Württemberg 41 (2004), S. 71-102.
Bernhard Neidiger, Kirchliches Leben im spätmittelalterlichen Stuttgart, in: Rottenburger Jahrbuch für Kirchengeschichte 17 (1998), S. 213-228.
Bernhard Neidiger, Das Dominikanerkloster Stuttgart, die Kanoniker vom gemeinsamen Leben in Urach und die Gründung der Universität Tübingen (Veröffentlichungen Archiv der Stadt Stuttgart, Bd. 58), Stuttgart 1993.
Albert Scholl, Die Hospitalkirche in Stuttgart (Schnell und Steiner kleine Kunstführer), München 1976.
Julius Rauscher, Zur Geschichte des Stuttgarter Dominikanerklosters, in: WVjH NF 35 (1929), S. 250-272.
Friedrich Freiherr von Gaisberg-Schöckingen, Bildwerke in der Spitalkirche zu Stuttgart, in: WVjH NF 15 (1906), S. 436-459.
Julius Hartmann, Chronik der Stuttgarter Hospitalkirche, Stuttgart 1888.

GND-Identifier: 4329190-9
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Bernhard Neidiger, Dominikanerkloster, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/38c12a3c-35b8-48ed-abe7-6714fca75962/Dominikanerkloster.html