Der langjährige Spitzenvertreter der Liberalen im württembergischen Landtag Friedrich Römer wurde im März 1848 württembergischer Justizminister. In diesem Amt rang er 1849 König Wilhelm I. die Zustimmung zur Reichsverfassung ab, jedoch war er auch verantwortlich für die Sprengung des Rumpfparlaments.

Christoph Gottlob Heinrich Friedrich Römer, seit 1852 von Römer, wurde 1794 als Sohn eines Pfarrers in Erkenbrechtsweiler geboren. Ab 1812 studierte er in Tübingen zunächst Theologie, um 1814 zur Jurisprudenz überzuwechseln. Zwischenzeitlich meldete sich Römer während der Befreiungskriege 1813/14 zum Militär, jedoch versah er nur Garnisonsdienst. Auf das erste Staatsexamen 1817 folgte ein zweijähriger Vorbereitungsdienst, bevor er ab 1819 als Kriegsgerichtsassessor in Stuttgart und Esslingen tätig war. 1831 stieg er zum Kriegsgerichtsrat auf.

Nahezu gleichzeitig begann sein politisches Engagement, das auch im Zusammenhang mit seiner zweiten Ehe mit Lydia Schott (1810-1888) stand, der Tochter von Albert Schott (1782-1861), einem der führenden liberalen bzw. radikalen Oppositionspolitiker im Stuttgarter Landtag.

Die Julirevolution 1830 führte auch in Württemberg zu einem Politisierungsschub der Bevölkerung und damit verbunden zur Forderung nach der Reform des Deutschen Bundes, Pressefreiheit und mehr Mitbestimmungsrechten der Bevölkerung. Die Regierung wich zunächst zurück und lockerte die Zensur, sodass eine ganze Reihe liberaler Zeitungen entstehen konnte. Gleichzeitig verzögerte König Wilhelm I. (1781-1864) jedoch den Zusammentritt des 1831 gewählten Landtags, in den Römer erstmals gewählt worden war. Aus Protest dagegen versammelte sich eine Gruppe liberaler Abgeordneter, darunter Römer, im April 1832 in Bad Boll, dennoch kam es erst im Januar 1833 zur Landtagseröffnung. Gleichzeitig hatte die Reaktion an Boden gewonnen. Im Juni und Juli 1832 hatte der Deutsche Bund infolge des Hambacher Festes die Sechs bzw. Zehn Artikel erlassen, die darauf abzielten, die Rechte der einzelstaatlichen Parlamente zu beschränken. Zudem wurden die Zensur, das Verbot, politische Parteien zu gründen, Versammlungsverbote und die Überwachung der Universitäten nochmals verschärft. Im Landtag protestierte Paul Achatius Pfizer (1801-1867) gegen die Verkündung dieser Bundesgesetze durch die württembergische Regierung, Schott forderte vergeblich die Wiederherstellung der Pressefreiheit. Römer unterstützte die Anliegen von Pfizer und Schott nachdrücklich. Bei der anschließenden Auflösung des Landtags verlor die Opposition insgesamt an Boden, Römer wurde jedoch wiedergewählt und trat erneut mit kritischen Äußerungen hervor. Für die Teilnahme an der kommenden Landtagssession versagte die Regierung daher Römer den notwendigen Urlaub, weshalb dieser aus dem Staatsdienst ausschied und sich in Stuttgart als Rechtsanwalt niederließ. Der Schritt war mutig, denn Römer hatte aus seinen beiden Ehen zwölf Kinder zu versorgen und kein festes Gehalt mehr.

Bis 1838 stieg Römer zum profiliertesten Vertreter der liberalen Landtagsopposition auf, dabei bezog er zu allen zentralen Politikfeldern im Stuttgarter Landtag Stellung. Oberstes Ziel war für ihn die Wiederherstellung der Presse- und Versammlungsfreiheit. Überaus scharf geißelte er diesbezüglich die Regierung, der es am liebsten sei, wenn in Zeitungen – so Römer sinngemäß – nur die Termine für Vieh- und Krämermärkte angekündigt würden. Demgegenüber wünschte er eine vollständige Öffentlichkeit, nicht nur der Kammerverhandlungen, sondern auch der Verhandlungen von Gemeinderäten. Öffentliche Versammlungen sowie die Arbeit von Vereinen, die die Regierung immer wieder unterband, bildeten für Römer einen wichtigen Beitrag zur öffentlichen Meinungsbildung. Zudem kämpfte er für freie, von der Regierung unbeeinflusste Wahlen.

Neben dem Kampf für Freiheitsrechte forderte Römer noch umfassende Reformprogramme im Bereich der Verfassung, der Kommunal-, der Schul- und der Rechtspolitik. Beispielsweise wünschte er die Abschaffung des Geheimen Rates, einem Beratungs- und Entscheidungsorgan des Königs, das sich jeder parlamentarischen Kontrolle entzog. Außerdem sollte an die Stelle des Zweikammer- ein Einkammersystem treten und Justiz und Verwaltung auf der untersten Ebene getrennt werden. Große Hoffnungen verband Römer mit einer Stärkung der Selbstverwaltungsrechte der Gemeinden und einer größeren Unabhängigkeit der Schultheißen von der staatlichen Aufsicht. Die Kommunen sollten höhere Zuschüsse seitens des Staates erhalten, der außerdem die Gehälter der Volksschullehrer zumindest teilweise übernehmen sollte. Um die Kommunalpolitik auf eine breitere Basis zu stellen und örtliche Klüngelwirtschaft aufzubrechen, wünschte Römer eine kürzere Amtsdauer der kommunalen Beamten, insbesondere die Abschaffung der lebenslänglich gewählten Gemeinderäte.

Auf dem Gebiet der Schulpolitik plädierte Römer für die Zusammenlegung kleinerer Schulen ohne Unterschied der Konfession und damit verbunden die Abschaffung der Konfessionsschulen. Besonders engagierte er sich schließlich 1838 bei den Beratungen über ein württembergisches Strafgesetzbuch und einer darauf aufbauenden Strafprozessordnung. Jedoch gelang es ihm nicht, die von ihm gewünschten Reformen wie Öffentlichkeit der Gerichtsverhandlungen und Abschaffung der Prügel- und Todesstrafe bei politischen Delikten wie auch eine Humanisierung des Strafvollzugs durchzusetzen. Dieser Rückschlag trug dazu bei, dass sich Römer vom Mandat zurückzog, gleichwohl aber seine politischen Freundschaften in Stuttgart weiter pflegte.

Erst 1844 kehrte er in den Landtag zurück. Vier Jahre später stellte er einen Antrag im Parlament, gemäß dem die Regierung getadelt werden sollte, weil sie bei Hungerkrawallen im Jahr 1847 Militär eingesetzt hatte, das zudem von der Schusswaffe Gebrauch gemacht hatte. Außerdem entwarf er bereits im Januar 1848 einen Reformkatalog, der die späteren Märzforderungen vorwegnahm. So wünschte er Pressefreiheit, die Durchführung der Volksbewaffnung, die Schaffung von Schwurgerichten, zudem sollten noch bestehende Feudallasten aufgehoben und das Wahlrecht erweitert werden. Auch trat Römer für die Schaffung einer deutschen Nationaleinheit, zumindest für die Staaten des Zollvereins, ein.

Nach dem Ausbruch der Februarrevolution in Paris und deren Übergreifen auf Deutschland wurde Römer vom König am 9. März 1848 zum Justizminister ernannt, faktisch zum leitenden Minister. In dieser Funktion setzte er sich für das beschriebene Programm ein. Jedoch machte er zugleich deutlich, dass er den Boden der Monarchie nicht verlassen wolle und einen gewaltsamen Umsturz ablehne.

Im Frühjahr 1848 nahm Römer zudem an der Heidelberger Versammlung und dem Vorparlament teil, im Mai wurde er schließlich in die Frankfurter Nationalversammlung gewählt. Da er gleichzeitig zu seinem Stuttgarter Ministeramt dieses Mandat versah, war er im Sommer 1848 oft von Stuttgart abwesend, stand jedoch in engem Briefkontakt mit dem König. In der Paulskirche, in der er fraktionslos blieb, arbeitete er vor allem im Verfassungsausschuss bei der Formulierung der Grundrechte mit. Gleichzeitig setzte er sich für umfassende Rechte der Einzelstaaten ein. Im Januar 1849 gelang es Römer, beim König die Anerkennung der von der Paulskirche vorab verabschiedeten Grundrechte zu erreichen. Nur mit dem Mittel der eigenen Rücktrittsdrohung brachte er bei König Wilhelm I. im April 1849 auch die Anerkennung der Reichsverfassung insgesamt durch. Württemberg war damit das einzige Königreich, das die Reichsverfassung anerkannte. Damit konnte in Württemberg ein gewaltsamer Aufstand wie im benachbarten Baden verhindert werden.

Jedoch übersiedelte am 6. Juni 1849 die Nationalversammlung von Frankfurt nach Stuttgart als Hauptstadt des größten Landes, das die Reichsverfassung anerkannt hatte. Diese war bereits von 600 auf 150 Abgeordnete zusammengeschmolzen, zahlreiche liberale und konservative Kräfte sowie die meisten österreichischen, preußischen und bayerischen Abgeordneten hatten die Versammlung bereits verlassen. Anfänglich hatte Römer dem nunmehrigen Rumpfparlament noch die Möglichkeit eröffnet, im Stuttgarter Landtag zu tagen und selbst an den Sitzungen teilgenommen. Er ging jedoch auf Distanz, als das Rumpfparlament die provisorische Zentralgewalt absetzte und eine sogenannte Reichsregentschaft bestellte. Als diese in Württemberg Aushebungen vornehmen wollte und zur Unterstützung des badischen Aufstands aufrief, verweigerte Römer nicht nur die Durchführung von Sitzungen im Landtagsgebäude, sondern ließ durch das Militär einen weiteren Zusammentritt der Versammlung in einem Reithaus, der Bierhalle August Kolb oder auch dem Hotel Marquardt verhindern. Für Römer stellte dies eine staatspolitische Notwendigkeit dar, denn der Aufruf zur gewaltsamen Durchsetzung der Reichsverfassung und die Unterstützung des badischen Aufstandes hätte zwangsläufig den Einmarsch der Preußen in Württemberg zur Folge gehabt. Wenn auch Römer beanspruchen durfte, dass seine Haltung von der Mehrheit des württembergischen Landtags und der Bevölkerung geteilt wurde, sah er sich gleichwohl mit dem Vorwurf des Prinzipienverrats seitens der württembergischen Demokraten und sogar mit Morddrohungen konfrontiert.

Römer zog sich kurzzeitig zurück, versuchte aber gleichwohl im Zusammenspiel mit dem Landtag, die von ihm seit März 1848 eingeleitete Reformpolitik fortzusetzen. In diesem Zusammenhang kam es am 1. August 1849 zur Wahl einer verfassungrevidierenden Landesversammlung auf der Grundlage eines stark demokratisierten Wahlrechts. In dieser konnte Römer nur noch mit der Unterstützung von knapp einem Drittel der Abgeordneten rechnen. Die Entlassung Römers als Justizminister erfolgte im Oktober 1849, nachdem es in der Regierung zu Streitigkeiten über die Stellung Württembergs zur preußischen Unionspolitik, also zum Versuch König Friedrich Wilhelms IV. (1795-1861), eine Reichsgründung von oben als Bund der Fürsten zu vollziehen, gekommen war.

In den Jahren 1849/50 gehörte Römer der verfassungrevidierenden und den beiden verfassungberatenden Versammlungen sowie zwischen 1851 und 1863 dem in seiner alten Form wiederhergestellten Landtag an. Da er ab 1851 durchgehend das Amt des Landtagspräsidenten innehatte, war er freilich gezwungen, einen überparteilichen Standpunkt einzunehmen. Über seine politischen Ansichten in dieser Phase seines Wirkens ist daher vergleichsweise wenig nach außen gedrungen. Römer, der 1848 die Ehrenbürgerwürde Stuttgarts erhalten hatte, starb 1864 und wurde auf dem Hoppenlaufriedhof beigesetzt.

Text: Michael Kitzing
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

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GND-Identifier: 118745727
Publiziert am: 06.09.2023
Empfohlene Zitierweise:
Michael Kitzing, Friedrich von Römer (1794-1864), publiziert am 06.09.2023 in: Stadtarchiv Stuttgart,
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