Der amerikanische Außenminister James F. Byrnes hielt am 6. September 1946 im Großen Haus der Württembergischen Staatstheater in Stuttgart eine Grundsatzrede vor deutschen Politikern, amerikanischen Militärs und hochrangigen Verwaltungsbeamten. Darin stellte er den Deutschen ein politisch und wirtschaftlich selbstbestimmtes Leben in den von den westlichen Alliierten kontrollierten Zonen in Aussicht. Im deutschen Sprachraum hat sich für diese Rede später der Name "Rede der Hoffnung" eingebürgert.

1946 befanden sich die Deutschen in völliger Ungewissheit darüber, wie es mit ihnen politisch und wirtschaftlich weitergehen würde. Die USA, die Sowjetunion, Großbritannien und Frankreich verhandelten in Paris miteinander über Friedensverträge mit den kriegführenden Staaten des Zweiten Weltkriegs. Im Juli und August 1945 hatten sie sich auf der Potsdamer Konferenz darauf verständigt, dass Deutschland demokratisiert, dezentralisiert, de-industrialisiert, entmilitarisiert und entnazifiziert werden sollte. Deutschland sollte wirtschaftlich gerade so stark sein, dass es sich selbst erhalten konnte, dazu sollte es trotz der vier Besatzungszonen als wirtschaftliche Einheit behandelt werden.

Seither befanden sich die Alliierten zunehmend im Dissens. Die Schaffung zonenübergreifender Verwaltungsstrukturen, die für eine wirtschaftliche Einheit unabdingbar waren, kam nicht voran. Die Sowjetunion demontierte erhebliche Teile der Industrieanlagen in ihrer Besatzungszone und zog sie als Reparationen ein. Die Franzosen forderten die Abtrennung des Saarlandes sowie des Ruhrgebiets von Deutschland. Die USA sahen zunehmend eine Gefahr im Einfluss der kommunistischen Sowjetunion in Europa. Innerhalb der USA gab es Uneinigkeit über das weitere Vorgehen in Europa. Eine Fraktion plädierte für einen 'harten Frieden' ('harsh peace') mit Deutschland im Sinne des Morgenthau-Plans. In ihrer Besatzungszone verfolgten die USA tatsächlich einen zunehmend weniger harten Kurs, ohne sich jedoch offiziell dazu bekannt zu haben. 

Als der sowjetische Außenminister Wjatscheslaw Michailowitsch Molotow am 10. Juli 1946 auf der Konferenz der alliierten Außenminister in Paris eine Rede hielt, in der er den Deutschen die Wiedervereinigung der vier Besatzungszonen in Aussicht stellte, fürchteten der amerikanische Außenminister James F. Byrnes und der stellvertretende Militärgouverneur der amerikanischen Besatzungszone Lucius D. Clay, dass dies die Attraktivität des Kommunismus für die Deutschen erheblich steigern könne, zumal viele Deutschen davon ausgingen, dass die Amerikaner kein langfristiges Engagement in Europa eingehen würden.

Byrnes entschloss sich daher zu einer Grundsatzrede über die Ziele der amerikanischen Besatzungspolitik. Diese Rede hielt er nicht auf der Pariser Außenministerkonferenz, sondern in Stuttgart, dem Sitz des Länderrats des amerikanischen Besatzungsgebiets. Byrnes flog von Paris nach Berlin und fuhr von dort mit dem Zug nach Stuttgart, wo er am späten Vormittag des 6. September eintraf und sich zunächst mit dem Länderrat traf. Seine Rede hielt er um 13.00 Uhr im Großen Haus der Württembergischen Staatstheater, das nur wenige Kriegsschäden aufwies. Eingeladen waren die Ministerpräsidenten und Mitglieder der Regierungen der Länder der amerikanischen Besatzungszone, die Präsidenten und Fraktionsvorsitzenden der Verfassungsgebenden Versammlungen und die Oberbürgermeister von sechs größeren Städten. Zahlreiche amerikanische Offiziere und Beamte der Militärregierung waren anwesend, ebenso wie die in- und ausländische Presse. Die Stadt Stuttgart entsandte neben Oberbürgermeister Dr. Klett den ehemaligen Oberbürgermeister Dr. Lautenschlager, Bürgermeister Hirn, Polizeipräsidenten Weber, die Vorsitzenden bzw. stellvertretenden Vorsitzenden der Fraktionen der SPD, der CDU, der DVP, der KPD und der FWV im Gemeinderat, sowie Direktor Hall vom Dolmetscheramt.

Auf dem Podium saßen der Militärgouverneur Joseph T. McNarney, der Botschafter Robert Murphy sowie die beiden amerikanischen Senatoren Arthur Vandenberg und Tom Connally.

Die Rede basierte weitgehend auf einem Manuskript Clays mit dem Titel "Summary of United States Policy and Objectives in Germany" vom 19. Juli 1946. Sie berührte eine Reihe von Themen. Wirtschaftspolitisch stellte Byrnes die Reparationspolitik zwar nicht grundsätzlich in Frage, er betonte aber, dass Deutschland eine zur Versorgung ausreichende Wirtschaftskraft nur entwickeln könne, wenn es als wirtschaftliche Einheit verwaltet werde. Er kündigte die wirtschaftliche Vereinigung der amerikanischen mit der britischen Zone an und bot diese Kooperation auch den übrigen Zonen an.

Zur Innenpolitik sagte Byrnes, die amerikanische Regierung stehe auf dem Standpunkt, dass "jetzt dem deutschen Volk innerhalb ganz Deutschlands die Hauptverantwortung für die Behandlung seiner eigenen Angelegenheiten bei geeigneten Sicherungen übertragen werden sollte".

Byrnes äußerte sich auch zu den Grenzen Deutschlands. Die USA unterstützten sowohl eine Gebietsabtretung an Polen wie auch die Abtretung des Saargebiets an Frankreich, nicht aber des Ruhrgebiets und des Rheinlandes.

Zur Dauer des amerikanischen Engagements in Europa sagte Byrnes: "Solange die Anwesenheit von Besatzungskräften in Deutschland notwendig ist, wird die Armee der Vereinigten Staaten einen Teil dieser Besatzungsmacht bilden."

Byrnes schloss seine Rede: "Das amerikanische Volk wünscht, dem deutschen Volk die Regierung Deutschlands zurückzugeben. Das amerikanische Volk will dem deutschen Volk helfen, seinen Weg zurückzufinden zu einem ehrenvollen Platz unter den freien und friedliebenden Nationen der Welt."

Byrnes‘ Rede wurde auf Deutsch im Rundfunk übertragen mit der Stimme von Byrnes im Hintergrund. Unmittelbar im Anschluss wurden Sonderausgaben der Zeitungen verteilt. Die Rede erreichte ihr Publikum: Das Office of Military Government for Germany OMGUS ließ ihre Reichweite untersuchen und fand, dass ca. 60% der Befragten von der Rede gehört hatten und 87% von ihr beeindruckt oder sehr beeindruckt waren (nach Morgan S. 339). Die Stuttgarter Zeitung titelte am 7. September 1946 „Ein Tag von weltpolitischer Bedeutung in Stuttgart“.

In der Geschichtswissenschaft hat sich die Einschätzung der Byrnes-Rede und ihrer primären Adressaten gewandelt. Anfangs wurde sie als Wendepunkt der amerikanischen Politik gesehen und als Einleitung des Kalten Krieges. John Gimbel sah die französische Regierung als Hauptadressaten dieser Rede, in der Byrnes allen Versuchen, das Ruhr- und das Rheingebiet von Deutschland abzutrennen, eine Absage erteilte. Inzwischen gilt die deutsche Bevölkerung als wichtigster Adressat dieser Rede: Wenn Deutschland ein demokratischer Staat werden sollte, mussten die Deutschen eine politische und wirtschaftliche Perspektive bekommen. Wenn die Byrnes-Rede auch keinen Wendepunkt darstellt, so war sie doch der erste öffentliche Ausdruck eines Wandlungsprozesses durch einen hochrangigen Vertreter der amerikanischen Regierung.

Byrnes besuchte Stuttgart ein weiteres Mal am 13. September 1961 im Zuge einer privaten Europareise, er wurde von Ministerpräsident Kurt Georg Kiesinger empfangen. 1966 übersandte Kiesinger Byrnes zum Jahrestag der Rede einen alten Stich der Stadt Stuttgart. 1971 fand die erste große Gedenkfeierlichkeit anlässlich des 25. Jahrestages statt. Seit 1986 wird alle zehn Jahre ein Festakt veranstaltet.

Im deutschsprachigen Raum hat sich für Byrnes‘ Rede inzwischen der Begriff „Rede der Hoffnung“ sowie der englische Begriff „speech of hope“ eingebürgert. Es konnte nicht eindeutig festgestellt werden, wer diesen Begriff das erste Mal verwendet hat. Die englischsprachige Literatur verwendet bis heute die Begriffe „Stuttgart speech“ oder „speech on reconstruction [Wiederaufbau]“. Nur englischsprachige Publikationen deutscher Herausgeber verwenden „Speech of Hope“, beispielsweise die gleichnamige Broschüre, die 1999 auf Englisch und auf Deutsch vom Landtag von Baden-Württemberg herausgegeben wurde.

Bis 1985 wurde auch in Deutschland der Begriff „Stuttgarter Rede“ oder „Byrnes-Rede“ verwendet, so beispielsweise in der Stuttgarter Zeitung am 14. September 1961 anlässlich Byrnes‘ Besuch in Stuttgart, in einem Artikel der Wochenzeitung „Die Zeit“ (Ausgabe 15/1972) oder von Bundespräsident Richard von Weizsäcker in seiner Rede am 8. Mai 1985 im Deutschen Bundestag bei der Gedenkveranstaltung zum 40. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkrieges in Europa. Im Zuge der Gedenkveranstaltung zum 40jährigen Jahrestag taucht der Begriff „Rede der Hoffnung‘ auf. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel schrieb am 15. März 1985 an den Ministerpräsidenten des Landes Baden-Württemberg Lothar Späth und schlug vor, den amerikanischen Außenminister zu einer Veranstaltung aus Anlass „des 40. Jahrestags der Rede des damaligen Außenministers Byrnes“ einzuladen. In seiner Antwort vom 16. April schrieb Späth, er danke für diese Anregung für den „40. Jahrestag der ‚Rede der Hoffnung‘“. Im Einladungsschreiben Späths an den amerikanischen Außenminister George P. Shultz heißt es über die Rede: „a speech which is still called today, as it was then in those still dark days of 1946, as the ‚address of hope‘ [sic]“. Die Verbreitung des Begriffs „Rede der Hoffnung“ war nun nicht mehr aufzuhalten. Er stand auf der Einladung des Ministerpräsidenten und des Oberbürgermeisters zum Festakt und in der Pressemitteilung des Staatsministeriums (vgl. Stadtarchiv Stuttgart 14/1 Hauptaktei 4326).

Text: Katharina Ernst
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Quellenhinweise:

www.byrnes-rede.de [letzter Zugriff am 03.04.2018] 
Stadtarchiv Stuttgart 14/1 Hauptaktei 4326
Stuttgarter Zeitung

 

Literaturhinweise:

John Gimbel, Byrnes' Stuttgarter Rede und die Nachkriegspolitik in Deutschland, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 20 (1972), S. 39-63.
Hans-Dieter Kreikamp, Die amerikanische Deutschlandpolitik im Herbst 1946 und die Byrnes-Rede in Stuttgart, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 29 (1981) S. 269-285.
Curtis F. Morgan, James F. Byrnes, Lucius Clay, and American Policy in Germany, 1945-1947. Lewiston 2002.
50. Jahrestag – Rede der Hoffnung: James F. Byrnes, Außenminister der Vereinigten Staaten von Amerika, 6. September 1946, Stuttgart, [hg. von Landtag und Landesregierung von Baden-Württemberg 1996]

 

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Katharina Ernst, Byrnes' Stuttgarter Rede ("Rede der Hoffnung"), publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/2d01093b-04a5-42a9-bf14-42333f64110d/Byrnes%27_Stuttgarter_Rede.html