Das Neue Schloss wurde unter Herzog Karl Eugen als spätbarockes Residenzschloss errichtet. 1762 zerstörte ein Brand Teile des noch nicht vollendeten Baus. Der Wiederaufbau und die Neuausstattung der Innenräume erfolgte bis 1815 im Stil des Klassizismus. Nach 1918 diente das Neue Schloss musealen Zwecken. Heute befinden sich hier das Finanz- und das Wirtschaftsministerium.

Als Herzog Karl Eugen 1744 zur Regierung gelangte, wünschte er in Stuttgart eine standesgemäße Wohnung. Das Alte Schloss war weder von der Größe her geeignet noch baulich in einem befriedigenden Zustand. Für die Zusage, die Residenz in Stuttgart zu belassen, waren die Landstände bereit, entsprechende Geldmittel zur Verfügung zu stellen. Als Bauplatz kristallisierte sich der ehemalige Lustgarten zwischen Altem Schloss und Neuem Lusthaus heraus. Daneben war auf die soeben fertiggestellte spätere Akademiekaserne Rücksicht zu nehmen. Mit dem Entwerfen von Bauplänen beauftragte Herzog Karl Eugen den Ansbacher Baudirektor Leopoldo Retti. Dieser legte verschiedene Projekte vor. Daneben fertigte auch der Stuttgarter Oberbaudirektor Johann Christoph David Leger Entwürfe zum Schlossbau. Anfang Mai 1746 entschied sich Herzog Karl Eugen für ein Projekt von Leopoldo Retti, nach dem das Schloss ab September 1746 als Dreiflügelanlage in spätbarocken Formen ausgeführt wurde.

Hinsichtlich der Fassadengestaltung der Hofseite entspann sich 1747 eine Kontroverse, bei der neben Retti und Leger auch der kurpfälzische Oberbaudirektor Alessandro Galli da Bibiena und der Eichstätter Baudirektor Maurizio Pedetti Entwürfe vorlegten. Ausgeführt wurde schließlich der Entwurf von Leopoldo Retti, der sich mit seinem zurückhaltenden Fassadenrelief an französischen Vorbildern orientierte. Die Fassade gegen den Ehrenhof bildet zugleich die repräsentative Schauseite des Schlosses.

Sie ist durch rustizierte Lisenen im Erdgeschoss, ionischen Doppelpilaster in der Beletage und korinthischen Doppelpilaster im Attikageschoss sowie reichem Figurenschmuck auf der Attika besonders hervorgehoben. Die 1747 von dem in Würzburg tätigen Balthasar Neumann eingereichten Entwürfe, die eine Verdoppelung des Bauvolumens und Fassaden im Stil des österreichisch-italienischen Barock vorsahen, hatten dagegen keine Aussicht auf Realisierung.

1749 standen das Corps de Logis, also der Haupttrakt, und der Gartenflügel im Rohbau, so dass Retti nach Paris reiste, um die neuesten Entwicklungen auf dem Gebiet der Innendekoration kennenzulernen.

Die Raumaufteilung des Neuen Schlosses zeigt in der Mitte des Corps de Logis die für Schlösser jener Zeit klassische Raumfolge mit Vestibül, Treppenhaus, Vorsaal und Festsaal. Nach Norden folgte das Zeremonialappartement des Herzogs, dem sich im Gartenflügel die Wohnräume des Herzogs und der Herzogin anschlossen. Die Entwürfe Rettis für die Festräume im Corps de Logis zeigen reiche Rokokodekorationen. Noch ehe diese zur Ausführung kamen, verstarb Retti plötzlich im September 1751. Sein Nachfolger wurde Philippe de La Guêpière, dessen Architektur stärker an klassizistischen Formen orientiert war. Er vollendete bis 1756 den Rohbau des Stadtflügels und errichtete bis 1758 den Portikus am Corps de Logis. Der Stilwandel lässt sich an den Fassaden des Neuen Schlosses gut erkennen. Die Fassade an der Gartenseite weist mit zurückhaltenden Putzspiegeln und reicher Bauplastik am Mittelrisalit Rokokoformen auf, während die Fassade an der Stadtseite bereits frühklassizistische Kühle ausstrahlt. Im Gegensatz zur Fassade wurden die Innenräume auf Wunsch des Herzogs reich mit Holzvertäfelungen, Stuckaturen und Malereien im Stil des Rokokos ausgestattet. Die Räume waren noch nicht ganz vollendet, als sie im November 1762 durch einen Brand zerstört wurden. Erhalten blieben der Marmorsaal und das Treppenhaus im Corps de Logis sowie die Spiegelgalerie und der Weiße Saal im Stadtflügel.

Herzog Karl Eugen wandte sich daraufhin anderen Bauprojekten zu, so dass der Wiederaufbau der zerstörten Teile erst Ende der 1770er Jahre in Angriff genommen wurde. Unter Hofbaumeister Reinhard Ferdinand Heinrich Fischer erfolgte die Fertigstellung der Räume im Corps de Logis und im Stadtflügel. Der Marmorsaal erhielt anlässlich des Besuchs des Großfürsten Paul von Russland 1782 ein Deckenfresko, das die Huldigung Württembergs an den Großfürsten und seiner Gemahlin Sophie Dorothee von Württemberg, einer Nichte Herzog Karl Eugens, zeigt.

Beim Tod von Herzog Karl Eugen war zwar der Gartenflügel unter Dach, der Innenausbau erfolgte jedoch erst unter seinem Neffen König Friedrich. Leitender Architekt war nun Hofbaumeister Nikolaus Friedrich Thouret. Er vollendete zunächst den von Fischer begonnenen Blauen Marmorsaal und stattete bis 1807 die Räume im Gartenflügel in klassizistischen Formen aus. 1814/15 schuf er den Roten Marmorsaal. Unter König Wilhelm I. erfolgte 1835 die Gestaltung des Gelben und Grauen Marmorsaals im Corps de Logis durch Hofbaumeister Ferdinand Gabriel in den nüchternen Formen des späten Klassizismus, Hofmaler Joseph Anton Gegenbaur schmückte auf Veranlassung des Königs zwischen 1835 und 1854 fünf Räume des Schlosses mit Fresken aus der württembergischen Geschichte. Das Schloss wurde damit für die Württemberger zugleich zu einem Identifikationspunkt ihrer Geschichte und konnte bereits damals bei Abwesenheit des Königs von Interessierten besichtigt werden. Unter König Karl erhielt der Gartenflügel nach Entwürfen von Hofbaudirektor Joseph von Egle Raumausstattungen in Formen des Neorokokos. Karl und Olga waren das letzte Herrscherpaar, die das Gebäude bewohnten. Unter König Wilhelm II. wurde das Neue Schloss nur mehr zu repräsentativen Anlässen benutzt.

Nach der Revolution von 1918 verlor das Neue Schloss seine Funktion als Residenzschloss. Die wichtigsten Innenräume wurden als Schlossmuseum der Öffentlichkeit zugänglich gemacht. In anderen Räumen fanden das Heeresmuseum, die Altertümersammlung und das Landesdenkmalamt eine Bleibe. Im Zweiten Weltkrieg brannte das Neue Schloss bei Luftangriffen im Februar und März 1944 vollkommen aus. Weitere Schäden entstanden im September 1944 durch Sprengbomben. Das Inventar war vorher ausgelagert worden und blieb dadurch erhalten. In der Nachkriegszeit votierten zeitgenössische Architekten für einen Abbruch des Neuen Schlosses oder zumindest für einen Teilabriss bis auf den Gartenflügel. Der Abbruch konnte auch mit Hilfe des landesweit tätigen Aktionskomitees Neues Schloss abgewendet werden.

Nach dem der zunächst erwogene, von Paul Bonatz vertretene Einbau des Landtags in das Neue Schloss nicht realisiert wurde, erfolgte 1954 bis 1962 der Wiederaufbau des Äußeren in der bisherigen Form. Im Inneren wurden die Räume im Corps de Logis und der Weiße Saal wiederhergestellt, alles andere hingegen modern ausgebaut. Dementsprechend werden heute die Räume im Corps de Logis als Repräsentationsräume für die baden-württembergische Landesregierung und der Weiße Saal für kulturelle Veranstaltungen genutzt. Im Gartenflügel ist das Finanzministerium und im Stadtflügel das Wirtschaftsministerium untergebracht.

Text: Rolf Bidlingmaier
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Literaturhinweise:

Rolf Bidlingmaier, Im Glanz des Rokoko. Funktion und architektonische Gestaltung der Schlossbauten Herzog Carl Eugens und sein Einfluss als Bauherr, in: Aufgeklärte Herrschaft im Konflikt. Herzog Carl Eugen von Württemberg 1728-1793, hg. von Wolfgang Mährle, Stuttgart 2017, S. 134-152.
Annegret Kotzurek, „Von den Zimmern bey Hof“. Funktion, Disposition, Gestaltung und Ausstattung der herzoglich-württembergischen Schlösser zur Regierungszeit Carl Eugens (1737-1793), Berlin 2001.
Walther-Gerd Fleck/Franz Josef Talbot, Neues Schloß Stuttgart 1744-1964 (Veröffentlichungen der Deutschen Burgenvereinigung, Reihe A, Bd. 5), Braubach 1997.
Michael Wenger, 250 Jahre Neues Schloß in Stuttgart. Entwürfe und Ausstattungen von Herzog Carl Eugen bis König Wilhelm II., Stuttgart 1996.

GND-Identifier: 4222252-7
Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Rolf Bidlingmaier, Neues Schloss, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/18d3933d-b701-460d-8af4-6fccfd95c51c/Neues_Schloss.html