Besuch von Königin Elizabeth II. von Großbritannien in Stuttgart am 24. Mai 1965
Am 24. Mai 1965 besuchte Königin Elizabeth II. von Großbritannien die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart, was für die damalige Zeit ein herausragendes Ereignis war.

Am 24. Mai 1965 besuchten die britische Königin Elizabeth II. und ihr Ehemann Prinz Philip, Herzog von Edinburgh, im Verlauf eines 11-tägigen Staatsbesuchs in der Bundesrepublik Deutschland für knapp fünf Stunden die baden-württembergische Landeshauptstadt Stuttgart. Der Staatsbesuch, dem 20 Jahre nach Kriegsende als völkerversöhnende Geste erhebliche politische Tragweite beigemessen wurde, war auf Einladung von Bundespräsident Theodor Heuss erfolgt, der sich 1958 zu einem Staatsbesuch in London aufgehalten hatte. Deshalb war bereits am 18. Mai 1965 – zeitgleich mit dem Eintreffen der Königin in Deutschland – durch den britischen Generalkonsul in Stuttgart, Richard P. Heppel, in ihrem Namen ein Kranz am Grab des inzwischen verstorbenen Altbundespräsidenten auf dem Waldfriedhof niedergelegt worden.

Dass die Stadt Stuttgart auch selbst in das königliche Reiseprogramm aufgenommen worden war, war einerseits dem Umstand zu verdanken, dass sie Hauptstadt eines Landes ist, in dem das Paar Familienbesuche – nämlich auf Schloss Salem und Schloss Langenburg – vorgesehen hatte. Ausschlaggebend sollen zum anderen das Interesse der Königin und des Herzogs an der städtebaulichen Situation Stuttgarts, insbesondere den Randsiedlungen gewesen sein, sowie die umfassende Aussicht, die der Fernsehturm darauf bot.

Als am 24. Mai 1965 um 10 Uhr der Sonderzug aus Salem kommend auf Gleis 1 des Stuttgarter Hauptbahnhofs eintraf, wurde die Königin dort bereits von Ministerpräsident Kurt-Georg Kiesinger, Landtagspräsident Franz Gurk und dem Stuttgarter Oberbürgermeister Arnulf Klett erwartet. Auf die kurze Begrüßung hin geleitete Ministerpräsident Kiesinger sie gefolgt von Frau Kiesinger mit Prinz Philip zum Nordausgang des Hauptbahnhofs, wo eine Ehrenhundertschaft der Bereitschaftspolizei Aufstellung genommen hatte und das Musikkorps die beiden Nationalhymnen spielte. Neben Kiesinger im offenen Mercedes an der Spitze des Konvois fuhr die Königin eskortiert von einer Motorradstaffel der Polizei anschließend zum Neuen Schloss, das aus räumlichen Gründen dem Amtssitz des Ministerpräsidenten, der Villa Reitzenstein, vorgezogen worden war.

Bei ihrer Fahrt durch die mit Flaggen geschmückten Straßen wurde sie von einer jubelnden Menschenmenge begrüßt. Den Kindern hatte man anlässlich des Besuchs an diesem Tag sogar schulfrei gegeben. Bereits bei der Festlegung der königlichen Fahrtstrecke war nichts dem Zufall überlassen worden. Besonders hatte man darauf geachtet, den königlichen Gästen den Anblick der Stuttgarter Großbaustellen zu ersparen und die Bauzäune, wenn notwendig mit Grünpflanzen und Girlanden zu verblenden. Der planerische Eifer ging indessen so weit, dass selbst die britische Presse vom Unterfangen, den Rasen um den Fernsehturm grün einzufärben, berichtete und sich Oberbürgermeister Klett veranlasst sah, den städtischen Gartenbaudirektor Werner Kaufmann auf diesen kuriosen Einfall anzusprechen.

Im Neuen Schloss, wo die königlichen Gäste von Jagdhornbläsern empfangen wurden, fand die offizielle Begrüßung der Landesregierung statt. In Anwesenheit der Abgeordneten des Landtags und weiterer Ehrengäste hatten sich das Kabinett, das Präsidium des Landtags und die Fraktionschefs der Landtagsparteien im Weißen Saal versammelt, um der Königin vorgestellt zu werden. Auf die Übergabe des offiziellen Geschenks der Landesregierung – eine Dokumentensammlung über die Beziehungen Großbritanniens und Südwestdeutschlands – folgte die Ansprache Ministerpräsident Kiesingers. Ausgehend von den historisch vielfältigen britischen Einflüssen auf den deutschen Südwesten unterstrich er darin besonders die zum damaligen Zeitpunkt bestehenden Wirtschafts- und Handelsbeziehungen und verband damit schließlich den Wunsch, Großbritannien möge Anteil am künftigen europäischen Einigungswerk nehmen. Auch die Königin nahm in ihrer Antwort Bezug auf die gegenseitigen Verbindungen der beiden Länder und erinnerte besonders an den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss, der sie bei seinem Besuch in London an ihre eigenen schwäbischen Wurzeln erinnert habe.

Der nächste Punkt im dichtgedrängten Programm der Königin war der Empfang der Stadt Stuttgart im Restaurant des Fernsehturms, der schon aufgrund der dafür zurückgelegten Höhenmeter einzigartig während dieses Staatsbesuchs war. Von einem Empfang im Rathaus hatte man schließlich abgesehen, da vom Fernsehturm aus dem Wunsch der Königin, sich einen Überblick über die städtebauliche Situation Stuttgarts zu verschaffen, entsprochen werden konnte und sich dadurch zudem die ursprünglich geplante Höhenrundfahrt erübrigte. Die Königin war damit gleichzeitig auch das erste ausländische Staatsoberhaupt, das den Fernsehturm besuchte.

Nach der Begrüßung durch Oberbürgermeister Klett an dessen Fuß, bei der die drei Kinder Kletts der Königin medienwirksam Blumensträuße überreicht hatten, ging es hinauf in das untere Stockwerk des Turmrestaurants, wo den Gästen die Bürgermeister, die Vorsitzenden der Gemeinderatsfraktionen sowie die Stadtdirektoren vorgestellt wurden. In seiner anschließenden Rede würdigte Klett die herausragende Bedeutung des königlichen Besuchs für die Stadtgeschichte und bemühte historische Reminiszenzen, um schließlich die damalige Rolle Stuttgarts als moderne Großstadt zu charakterisieren. Sichtbares Zeichen dafür sei der Fernsehturm, der als Symbol der modernen Urbanität Stuttgarts und seines architektonischen Neuaufbaus gelte.

Daraufhin folgten die Überreichung des Geschenks der Stadt Stuttgart, ein Mokkaservice aus der Ludwigsburger Porzellanmanufaktur, sowie die Eintragung in das Goldene Buch der Stadt, bevor sich die Gäste mit einem kleineren Personenkreis, darunter auch der Erbauer des Fernsehturms, Fritz Leonhardt, in das obere Stockwerk begaben, um sich von Oberbürgermeister Klett über die städtebauliche Situation Stuttgarts und die künftige Stadtplanung informieren zu lassen.

Zurück im Neuen Schloss, wo ein abschließender Staatsempfang vorgesehen war, wurde der Königin und dem Herzog im Amtszimmer von Ministerpräsident Kiesinger ein ausgewählter Kreis prominenter Persönlichkeiten vorgestellt. Als ein weiteres persönliches Geschenk nahm die Königin einen Porzellanteller der Ludwigsburger Manufaktur, der Herzog eine goldene Gedenkmünze entgegen, bevor sie sich in das Gästebuch der Landesregierung eintrugen. Im Speisesaal, dem Runden Saal und der Aeneasgalerie des Neuen Schlosses hatten sich unterdessen etwa 300 Gäste eines, im diplomatischen Sprachgebrauch „Frühstück“ genannten, festlichen Essens versammelt, in dessen Menüfolge neben „Neckarwein“, auf den Ministerpräsident Kiesinger auch in seiner Tischrede anspielte, landestypische Spezialitäten serviert wurden.

Gegen 14.30 Uhr, nachdem Königin Elizabeth II. und Prinz Philip sich auf dem Balkon des Neuen Schlosses der davor versammelten Menschenmenge gezeigt hatten, endete das für Stuttgart vorgesehene Programm. Vor der Weiterfahrt nach Langenburg sah der weitere Nachmittag Besuche im Schiller-Nationalmuseum und dem Geburtshaus Schillers in Marbach a.N. sowie in Schwäbisch Hall vor, wo für die königlichen Gäste der traditionelle Tanz der Salzsieder aufgeführt wurde.

Text: Isabella Munz
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Quellenhinweise:

Stadtarchiv Stuttgart, Hauptaktei Stadt Stuttgart Hauptamt 14-1/839.
Stadtarchiv Stuttgart, Hauptaktei Stadt Stuttgart Hauptamt 14-1/840.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Akten des Staatsministeriums EA 1/924-1171, 1-3.
Hauptstaatsarchiv Stuttgart, Akten des Staatsministeriums EA 1/-163.
Politisches Archiv des Auswärtigen Amtes (PA AA), Bestand B 8 – 911-922.

Publiziert am: 19.04.2018
Empfohlene Zitierweise:
Isabella Munz, Besuch von Königin Elizabeth II. von Großbritannien in Stuttgart am 24. Mai 1965, publiziert am 19.04.2018 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/0ded3dbc-fa8c-49dd-895d-648e90596ffa/Besuch_von_Koenigin_Elizabeth.html