Der heutige Dornhaldenfriedhof liegt auf dem Gelände eines militärischen Schießplatzes. Von 1869 bis 1968 fand hier die Schießausbildung von verschiedenen Armeen unterschiedlicher politischer Systeme statt. Die Schießbahnen und der Großteil der Schießplatzgebäude wurden 1971 abgeräumt, vier Gebäude blieben allerdings bis heute erhalten: das Wachhaus, das Kantinengebäude mit der angebauten Werkstatt für die Schießscheiben und ein Geräteschuppen.

Nach dem Sieg von Preußen über Österreich 1866 in der Schlacht von Königgrätz orientierte sich Württemberg neu. Die württembergische Armee wurde nach preußischem Vorbild umorganisiert. Württembergische Offiziere wurden zur Schulung z. B. nach Spandau geschickt und preußische Reglements wurden in allen militärischen Bereichen übernommen.

Bereits 1869 wurden zwei neue Schießplätze gebaut, der eine mit zunächst fünf Bahnen auf der Dornhalde und der andere mit zwei Bahnen in der Mähderklinge im Feuerbacher Tal. Obwohl die Garnison Stuttgart schon vorher eine Reihe von Schießplätzen hatte, definierten die neuen Schießplätze einen höheren Standard. Sie besaßen zum Beispiel Bahnen von bis zu 600 Meter Länge und Einrichtungen zum geschützten Ablesen der Schießergebnisse.

Der Platz auf der Dornhalde war dreieinhalb Kilometer von der Rotebühlkaserne entfernt. Deshalb wurde schon 1869 eine Baracke für eine vielfache Nutzung gebaut. Sie diente dem Schießplatzaufseher und den Offizieren als Aufenthaltsraum, die Schießscheiben wurden dort gelagert; der größte Raum war die Werkstatt, in der die Schießscheiben zusammengebaut und repariert wurden. Vermutlich wurde die Baracke von Anfang an gleichermaßen als Kantine genutzt. Ab 1889 ist durch Pachtverträge belegt, dass Soldaten und auch Bürger mit Bier, Brot, Wurst etc. bewirtet wurden.

1879 wurde der Schießplatz auf neun Bahnen erweitert und ein neues Pulvermagazin gebaut. Das Pulver wurde auch davor schon in einer getrennt stehenden kleinen Baracke gelagert, die nach dem Neubau den Mannschaften zur Verfügung stand. Der Plan für das Pulverhaus war das erstes Stuttgarter Projekt von Jakob David Holch (1848–1909), der ab 1880 Königlicher Garnisonsbaumeister in Stuttgart wurde. Es lag hinter dem heutigen Abluft-Turm des Heslacher Tunnels. Darüber hinaus wurde 1880 für den Schießplatzaufseher ein zweistöckiges Wach- und Wohnhaus erstellt, ein schlichtes, funktionelles Gebäude, Architekt war ebenfalls Jakob David Holch.

Ein Plan für eine neue Kantine folgte 1890, gebaut wurde sie aber erst 1893, dann allerdings wesentlich opulenter als zunächst vorgesehen. Der Königliche Garnisonsbauinspektor Karl Schneider (1850–1914) entwarf ein auch heute noch eindrucksvolles Gebäude im sogenannten Schweizerstil. 1894 wurde die ursprüngliche Baracke abgerissen und eine Scheibenwerkstatt an die Kantine angebaut. Die Kantine wurde nach Ende der Stuttgarter Garnison im Jahr 1918 als Gaststätte weitergeführt, mindestens bis 1962, vermutlich aber länger. In den letzten Jahren hat sich für die Kantine die Bezeichnung Garnisonsschützenhaus eingebürgert.

1898 wurde ein Geräteschuppen mit neun Abteilungen gebaut. Aufgrund einer erhaltenen Inventarliste kann man vermuten, dass jeder Abteilung eine Schießbahn zugeordnet war. Gelagert wurden damals Kleinmaterialien wie Stühle, Besen, Schirme oder Gewehrreiniger. Neben den genannten Gebäuden gab es noch etwa 15 weitere, wie beispielsweise Lagerhäuser für Schießscheiben, eine Waschküche oder auch einen Pferdestall.

Wenn auch die Schießplatzverwaltung die Sicherheit im Blick hatte, stieg die Gefährdung durch die größere Reichweite der Gewehre. So flogen den Bauern auf den Feldern auf dem Sonnenberg Ende des 19. Jahrhunderts gelegentlich die Kugeln um die Ohren. Später verirrten sich Geschosse in die dann entstandene Wohnsiedlung.

Kurz vor Ende des Ersten Weltkriegs wurde ein Maschinengewehrschießstand in einfacher Bauweise errichtet. 1934 erfolgte ein Neubau in Stahlbeton. Zwischen 1942 und 1944 wurden dort militärgerichtliche Todesurteile vollstreckt. Bislang sind 30 Namen von hingerichteten Soldaten bekannt, davon fanden 19 Vollstreckungen zweifelsfrei direkt am MG-Stand Dornhalde statt. Helmut Stange wurde 1942 hingerichtet, weil er als Zeuge Jehovas den Kriegsdienst verweigert hatte, Ewald Huth wurde 1944 nach Denunziation wegen „Wehrkraftzersetzung“ erschossen. Einige wurden wegen Fahnenflucht zum Tode verurteilt. Von vielen sind die Urteilsgründe allerdings nicht bekannt. Die Todesurteile wurden in Stuttgart gesprochen: im SS-Gebäude in der Wannenstraße 16, der Etzelstraße 7, in der Feuerbacher Heide 40 und im Gebäude des Militärgefängnisses in der Weimarstraße 20.

Von 1869 bis 1968 fand auf der Dornhalde die Schießausbildung von verschiedenen Armeen unterschiedlicher politischer Systeme statt. Zu Beginn bis 1918 schossen die Soldaten der Württembergischen Armee. Sie kamen zu Fuß von der Rotebühlkaserne, ab 1882 auch von der Moltke-Kaserne auf die Dornhalde. Bis zum Bau der Gaisburger Schießbahn marschierten zudem die Soldaten aus der Bergkaserne in Stuttgart-Ost etwa sieben Kilometer zum Schießen auf die Dornhalde. Nach Ende der Stuttgarter Garnison 1918 wurde der Platz zunächst nur von der Polizei genutzt, 1933 übernahm ihn die Reichswehr.
Ab 1945 schoss die amerikanische Armee auf der Dornhalde und duldete die deutsche Polizei. Nach Gründung der Bundeswehr 1955 nutzte sie den Platz ebenfalls. Die Polizei trainierte auf dem Schießplatz bis 1965, die Bundeswehr noch bis 1968, als der gesamte Schießbetrieb zur Schießanlage nach Bernet in Sindelfingen umzog.

In den 1950er und 1960er Jahren wurde der Lärm vom Schießplatz in den benachbarten Stadtbezirken als große Belästigung empfunden. Die Stadt suchte zudem dringend Gelände zur Erweiterung des Waldfriedhofs. Nach langjährigen Verhandlungen einigte sich der Bund mit der Stadt. Im Januar 1971 beschloss der Gemeinderat ein anspruchsvolles Friedhofskonzept. Die „Bewirtschaftung des Friedhofs sollte bis zum Grab“ mit technischem Gerät möglich sein. In der Gestaltung wurden neue Maßstäbe angestrebt. Der Friedhof wurde in unterschiedliche Abteilungen aufgeteilt, mit genauen Vorschriften für die Gestaltung der Grabmale und der Bepflanzung.

Ein Busverkehr zu „friedhofsüblichen Zeiten“ sollte eingerichtet werden. Zunächst wurde nur ein provisorisches Friedhofsgebäude erstellt, das später einer repräsentativen Feierhalle weichen sollte. Auch ein Krematorium wurde ins Auge gefasst.

Zukunftsweisend und mutig war die wichtige Rolle, die den Urnengräbern zugebilligt wurde. Insgesamt waren 12.500 Urnengrabstellen geplant. Die ersten Urnengrababteilungen lagen direkt neben der Feierhalle. Feuerbestattungen waren damals noch verpönt, für Katholikinnen und Katholiken überhaupt erst seit 1963 zulässig. An prominenter Stelle lag auch eine Abteilung für anonyme Bestattungen (Abteilung 64). Eröffnet wurde die erste Hälfte des Friedhofs 1974, die zweite nach langem Kampf mit dem im Boden vorhandenen Wasser erst 1986. Das Konzept scheiterte jedoch weitgehend. Die Buslinie und eine repräsentative Feierhalle waren dem Gemeinderat zu teuer, die Gestaltungsvorgaben waren zu rigide und die Bestattungen dadurch zu teuer. Entscheidend war aber die Änderung der Begräbniskultur mit kürzerer Liegezeit und mehr Urnenbestattungen.

In den letzten Jahren hat eine Neuausrichtung des Dornhaldenfriedhofs begonnen. Ein Schwerpunkt bilden heute die Bestattungen, die in Ermangelung von Angehörigen von der Stadt angeordnet werden. Sie werden bisher in der Abteilung 100 anonym beigesetzt. Eine Neugestaltung des Bereichs mit Namenstafeln ist in Planung. Auf Anregung des Buddhistischen Vereins in Stuttgart ist eine „meditative Grababteilung“ in Vorbereitung.

Bei dem Stichwort Dornhalde fällt heute noch vielen Stuttgarter Bürgerinnen und Bürgern sofort die Rote Armee Fraktion (RAF) ein. 1977 begingen Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe im Gefängnis in Stuttgart-Stammheim Suizid. Der Stuttgarter Oberbürgermeister Manfred Rommel ermöglichte zum Ärger vieler seiner Parteifreunde in der CDU ihre Bestattung auf dem Dornhaldenfriedhof. Die Beerdigung war eine Veranstaltung, die ein enormes Medienecho hervorrief. Neben zahlreichen Polizeikräften und Medienvertretern hatten sich am Oktober 1977 auf dem Dornhaldenfriedhof auch viele Demonstranten eingefunden, unter denen sich auch Mitglieder der trauernden Familien befanden. Auf dem Dornhaldenfriedhof wurden noch drei weitere Mitglieder der RAF beigesetzt: Im Jahr 1980 Wolfgang Beer und Juliane Plambeck und 1999 Horst Ludwig Mayer. Juliane Plambeck wurde später nach Karlsruhe-Rüppurr umgebettet, das Grab von Horst Ludwig Mayer 2019 aufgelöst.

Die ehemalige Schießplatzkantine am Nordrand des Dornhaldenfriedhofs wurde bis 2009 von der Familie eines Friedhofsbaggerfahrers bewohnt, seither stehen die Gebäude leer. Sie sind allerdings keineswegs dem Verfall preisgegeben: Die Kantine, die Scheibenwerkstatt und das Wachhaus stehen seit 2008 auf der Stuttgarter Denkmalschutzliste. 2014 bildete sich eine Initiative von Bürgern, die an einem Konzept für eine öffentliche Nutzung der Gebäude arbeitete. 2016 wurde der Verein „Garnisonsschützenhaus – Raum für Stille e. V.“ gegründet, der das Konzept weiterentwickelte. Der Verein veranstaltet regelmäßig Ausstellungen im Geräteschuppen sowie Lesungen und Führungen und er pflegt den Garten. Der Gemeinderat hat 2,1 Millionen Euro zur denkmalgerechten Sanierung der Gebäude zur Verfügung gestellt, die in den nächsten Jahren umgesetzt wird.

Text: Bertram Maurer
Schlagwort: Stuttgart-Degerloch
Quellenhinweise:

Hauptstaatsarchiv Stuttgart M 17/1 Bü 880, 883, 895, 1295 (Kantine mit Scheibenwerkstatt, Wachhaus).
Hauptstaatsarchiv Stuttgart M 32 Bü 38 (Pachtverträge der Kantine).
Stadtarchiv Stuttgart 2358 116/4 Baurechtsamt, Baurechtsakten.
Stadtarchiv Stuttgart Gemeinderatsdrucksache Nr. 1231/1970 vom 1.12.1970 (Dornhaldenfriedhof).
Regierungspräsidium Stuttgart Referat Denkmalpflege, 05.02.2014.

Literaturhinweise:

Daniel Kirn, Soldatenleben in Württemberg 1871–1914. Zur Sozialgeschichte des deutschen Militärs, Paderborn u. a. 2009.
Bertram Maurer, Die Dornhalde. Vom Schießplatz zum Friedhof, Stuttgart 2018.
http://www.stuttgart-stadtgeschichte.net/pdf/Liste_Denkmaeler_Stuttgart.pdf
https://garnisonsschuetzenhaus.wpcomstaging.com/
http://dornhalde.blogspot.com/

Publiziert am: 26.10.2023
Empfohlene Zitierweise:
Bertram Maurer, Dornhalde, publiziert am 26.10.2023 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/0a61cd34-307b-4c14-9a36-9dde96fdd4ba/Dornhalde.html