Martin Elsaesser wurde am 28. Mai 1884 in Tübingen als Sohn des Theologen, Pfarrers und dortigen Dekans Karl August Elsaesser (1839-1922) geboren. Er studierte von 1902 bis 1905 Architektur an den Technischen Hochschulen (TH) in Stuttgart und München, assistierte von 1908 bis 1911 an der Stuttgarter TH bei Theodor Fischer (1862-1938) und anschließend bei Paul Bonatz (1877-1956) und erhielt eigene Lehraufträge. Als Schüler von Fischer machte er sich die architektonischen Reformansätze im Profan- und Sakralbau zu eigen: Er griff bekannte architektonische Formen aus der Kunstgeschichte auf und wandelte sie, indem er sie reduzierte und abstrahierte, in etwas gänzlich Neues um.
Bereits 1905 gewann er mit nur 21 Jahren den Wettbewerb um die Lutherkirche in Baden-Baden-Lichtenthal, die er bis 1907 im süddeutschen Reformstil ausführte. Währenddessen nahm er 1906 am Zweiten Kongress für den Kirchenbau des Protestantismus teil, und zwar zusammen mit dem Oberkonsistorialrat Johannes Merz (1857-1929), der später Landesbischof wurde und im Vorstand des Württembergischen Vereins für christliche Kunst saß. Künftig war es Martin Elsaesser, der als Merz‘ Fachmann und Berater der regionalen Kirchengemeinden in Bau- und Ausstattungsfragen fungierte. In dieser Funktion bearbeitete er allein bis 1919 insgesamt 40 Kirchenprojekte und gestaltete 15 Pfarr- und Gemeindehäuser. Darüber hinaus wirkte er auch als Autor im „Christlichen Kunstblatt“, dessen Themenschwerpunkte Liturgie- und Baufragen waren. Seine Entwürfe kennzeichnen eine klare Disposition und Raumeinheit in dezidierter Unterscheidung vom Historismus. Im Sinne dieser Gestaltungsprinzipien entwarf Martin Elsaesser z. B. die Pauluskirche in Schwenningen (1909/10), die Christuskirche in Kirchheim unter Teck (1908/09) und die Eberhardskirche in Tübingen (1909-1911) als schlichte Backsteinbauten im Typus von Betsälen. Besonders in der Verwendung des Backsteins emanzipierte er sich vom süddeutschen Reformstil.
Der ästhetischen Reduktion, verbunden mit dem einheitlichen Kunstwillen im Sinne der Spiritualität und Monumentalität, war die Stuttgarter "Ausstellung kirchlicher Kunst aus Schwaben“ von August bis Oktober 1911 gewidmet, an der Martin Elsaesser als Ausschussmitglied des Vereins für Christliche Kunst mitwirkte. Aus diesem Schaffen resultierte die Professur für Entwerfen, mittelalterliche Baukunst und Bauformenlehre an der TH Stuttgart, die er in der Folge bis 1920 innehatte. Im Sinne der Reformarchitektur mit der impliziten Forderung nach schlichter Monumentalität einerseits sowie nach optischer Wirkung in Einbeziehung des Landschaftsbildes andererseits entstand der Bau der Stadtpfarrkirche in Stuttgart-Gaisburg (1912-1913). Er gilt als gelungenster Kirchenbau Martin Elsaessers vor dem Ersten Weltkrieg mit überregionaler Bedeutung. Konsequent ist die räumliche Trennung zwischen Feier- und Predigtkirche, denn die Feierkirche sollte kultischen Handlungen vorbehalten sein, während die Predigtkirche die Funktion eines Versammlungssaales als Zentralraum haben sollte. Umgesetzt wurde dieser als dreischiffiger ellipsenförmiger Innenraum mit Säulenanordnung, doppelten Emporen und einer auf Säulen ruhenden Kuppel, in welchem die Raumeinheit im Vordergrund steht.
Im Sinne des Kirchenbaues als Ort der inneren Sammlung und Erhebung, aber auch bezogen auf die Zweckbestimmung des Gebäudes per se stellte Elsaesser 1919 einen Entwurf für einen idealen Kirchenbau vor, den er parallel zu seinen gleichzeitig veröffentlichten „Gedanken zum evangelischen Kirchenbau“ entwickelt hatte. Es war der Entwurf für eine „große Volkskirche“, die durch Helligkeit, Licht, Wohnlichkeit und schlichte Größe trotz der konsequenten Unterscheidung zwischen Predigt- und Feierkirche überzeugte. Die Umsetzung dieses Typus erfolgte in der 1919 entworfenen und 1925/26 ausgeführten Esslinger Südkirche. Sie zeichnet sich durch das Zusammenspiel eines lichten Langhauses als Predigtraum und eines sich anschließenden geschlossenen Feierraumes mit Rippengewölbe und kleinteiliger Farbverglasung aus.
Da sich Elsaesser in der Umsetzung des Gestaltungswillens der Zeit gleichsam als Vollstrecker des Zeitgeistes sah, konnte er seine Gestaltungsprinzipien mühelos auch auf profane Bauten übertragen. Zwischen 1910 und 1911 entstanden das eigene Wohnhaus und weitere Wohnhäuser in Stuttgart sowie Bauten in Liebenzell, Göppingen und Tübingen, ebenso das Gebäude für die Fachhochschule und das Museum der Edelmetallindustrie in Schwäbisch Gmünd (1909), die Oberrealschule in Tübingen (1910) und das Kurhaus Traifelberg bei Lichtenstein (1912).
Da er ein Faible für großstädtische Bauaufgaben hatte, lieferte er bereits 1908 Entwürfe für die Evangelische Kirchenpflege und 1910 für die Eisenbahn-Generaldirektion in Stuttgart. Weitere Entwürfe in Barmen und Ebingen kamen hinzu. In den Jahren zwischen 1911 und 1914 errichtete Elsaesser die aufsehenerregende Markthalle in Stuttgart, die er als Kombination von Markthalle und Verwaltungsgebäude in Massivbauweise konzipierte. Parallel erhielt er 1912 den Auftrag für den Bau eines Schulgebäudes in Stuttgart-Ost. Der drei- bis viergeschossige langgestreckte Baukörper der Wagenburgschule, eines der größten historischen Schulgebäude Stuttgarts, wurde in Eisenbeton ausgeführt – damals in Stuttgart noch eine sehr seltene Methode. Er passt sich den ungleichen Höhen des abschüssigen Bauplatzes an und schafft nach allen Seiten hin in einer weichen Linienführung Übergänge.
In der Umsetzung von Großbauten kooperierte Martin Elsaesser nicht selten mit der Bauindustrie, so beispielsweise bei Brückenbauprojekten in Kassel (1906) oder Tübingen (1909). Die Verwendung des Eisenbetons kam auch in der offenen Pfeilerkonstruktion im Wettbewerbsbeitrag für den Roßbergturm auf der Schwäbischen Alb zum Tragen. Weitere Entwürfe legte er für die Bebauung des Schlossgartens in Stuttgart und für eine Ausstellungshalle auf dem Gelände der Villa Berg vor, die mit dem zweiten und dritten Preis dotiert wurden. Durch seine Erfolge auch im profanen Bauen wurde Martin Elsaesser 1920 Direktor der Kölner Kunstgewerbeschule.
Seine Begeisterung für Backsteinbauten im Typus des gemäßigten Expressionismus ermunterten ihn zum Bau mehrerer Villen in Köln-Marienburg, aber auch von Großbauten, wie dem 1924 entstandenen Verwaltungsgebäude des Braunkohlesyndikats in Mannheim. Aufgrund seiner Erfahrungen in unterschiedlichsten architektonischen Herausforderungen der Zeit wurde er 1925 als Baudirektor von Köln nach Frankfurt berufen, um sich dort der Ausführung zahlreicher Kommunal- und Verwaltungsbauten zu widmen. Auch hier entstanden mehrere Backsteinbauten, darunter sein eigenes Wohnhaus (1926), die Konrad-Haenisch-Schule (1927) und die Großmarkthalle (1926-1928). Die expressionistischen Backsteinfassaden mit Einbindung bekannter Formenelemente zeigen das Bestreben des Architekten zur Schaffung eines Symbols der prosperierenden Kommune.
In der Diskussion um die zeitgenössische Baukunst entwarf Elsaesser Bauwerke nicht im Sinne des „Modernismus um jeden Preis“, sondern im Sinne der Vermittlung zwischen Tradition und Avantgarde. Mit dem Bau des Hallenschwimmbades in Frankfurt-Fechenheim (1929) oder der „Klinik für Nerven- und Gemütskranke“ in Frankfurt (1930) passte sich Elsaesser indes mehr und mehr an die neusachliche Formensprache der umliegenden Siedlungen an. 1929 schuf er das Gesellschaftshaus im Frankfurter Palmengarten, das durch seinen klar gegliederten Aufbau das Bauprogramm des Neuen Frankfurt darstellte. Ebenfalls im Stil der Neuen Sachlichkeit entstand auch der Bau der Gustav-Adolf-Kirche in Niederursel, für den er 1927 zusammen mit dem Architekten Gerhard Planck Entwürfe lieferte. Die Grundsteinlegung erfolgte am 19. Juni 1927, am 8. April 1928 fand bereits die Einweihung statt. Es sollte ein bewusst protestantischer Kirchenbau werden, mit möglichst geringen Baukosten und guter Einbindung in die dörfliche Umgebung. Unter diesen Maßgaben entstand ein achteckiger Zentralbau mit Zeltdach, dessen Innenraum in sich sehr geschlossen wirkt. Im Untergeschoss befinden sich Konfirmanden- und Gemeindesaal, während die kleineren Anbauten den Treppenturm, die Taufkapelle, die Vorhalle, die Sakristei und den Glockenturm beherbergen. Die Gustav-Adolf-Kirche in Niederursel wurde in räumlicher, liturgischer und stilistischer Hinsicht als wegweisender Kirchenbau des Protestantismus im 20. Jahrhundert wahrgenommen und stellt somit einen Höhepunkt in der künstlerischen Laufbahn Elsaessers dar. Dieser Bau markiert zudem den Schlusspunkt der von ihm errichteten Sakralbauten, weitere Entwürfe, so für die Evangelische Kirche in Essen (1929) oder die Gartenvorstadt-Kirche bei Berlin (1932), wurden nicht verwirklicht.
Bereits 1930 sah sich der Architekt zunehmend Anfeindungen der rechten Parteien ausgesetzt. Es wurden ihm, stellvertretend für den in die Sowjetunion ausgewanderten Stadtbaurat Ernst May (1886-1970), Kostenüberschreitungen und Baumängel angelastet, sodass er Anfang des Jahres 1932 der Auflösung seines bisherigen Vertrages zustimmte. Dies wog zunächst deshalb nicht so schwer, weil er seit 1930 mit dem Bau des Landsitzes von Philipp F. Reemtsma (1893-1959) in Hamburg betraut war. Dass er als Repräsentant der Neuen Sachlichkeit in Deutschland nun weniger Aufträge erhielt, führte dazu, dass er sich in Italien versuchte und in München ein Büro eröffnete, von wo er den Bau der Sümerbank in Ankara (1934-1938) betreute. Die Kriegsjahre verbrachte er mit seiner Familie nahe Berlin und widmete sich dort philosophischen sowie soziologischen Fragen und nicht zuletzt auch der Musik. Dementsprechend entwickelte er 1943/44 für Linz das Projekt eines Bruckner-Symphoniehauses für 7.000 Personen, das indes formal überhaupt nicht zu den staatlichen Plänen für den nationalsozialistischen Umbau der sogenannten Führerstadt passte.
Nach dem Zweiten Weltkrieg legte er Wiederaufbaupläne für die Berliner Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche sowie für die Frankfurter Paulskirche vor. Wie viele weitere seiner Bauvorhaben wurden sie mangels notwendiger Zustimmung nicht umgesetzt. Ebenfalls erfolglos beteiligte er sich 1955 am Wettbewerb für den Landtag in Stuttgart als Erweiterungsbau am Neuen Schloss. So blieb ihm nichts weiter übrig, als sich in Frankfurt und Stuttgart mit dem Wiederaufbau eigener kriegsbeschädigten Bauten zu beschäftigen. Er führte schließlich zudem 1953/54 den Wiederauf- und Umbau des Gustav-Siegle-Hauses in Stuttgart aus, das Theodor Fischer 1912 als Konzert- und Kulturhaus errichtet hatte. Eine klare Würdigung seiner Arbeit erhielt Martin Elsaesser indes mit der Berufung als Professor für Baukunst an der TH München ab 1947 und profilierte sich dort in den Augen seiner Schüler als der „einzige Vermittler der Moderne“. Er kritisierte jedoch zunehmend die in seinen Augen seelenlose Architektur in Verfechtung einer „fruchtbaren Polarität“ von Tradition und Moderne. In der Hoffnung auf eine Überwindung der „materiell orientierten Weltanschauung“ in der Baukunst formulierte er sein Vermächtnis und verstarb am 5. August 1957 in Stuttgart.