Die Weißenburg, 1263 erstmals erwähnt, zählte im 13. Jahrhundert zu den bedeutendsten mittelalterlichen Befestigungen im heutigen Stuttgarter Stadtgebiet. Sie wurde 1312 im Reichskrieg gegen Graf Eberhard I. von den auf der Seite des Reiches stehenden Angreifern zerstört und nie wieder aufgebaut.

Am 16. Juni 1263 stellte Graf Ulrich I. von Württemberg eine Urkunde „apud Wizenb[er]c“ (bei Wizenberc) aus, mit der er die Weingärten, die das Kloster Sirnau in Stuttgart besaß, von allen Lasten und Abgaben befreite. Bei dieser Urkunde handelt es sich um die erste Erwähnung der Burg Weißenburg. In den Quellen des 13. Jahrhunderts wird sie – insgesamt drei Mal – stets als „Wizenberc“ bezeichnet; offenbar nach dem Namen des Berges, auf dem sie stand, nämlich des kleinen Bergsporns zwischen der Bopserklinge und dem Fangelsbachtal. Daneben könnte auch das verwendete Baumaterial, die angeblich hellen Sandsteinquader, namensgebend gewesen sein.

Die genaue Lage, Größe und Ausdehnung der Burganlage lässt sich nur noch teilweise aus einzelnen Überresten und wenigen Geländespuren im heutigen Weißenburgpark rekonstruieren. Am höchsten Punkt des Sporns, wo heute ein Aussichtspunkt eingerichtet ist, befanden sich die befestigten Hauptgebäude aus Stein. In einer heute vorhandenen Hangstützmauer im nahegelegenen Weg „Zur Schillereiche“ sind in Zweitverwendung einzelne Buckelquader verbaut, die wahrscheinlich ins 13. Jahrhundert zu datieren sind und von der Weißenburg stammen dürften. Sie sind neben den Schriftquellen die einzigen Spuren, die Hinweise auf die Erbauungszeit dieses befestigten Adelssitzes geben; die Existenz einer älteren Vorgängeranlage ist dennoch denkbar. Nach Süden hin, wo der Sporn zunächst seine schmalste Stelle erreicht, um dann in die bewaldete Hochfläche überzugehen, wurde die Burg einst von zwei in Ost-West-Richtung verlaufenden sogenannten Halsgräben geschützt. Der erste der beiden verlief ungefähr auf der Höhe des heutigen Parkeingangs von der Steinkopfstraße her, der zweite unmittelbar südlich der Teehausanlage. Diese Gräben deuten darauf hin, dass die Burg aus zwei Teilen bestand, einer Vorburg und einer Hauptburg. Die gesamte Anlage auf dem Sporn dehnte sich auf einer Länge von rund 175 Meter aus, was eine beachtliche Größe darstellt.

Diese Lage der Burg war geprägt durch die Nähe zur alten Straßenverbindung von den Fildern ins Stuttgarter Tal, die „Heerstraße“, die unmittelbar östlich der Burg jenseits der Bopserklinge (obere Preißklinge) ins Tal führte. Dieser Weg ins Tal folgte der sogenannten Burgsteige, die sich seit dem 15. Jahrhundert nachweisen lässt und weitgehend identisch mit der später erwähnten „Oberen Heusteige“ war. Diese Straße wird zum Teil als vorgeschichtliche, bereits in keltischer Zeit genutzte Verbindung angesehen, die von der Schwäbischen Alb (keltisches Oppidum Heidengraben) zum Hohenasperg geführt habe; es gibt allerdings keine archäologischen Nachweise für eine keltische Besiedlung rund um die Weißenburg.

Dennoch könnte die auch im Mittelalter genutzte Straßenverbindung und die Überwachung des Verkehrs ein Grund für den Bau der Burg an dieser Stelle gewesen sein, denn Herrschaftsrechte, die mit der Weißenburg verbunden waren, lassen sich bisher nicht eindeutig nachweisen. Für gewöhnlich waren im Mittelalter mit einer Burg Herrschafts- und Gerichtsrechte über nahegelegene Dörfer verbunden, der Inhaber der Burg übte hoheitliche Rechte über die meist bäuerliche Siedlung aus. Diese Herrschaftsrechte bezogen sich auf die Siedlung und das zu ihr gehörende, gegen Nachbardörfer abgegrenzte Wirtschaftsland, die aus Feldern, Wiesen und Wald bestehende Markung. Bemerkenswert aber ist, dass die Weißenburg über eine eigene Markung verfügte, die in den Lagerbüchern des späten Mittelalters aufgeführt ist und schon 1312 genannt wird: Als sich die Stadt Stuttgart nach der Niederlage Graf Eberhards von Württemberg 1312 dem Reich und der Stadt Esslingen unterstellte, geschah dies mit allen Gütern und Rechten „ze Stuggarten in dem zehnde unde ze Wizzenberg in der marcke“, also im ganzen Zehntbezirk zu Stuttgart und innerhalb der Markung zu Weißenburg. Entstanden könnte diese Burgmarkung dadurch sein, dass mit der Weißenburg ursprünglich Herrschaftsrechte über einen im Tal gelegenen, im Mittelalter abgegangenen und wohl in der Stadt Stuttgart aufgegangenen Ort Immenhofen verbunden waren; als die Markung Immenhofen zur Stadt Stuttgart gelangte, könnte der Burgbezirk mit den zugehörigen Gütern ausgenommen und eine eigene Markung daraus gebildet worden sein. Dieser Prozess dürfte mit dem Vorgang der Stadtwerdung Stuttgarts unter den Markgrafen von Baden im zweiten und dritten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts zusammenhängen. Möglicherweise korrespondiert der stauferzeitliche Ausbau der Weißenburg zeitlich mit dem archäologisch fassbaren, aber nicht genau datierbaren Bau der ersten Burg Stuttgarts im Bereich des Alten Schlosses, für den die Markgrafen von Baden verantwortlich gewesen sein dürften.

Allerdings bleibt unklar, wer über die Weißenburg verfügte oder auf ihr saß. Die insgesamt drei schriftlichen Erwähnungen aus dem 13. Jahrhundert, aus den Jahren 1263, 1270 und 1293, lassen kein eindeutiges Bild entstehen. Vermutlich gelangte die Herrschaft über die Weißenburg mit Stuttgart an die Grafen von Württemberg: 1263 stellte Graf Ulrich hier eine Urkunde aus, 1270 ist mit „Rucgerus de Wizsenberg et filius suus“, Rukger von Weißenburg und seinem Sohn, in einer Urkunde der Grafen von Württemberg erstmals ein niederadliges Geschlecht fassbar, das sich nach der Burg nannte und auch im 14. Jahrhundert mehrfach erwähnt wird. Diese Familie dürften württembergische Ministerialen oder Diener gewesen sein, denen die Burg als Sitz übertragen worden war. 1293 dagegen stellte der Edelfreie Berthold von Mühlhausen bei der Weißenburg eine Urkunde aus. Das könnte darauf hindeuten, dass er Rechte an der Burg besaß, die vielleicht mit dem großen Ausgleich zusammenhingen, den Graf Eberhard von Württemberg mit Graf Albrecht von Hohenberg 1292 nach dem Tod König Rudolfs vereinbarte. Berthold von Mühlhausen war in erster Ehe sehr wahrscheinlich mit einer Tochter Graf Albrechts von Hohenberg verheiratet und heiratete nach deren Tod Adelheid von Landau aus der württembergischen Seitenlinie der Grafen von Landau. Ein Teil des groß angelegten württembergisch-hohenbergischen Ausgleichs könnte auch diese Eheschließung Bertholds mit Adelheid und die Übertragung der Weißenburg gewesen sein.

Bei ihrer Zerstörung 1312 war die Weißenburg jedoch eindeutig in der Hand der Grafen von Württemberg. Die Burg wurde nicht wiederaufgebaut und blieb eine Ruine. Das unmittelbar zur Burg gehörende Gut und die mit ihr verbundenen Grundstücke waren spätestens im 15. Jahrhundert an Weingärtner und Bauern gegen Zinszahlungen verliehen, auf dem eigentlichen Burggelände wurden im 16. Jahrhundert Weingärten angelegt. Im 17. Jahrhundert wurden die Ruinen und der „Burgstall“ in Lagerbüchern und Vogtberichten mehrfach erwähnt und beschrieben, und noch im 18. Jahrhundert waren Mauerreste der Burg vorhanden – obwohl schon im 15. Jahrhundert für die Befestigung der Leonhardsvorstadt Baumaterial an der Weißenburg gewonnen worden sein soll. Der südwestliche Eckturm der Stadtmauer, der 1451 genannte „Weiße Turm“, soll daher seinen Namen haben; später wurde er „Nachrichtersturm“ genannt, weil hier der Scharfrichter seinen Amtssitz hatte.

1844 erwarben die Gebrüder Fellger das Burggelände und errichteten 1845 dort die „Fellgersburg“, eine „Luft- und Molken-Kuranstalt“, in der Kaffee und Kuchen genossen werden konnten. Das Unternehmen war nicht erfolgreich, die Gebäude wurden an Jakob Heinrich Helferich verkauft. Helferich, der zuvor in Mariaberg tätig gewesen war, war Heilpädagoge und richtete dort 1849 unter dem Namen „Bellevue“ eine Lehr- und Heilanstalt für Kinder mit Lernschwierigkeiten oder geistigen Behinderungen ein – „zur Heilung und Erziehung idiotischer Kinder“. Sie zählte zu den ersten Einrichtungen dieser Art und wurde 1851 auf die Solitude verlegt.

Nach mehreren Besitzerwechseln kaufte 1898 und nach 1904 der Fabrikant und Mäzen Ernst von Sieglin nach und nach das Gelände, auf dem er 1913/14 als Wohnsitz der Familie eine Villa mit umgebendem Park erbauen ließ, die „Villa Weißenburg“. Vor allem Sieglins umfangreiche Baumaßnahmen und die Parkgestaltung griffen in den archäologischen Bestand der Burg ein, um 1900 scheint bei Bauarbeiten die Ringmauer angeschnitten worden zu sein. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente die Villa den amerikanischen Besatzungstruppen als Offizierskasino, bevor sie 1956 von der Stadt Stuttgart gekauft wurde. Die Stadt gestaltete den Park um und öffnete ihn 1961 zur Bundesgartenschau. 1964 wurde die Villa abgerissen, bestehen blieben der Marmorsaal und das Teehaus.

Text: Manfred Waßner
Schlagwort: Stuttgart-Mitte
Quellenhinweise:

Staatsarchiv Ludwigsburg B 175 U 9.
Württembergisches Urkundenbuch https://www.wubonline.de/?mp=1&sp=1 [zuletzt aufgerufen am 14.06.2021].

Literaturhinweise:

Hansmartin Decker-Hauff, Geschichte der Stadt Stuttgart. Bd. I: Von der Frühzeit bis zur Reformation, Stuttgart 1966.
Helmut Dölker, Flurnamen der Stadt Stuttgart. Die Namen der Innenstadt sowie der Stadtteile Berg, Gablenberg und Heslach (Forschungen und Berichte zur Volkskunde in Baden-Württemberg, Bd. 6), Stuttgart 1982 (Nachdruck der Ausgabe von 1933).
Karl Pfaff, Geschichte der Stadt Stuttgart. Erster Teil: Geschichte der Stadt von den ältesten Zeiten bis zum Jahre 1650, Stuttgart 1845.
Hartmut Schäfer, Die Anfänge Stuttgarts. Vom Stutengarten zur württembergischen Residenz, Stuttgart 2012.
Klaus Steinke, Teehaus, Tanz und Berg der Wahrheit. Zeitreisen rund um die Stuttgarter Weißenburg, Tübingen 2018.
Gustav Wais, Alt-Stuttgart. Die ältesten Bauten, Ansichten und Stadtpläne bis 1800. Mit stadtgeschichtlichen, baugeschichtlichen und kunstgeschichtlichen Erläuterungen, Stuttgart 1941.
Gustav Wais, Alt-Stuttgarts Bauten im Bild, Stuttgart 1951.
Gerhard Wein, Die mittelalterlichen Burgen im Gebiet der Stadt Stuttgart. 1. Band: Die Burgen im Stuttgarter Tal (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Stuttgart, Bd. 20), Stuttgart 1967.

Publiziert am: 14.09.2022
Empfohlene Zitierweise:
Manfred Waßner, Weißenburg, publiziert am 14.09.2022 in: Stadtarchiv Stuttgart,
URL: https://www.stadtlexikon-stuttgart.de/article/03e0fb32-ec57-4945-89df-5823d212c1d3/Weissenburg.html